Unsere Lebensmittel - Betrug und kein Ende?
- Unsere Lebensmittel - Betrug und kein Ende?
- Ausufernde Wirtschaftsinteresen und der Schutz der Gesundheit
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Die Herstellung der Lebensmittel wird überwacht und kontrolliert. Warum aber finden sich dann regelmäßig vergiftete Produkte in den Regalen der Supermärkte?
Auch bei agrarindustriellen Produkten wie Glyphosat scheinen unabhängige Bewertungen und Kontrollen von vornherein ausgeschlossen zu sein. Ein kritischer Blick.
Zuständig für die amtliche Lebensmittelüberwachung sind Kontrollinstitutionen und Veterinärämter der Bundesländer. Sie nehmen Proben, kontrollieren Unternehmen, Lager, Lebensmittelläden und Gaststätten in regelmäßigen Abständen, ohne Vorankündigung. Dabei werden Betriebe, die bereits negativ aufgefallen sind, häufiger überprüft, erklärt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
In einem Strategiepapier preist das BVL die Lebensmittelsicherheit als hohes und unverzichtbares Gut an. Von staatlicher Seite fehlt es also nicht an guten Absichten. Und trotzdem läuft bei der Sicherheit von Lebensmitteln einiges schief.
Große und kleine Skandale
Zum Beispiel der BSE-Skandal: Er erschütterte im Jahr 2000 die Republik. Zwar nimmt nicht jeder Skandal dieses Ausmaß an. Doch genügt es schon, Metallkörper mit frischer Vollmilch, Glassplitter mit Nudelsaucen oder Holzstückchen mit Babynahrung zu vermengen, um das Vertrauen des Kunden zu erschüttern. Auch Salmonellen in Waffeln, Matjesfilets, Bio-Sesammus sind der Gesundheit nicht förderlich, geschweige denn Schimmelpilze in Basmati-Reis.
Die Seite Produktrueckrufe.de listet unter anderem alle skandalträchtigen Zufallsfunde in Lebensmitteln seit 2009 - von Antibiotika bis hin zu Benzolderivaten. So wurden erst Anfang Dezember Haselnüsse aus dem Handel zurückgerufen, die auf Grund hoher Werte an Aflatoxin (Schimmelpilzgift) nicht zum Verzehr geeignet waren. Warum werden so viele Betrugsfälle trotz angeblich lückenloser Lebensmittelüberwachung aufgedeckt? Und was ist mit den Betrügereien, die gar nicht erst ans Tageslicht kommen?
Etiketten mit falschen Angaben
Glaubt man Thilo Bode, werden wir beim Einkaufen systematisch betrogen. "Wir haben keine Wahl zwischen guten und schlechten Lebensmitteln", so der Autor des konsumkritischen Sachbuches Abgespeist:
Unsere Gesundheit wird geschädigt, aber wir haben keine Chance, diese Schädigung zu vermeiden.
Thilo Bode
Mit Betrug an Lebensmitteln lässt sich viel Geld verdienen, erklärt der Geschäftsführer von Foodwatch. Wer Gammelfleisch zu Döner oder Gulasch verarbeitet, kann mit Gewinnspannen von bis zu 1000 Prozent rechnen. Das Risiko, erwischt zu werden, ist minimal, die Strafen lächerlich.
Etikettenschwindel steht anscheinend überall auf der Tagesordnung: Eine billige Tütensuppe darf das Etikett "Naturpur" tragen, auf jeder Milchpackung darf stehen, dass die Milch von "artgerecht gehaltenen Tieren" stammt. "Natürliche" Aromen müssen zwar aus einem natürlichen Rohstoff gewonnen werden, aber nicht unbedingt aus dem genannten Lebensmittel.
So wird das "natürliche" Aroma im Erdbeerjoghurt zum Beispiel aus Holzrinde und die Speisegelatine in Gummibärchen aus ungenießbaren Schlachtabfällen hergestellt. Doch falsche Angaben auf der Verpackung können für Allergiker zu Falle werden, zum Beispiel wenn Hühnereiweiß in Dessert-Pulver enthalten ist.
Vergiftetes Tierfutter - nur eine Ordnungswidrigkeit?
Wir erinnern uns an den Futtermittelskandal auf einem Legehennenbetrieb im Kreis Vechta: Der Betriebsleiter hatte im November 2010 bei Eigenkontrollen erhöhte Dioxinwerte gefunden. Es stellte sich heraus, dass ein norddeutscher Futtermittelhersteller mit Dioxin belastete Fette unter das Futter gemischt hatte. Dieser erklärte, er sei davon ausgegangen, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel anfällt, auch für die Herstellung von Futtermitteln geeignet sei.
Die Firma wurde gesperrt, mit ihr bundesweit 1.000 Legehennen-, Schweine- und Putenmast-Betriebe. Hunderte Tiere wurden getötet, tausende Eier vernichtet. Drei Wochen später fand man mit Dioxin belastetes Schweinefleisch von 180 Schweinen im Handel. Geschäftsführer und Prokurist der Firma sollen den Futtermitteln Fett aus Altspeiseresten beigemischt haben. 2013 wurden sie wegen Betrugs in über 100 Fällen verurteilt: der eine wegen Fahrlässigkeit zu 1.000 €, der andere wegen Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futterrecht zu 3.000 €.
Skrupellose Unternehmer panschen technische Fettsäuren in Futtermittel und setzen damit Gesundheit von Tier und Mensch aufs Spiel. Am Ende zahlen die Täter nur eine "Ordnungsstrafe". Inzwischen haben die Behörden das Strafmaß allerdings erhöht: So stand im März 2015 ein Futtermittelunternehmen in Vechta vor Gericht, weil es an einen Cloppenburger Legehennenhalter Dioxin belastetes Futter verkauft hatte. Diesmal wurde das Unternehmen zu 43.000,- € Schadenersatz verurteilt.