Unsere Lebensmittel - Betrug und kein Ende?
Seite 2: Ausufernde Wirtschaftsinteresen und der Schutz der Gesundheit
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Der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier steht ausufernden Wirtschaftsinteressen eben permanent im Wege. Besonders da, wo Staat und Industrie eng miteinander verzahnt sind, haben staatliche Kontrollen nur noch Alibifunktion. Die erhöhte Quecksilberbelastung bei Fischen liefert dafür ein weiteres Beispiel.
Ein Großteil der Schwermetalle in den Ozeanen stammt aus künstlichen Quellen wie Zementproduktion, Erzgewinnung, Kohle und Müll. Verdampftes Quecksilber kann sich monatelang in der Luft halten, bevor es auf dem Boden oder im Meer landet. Carl Lamborg von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts zufolge ist die Quecksilber-Konzentration bis zu einer Wassertiefe von 100 Metern auf 250 Prozent gestiegen. 65 Prozent des Quecksilbers seien in Tiefen von weniger als 1000 Metern angereichert.
Es ist jener Bereich, in dem sich die meisten Meerestiere aufhalten. So verwundert es kaum, dass erhöhte Quecksilberwerte in Zacken- und Torpedobarsch, Atlantischem Sägebauch-, Speer-, Schwert- und Haifisch ebenso gefunden wurden wie in Königsmakrelen, Heilbutt, Meerforelle, Blaubarsch, Hummer und Thunfisch.
Insbesondere Thunfisch wurde wegen überhöhter Werte bereits häufiger aus dem Verkehr gezogen. Was aber tut die EU-Kommission? Sie plant die Grenzwerte für Quecksilber für hoch belasteten Raubfisch ab 2016 zu lockern. Schließlich dürfen große Fischerei-Nationen wie Spanien wirtschaftlich nicht gefährdet werden.
Die industriekritische Organisation Foodwatch wendet sich mit einer Petition nun gegen eine Lockerung der Grenzwerte.
Diskussion über kanzerogenes Glyphosat
Immer noch aktuell ist auch die Diskussion um den Wirkstoff Glyphosat. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO kam nach Auswertung einiger internationaler Studien im März 2015 zu dem Schluss, dass Glyphosat beim Menschen "wahrscheinlich krebserregend" sei.
In fünf Studien mit Futterversuchen bei Mäusen, die von 1983 bis 2009 durchgeführt wurden, fanden die IARC-Experten in drei Fällen Lymphdrüsenkrebs, in einem Fall signifikant mehr Nierentumore und in einem weiteren Krebs bei Blutgefäßen. So wurden in einem Tierversuch von 2009 zum Beispiel 51 Mäusen unterschiedliche Mengen an Glyphosat ins Futter gemischt. Ergebnis: Je höher die Dosen, desto mehr Mäuse erkrankten.
Der Wirkstoff sei nachweislich genetisch verändernd, so IARC- Experte Christopher Portier gegenüber Reportern von Frontal 21. Der Toxikologe erhebt schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und fordert eine neue Risikobewertung.
Auch der Toxikologe Peter Clausing erklärt in einem Interview mit der ARD-Sendung "Fakt", es sei skandalös, dass Industriestudien vom BfR blind übernommen und wiedergegeben wurden. Eberhard Greiser, Epidemiologe der Universität Bremen, ist sogar der Ansicht, hier seien Studieninhalte absichtlich gefälscht worden.
Doch das BfR weicht nicht vom Kurs ab: Die vorliegenden Informationen seien "wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar" und mit zu wenigen Studien belegt. Auch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA (European Food Safety Authority) ließ kürzlich verlauten, es sei "unwahrscheinlich", dass Glyphosat ein Krebsrisiko für den Menschen darstelle.
"Wahrscheinlich" - "unwahrscheinlich": Verrät das nicht die große Unsicherheit, mit der man bei der Bewertung giftiger Wirkstoffe vorgeht? Gerade das wäre aber ein Grund, den Wirkstoff endgültig vom Markt zu nehmen. Bei unzureichendem Wissensstand muss das Vorsorgeprinzip gelten, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.
Ein Nachsatz zur EFSA: Der lobbykritischen Organisation CEO zufolge haben 123 von 209 ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mindestens eine Verbindung zur Industrie - passenderweise genau zu den Branchen, die sie kontrollieren. Nicht wenige Verwaltungsratsmitglieder sitzen gleichzeitig in Gremien der EFSA und in Aufsichtsräten der Lebensmittelindustrie.
Wirklich unabhängige Bewertungen von Agrargiften wie Glyphosat durch die EFSA dürften vor diesem Hintergrund kaum möglich sein.
Seit mehreren Monaten übrigens setzen sich Umweltorganisationen wie der BUND, Campact und Greenpeace in diversen Petitionen mit Vehemenz für ein Verbot von Glyphosat ein.