Unter Friedhofsvögeln
Seite 7: Sprachtabu mit Kaninchen
Es war nicht nur so dahingesagt, wenn Losey Michael Carreras mitteilte, dass er die Geschichte aus den Schauplätzen heraus entwickeln wolle. Manchmal ist der Ortsbezug offensichtlich. Die Isle of Portland ist unschwer als Thomas Hardys "Halbinsel, die von der Zeit aus einem einzigen Stein gemeißelt wurde" zu erkennen, als "das Gibraltar von Wessex", weil Arthur Grant die Bilder dazu eingefangen hat. Für Freyas Atelier ist sie der ideale Platz. Manchmal kann ein wenig Vorwissen nicht schaden, ohne unbedingt erforderlich zu sein. Die narrative Struktur des Films wird dann noch dichter.
2005 ging die Nachricht über ein Sprachtabu auf der Isle of Portland durch die nationale Presse Großbritanniens, nachdem die BBC berichtet hatte, dass der Verleih von Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit aus Respekt vor lokalen Sitten und Gebräuchen für Portland ein eigenes Plakat drucken ließ, ohne rabbit. Der Bürgermeister wurde zum gefragten Interviewpartner und erklärte, dass es auf der Halbinsel ein ungeschriebenes Gesetz gebe, das Wort nicht auszusprechen. Die gängige Erklärung dafür ist die, dass Kaninchen beim Anlegen eines Baus einen Erdrutsch oder Steinschlag auslösen können.
Als man in den Steinbrüchen von Portland noch mit Hammer und Pickel schuftete, so der Bürgermeister, wurde nach der Sichtung eines Kaninchens die Arbeit niedergelegt, bis die Sicherheitslage überprüft war. Das konnte überlebenswichtig sein. So entstand die Angst, dass das Aussprechen des Wortes rabbit Unglück bringt. Also wurde das englische Wort für Kaninchen durch underground mutton (Unter-Tage-Hammel), furry things (pelzige Dinger) und dergleichen mehr ersetzt. Wenn man das weiß fällt einem auf, wie oft rabbit im Dialog von The Damned zu hören ist.
Sprachtabu mit Kaninchen (7 Bilder)
Ben Barzman, der McCarthy-Exilant ohne Reisepass, konnte nicht zur Recherche nach Weymouth kommen und schrieb deshalb ein Drehbuch ohne ortsspezifische Charakteristika. Losey musste es daher ablehnen. So erklärt er es in einem Interview. Der Verdacht drängt sich auf, dass das ein Vorwand war, um nach vier gemeinsamen Filmen einen sehr von sich eingenommenen Weggefährten loszuwerden, von dem Losey dachte, dass er ihn künstlerisch nicht mehr weiterbrachte. Wahrscheinlich war es doch mehr als das.
Das Sprachtabu von Portland ist genau eines jener Details, die Losey so gern in seine Filme einbaute - ein Detail, das man in einem Pub in Weymouth erfahren konnte, aber nicht in Nizza, wo Barzman festsaß. Ich glaube, es ist diesem Tabu geschuldet, dass sich Losey und sein neuer Drehbuchautor Evan Jones ein Kaninchen ausdachten, das vor Joan, Simon und King den Weg in die Katakomben von Portland Bill gefunden hat. Das Kaninchen verlor sein Fell, wurde krank und von Bernards Leuten aus den Bunkern geholt, weil die Kinder nicht sehen sollten, wie es starb.
Das ist der erste Hinweis, dass es in den Bunkern eine unsichtbare Gefahr gibt. Losey wäre allerdings nicht Losey, wenn er nicht eine weitere Information damit transportieren würde. Bernard spricht mehrfach von dem Kaninchen, und die Kinder tun es auch, weil das Erscheinen und das Verschwinden des Tieres in ihrer Katakombenexistenz einschneidende (und verstörende, weil unverständliche) Erlebnisse waren. Rabbit, rabbit, rabbit sagen Lehrer wie Schülerinnen und Schüler, statt eines der auf Portland üblichen Synonyme zu verwenden. Losey nützt das Sprachtabu zur Charakterisierung von Bernards Projekt.
Der Respekt vor kulturellen Eigenheiten gehört nicht zum Erziehungsprogramm, weil Bernard den Blick stur auf ein Ziel gerichtet und keinen Sinn für Kollateralschäden und deren Vermeidung hat. In diesem Film, in dem die Details aufgereiht sind wie an einer Schnur, darf auch ein weiteres Charakteristikum dieser Gegend um Weymouth, Portland und Chesil Beach nicht fehlen. Das Kaninchen hat nicht der Schwarze Mann geholt wie im Märchen, sondern der "Schwarze Tod". So erzählen es die Kinder Joan und Simon.
Mit der Krankheit leben
Im Rahmen eines "Infektionsgeschehens" war mit dem Schwarzen Tod früher die Pest gemeint. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass sie im Sommer 1348 über den Hafen von Melcombe Regis nach England eingeschleppt wurde, vielleicht auch über Bristol. Melcombe Regis ist seit 1571 mit Weymouth zu einer Stadt verschmolzen, auf Anordnung von Königin Elizabeth I. Wenn Joan den Kai hinunter läuft, um in Simons Boot zu springen, die Dolce Vita, sieht man im Hintergrund die 1930 eingeweihte Town Bridge. 1597 wurde an dieser Stelle zum ersten Mal eine Brücke gebaut, um die Häfen beider Orte zu verbinden.
Von Dorset breitete sich die Pest über das ganze Land aus. Im Winter 1348 war zur Beulenpest durch Mutation die weniger infektiöse, aber noch tödlichere Lungenpest hinzugekommen. London, wo im Januar 1349 das Parlament nach Hause geschickt wurde, nachdem kurz hintereinander mehrere hohe Würdenträger gestorben waren, wurde von beiden Formen der Pest getroffen. Neueren Berechnungen nach starben in der ersten Pestepidemie von 1348 bis 1350 zwischen 30 und 45 Prozent der Bevölkerung; in manchen Orten waren es bis zu 90 Prozent.
Nicht auszudenken, was jetzt los wäre, wenn Covid-19 eine ähnliche Sterberate hätte. In Großbritannien kam die Pest danach immer wieder: 1361-64, 1368, 1371, 1373-75, 1390, 1405 und so weiter. Die Menschen mussten lernen, mit der Krankheit zu leben. 1485 brachte ein Thronfolgekrieg die Tudors an die Macht. Verbreitet von den in diesem Krieg kämpfenden Soldaten, konnte die Pest erneut Fuß fassen. In Hilary Mantels Cromwell-Trilogie ist sie ständig präsent. Thomas Cromwells Frau stirbt an der Pest, danach erwischt es seine beiden Töchter.
In einer schlimmen Phase begibt sich Cromwell in Selbstisolation, und der besonders abgeschirmte König Heinrich VIII. ist ständig auf Reisen, um von der Pest nicht eingeholt zu werden. Um das, was man heute "Risikogebiete" nennen würde, macht er einen großen Bogen. Jane Seymour, Gattin Nr. 3, kann nicht gekrönt werden, weil es das "Infektionsgeschehen" nicht zulässt. Beim diesjährigen Literaturfestival von Hay, das coronabedingt nur online stattfand, sprach Mantel über die Parallelen zwischen einst und jetzt und über Leute, die sich im Kampf gegen die Pest nicht viel anders verhielten, als wir es in der Covid-19-Pandemie tun:
"Sie verstanden nicht, was unter dem Mikroskop zu erfassen ist, sie wussten nichts von Viren und Bakterien, sie wussten nichts über Krankheitsursachen. Was sie aber wussten war, wie die Krankheit zu Werke ging und wie sich Infektionen bei den Armen ausbreiteten, dass man sauber sein und Schmutz unbedingt vermeiden sollte. Sie wussten, dass Städte ein Infektionsort waren und sie wussten, dass man Menschenmengen verbieten musste - also keine öffentlichen Zeremonien, wenn ein Pestverdacht bestand. … In vielerlei Hinsicht war das, was die Tudors damals taten, dem sehr ähnlich, was zu tun man uns auferlegt hat. Sie hatten nur andere Namen für die Dinge."
In Texten aus früheren Zeiten, als die medizinische Wissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte (oder sich nur so nannte), stößt man häufig auf die Szene, in der ein Arzt zu spät zum Kranken kommt, um ihm noch helfen zu können. Oft steckte dahinter ein Kalkül: Ärzte kamen absichtlich "zu spät", weil das besser für ihre Reputation war als hilflos dabei zu sitzen, während ein Patient an einer Krankheit verstarb, gegen die sie keim Mittel wussten. Wer möchte ernsthaft dorthin zurück und auf den Doktor warten, der einen zur Ader lässt oder mit der Knochensäge kommt, weil ihm sonst nichts einfällt?
Trotzdem habe ich mich beim Lesen von Mantels Trilogie mitunter gefragt, ob es bestimmte Situationen geben könnte, auf die Menschen der Tudorzeit besser vorbereitet waren als wir mit unseren Virologen, Epidemiologen etc. Konfrontiert mit einer neuen, weitgehend unerforschten Krankheit ist man notgedrungen darauf angewiesen, sich an Plausibilitäten zu orientieren, weil wissenschaftlich nachgewiesene Erkenntnisse Mangelware sind. Für Cromwell und seine Zeitgenossen war das ganz normal, weil es keinen Sinn hatte, auf Verhaltensregeln aus Oxford oder Cambridge zu hoffen.
Hätten also, um ein naheliegendes Beispiel zu nehmen, die diversen Frauen von Heinrich VIII. und ihre Hofdamen, zeitversetzt in die Corona-Pandemie, sehr bald Masken genäht, weil die Erfahrungen in anderen Ländern den Schluss nahe legten, dass es hilfreich sein könnte, Mund und Nase zu bedecken? Oder hätte Cromwell als Lordsiegelbewahrer vom Maskengebrauch abgeraten, wie es das Robert-Koch-Institut lange tat, weil es keine wissenschaftlich evaluierten Studien über die Wirksamkeit der Maßnahme gab, nur eine gewisse Plausibilität aufgrund der Fallzahlen? Das wäre mal eine Untersuchung wert.
Mit Quarantäne, Stoßlüften und Kontaktverfolgung gegen den Erreger
Nach der ersten großen Pestepidemie ging die Todesrate zurück, weil man epidemiologisch und hygienisch dazugelernt hatte, nicht selten im Trial-and-Error-Verfahren. Einen neuen Schrecken gab es auch. Zeitgenössische englische Quellen belegen, dass sich in den 1360ern das Alter der Risikogruppen veränderte. Es starben nun vor allem junge Leute und besonders Kinder, mit den zu erwartenden Folgen für die Demographie: Weniger junge Menschen bedeuteten weniger Nachwuchs und eine Überalterung der schrumpfenden Bevölkerung.
Das ist ein Szenario, das den Untergangspropheten, meiner Wahrnehmung nach zumindest, bisher nicht eingefallen ist, wenn sie eine düstere Corona-Zukunft an die Wand malen. Da wütet vorzugsweise ein Virus, das durch Mutation immer tödlicher wird. Es könnte anders kommen - wenn nicht in dieser, dann vielleicht in der nächsten Pandemie, in einer dritten oder vierten Covid-Welle. In England gab es noch Mitte des 17. Jahrhunderts einen neuen, verheerenden Ausbruch der Pest.
Daniel Defoe veröffentlichte 1722 mit A Journal of the Plague Year ein fiktives Tagebuch über die Große Pest von 1665, der heute frappierend aktuell wirkt, genauso wie die echten Tagebücher des 1633 geborenen Samuel Pepys. Defoe war 1665 erst fünf Jahre alt, hatte aber genau recherchiert, bevor er sein Buch schrieb. Das fiktive Tagebuch fängt mit Nachrichten darüber an, dass in Holland die Pest zurückgekehrt ist. Die Regierung verfügt über die relevanten Informationen und trifft sich zu Beratungen, dies jedoch hinter verschlossenen Türen, weshalb es bei Gerüchten bleibt.
Es gibt allgemeine Warnungen, aber in England vergisst man sie bald wieder, oder man beruhigt sich damit, dass Holland zu weit weg ist, um eine Gefahr zu sein. Das kennt man irgendwie. Die Entfernungen haben sich seither geändert, aber auch die Möglichkeiten, sie zu überwinden. Er könne gar nicht glauben, schreibt der Verfasser des Tagebuchs, wie schlecht man vorbereitet gewesen sei, und wie wenig ernst man die Warnungen genommen habe, weil Menschen zuerst in anderen Ländern starben und nicht in der eigenen Stadt.
Die Bürokratie ist träge und braucht sehr lange, um zu reagieren. Die Intransparenz des Regierungshandelns schürt das Misstrauen. Die offiziellen Statistiken zu den Todeszahlen stehen im Verdacht, manipuliert zu sein. Skeptiker orientieren sich deshalb an Erhebungen zur Übersterblichkeit. Defoes Tagebuchschreiber listet Vergleichszahlen zur Menge der Beerdigungen in ausgewählten Kirchensprengeln auf, aus denen sich ergibt, dass die Angaben der Behörden zu niedrig angesetzt sind. Da es weder ein Gesundheitsamt noch eine Warn- App gibt werden "Frauen mit gutem Ruf" als searchers rekrutiert.
Aufgabe der searchers ist es, Pestkranke ausfindig zu machen und deren Kontakte nachzuverfolgen. Diejenigen, die gesellschaftlich benachteiligt sind und am schlechtesten bezahlt werden, tragen beim Eindämmen der Pandemie das höchste Risiko. Auch das kommt einem irgendwie bekannt vor. Um die hohe Fehlerquote bei der Erfassung der Infizierten zu reduzieren, werden den searchers Ärzte beigegeben. Dadurch wird ein Teil des Gesundheitswesens lahm gelegt, weil diese Ärzte für andere Kranke nicht mehr zur Verfügung stehen.
Über Kontaktpersonen der Infizierten wird eine häusliche Quarantäne verhängt. Überproportional darunter zu leiden haben die Armen, aufgrund ihrer Wohnverhältnisse und weil sie sich den Verdienstausfall nicht leisten können. Die Taxis der Zeit, die Hackney-Coaches (Mietdroschken), dürfen nach dem Transport einer potentiell infizierten Person erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn sichergestellt ist, dass sie über einen längeren Zeitraum belüftet wurden. Gute Durchlüftung gilt überhaupt als ein probates Mittel zum Bekämpfen der Pest.
Schade, dass Verkehrsplaner, Ingenieure und Architekten keine alten Bücher lesen. Wäre es anders, hätten wir jetzt vielleicht S-Bahnen, in denen ständig ein leichter Luftzug zu spüren ist (wie in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln in Asien), was die Infektionsgefahr durch Aerosole verringert. Die Menschen des 17. Jahrhunderts hatten da schon den richtigen Riecher, auch wenn sie das Wort "Aerosol" nicht kannten. Es sind die Geisteswissenschaftler, die einem über solche Dinge Auskunft geben können. Leider hat man sie, obwohl systemrelevant, in der Corona-Pandemie vergessen. Das Wiedereröffnen von Baumärkten und Gartencentern war ungleich wichtiger als das von Bibliotheken und Archiven.
Zu den Verbreitungswegen der Pest gab es unterschiedliche Theorien. Im London des Jahres 1665 geraten Haustiere in Verdacht, Überträger zu sein. Der Verfasser des Tagebuchs nennt die Zahl von 40.000 Hunden, die getötet worden seien, und fünfmal so viele Katzen. Das müsste auch die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft alarmieren. Frau Klöckner leitet ein Schlüsselressort zur Bekämpfung künftiger Pandemien, weil ein direkter Zusammenhang zwischen der industriellen Ausbeutung der Natur und dem Überspringen von Viren vom Tier auf den Menschen besteht. Ihre herausragende Idee des Jahres 2020 scheint es bisher gewesen zu sein, eine Gassigehpflicht für Hundebesitzer einzuführen.
Hotspots einst und jetzt
In London galt die Pest erst als besiegt, als die Stadt 1666 abbrannte. Die großen Brände des 17. Jahrhunderts bewirkten einen Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft. Nachdem die alten Holzhäuser in Flammen aufgegangen waren, baute man sie in Stein wieder auf. Bei der Errichtung der neuen St Paul’s Cathedral entschied sich der Architekt Christopher Wren für Portland-Stein als Material. Von da an konnten sich die örtlichen Steinbrüche vor Aufträgen kaum mehr retten. In Weymouth erinnert man sich daran lieber als an andere historische Ereignisse.
Unter Vermarktern, Gewerbetreibenden und Lokalpatrioten gibt es immer mal wieder ein Gebrummel wegen einer Gedenktafel, die darüber informiert, dass das hier der Hafen war, durch den der Schwarze Tod nach England kam. Für einen Touristenort wie Weymouth, heißt es dann, sei so etwas eine schlechte Reklame. Zyniker mutmaßen, dass die Stadt die Tafel anbringen ließ, um etwaigen Versuchen von Bristol, diese zweifelhafte Ehre für sich zu reklamieren, einen Riegel vorzuschieben (ein Seemann aus der Gascogne soll in Melcombe Regis die ersten Engländer angesteckt haben, aber sein Schiff legte vorher in Bristol an).
Die Tafel findet man am Custom House Quay. Das ist da, wo Simon Wells sein Boot vertäut hat und Joan vor King und seiner Bande wegläuft. Dieser Aspekt der Heimatkunde, die Pest in Weymouth, scheint auch in Bernards Lehrplan vertreten zu sein. Die Kinder haben das Bild vom "Schwarzen Tod" aufgegriffen und es in ihre Wirklichkeit integriert. Die Lehrer, warnen sie Joan und Simon, dürfen die Besucher nicht sehen. Andernfalls werde der Schwarze Tod kommen und sie holen, wie er schon das kranke Kaninchen geholt hat. Joan friert und Simon weiß nicht recht, was er mit der Information anfangen soll, doch der Begriff bleibt haften. Der Schwarze Tod.
Mag sein, dass die Kinder im Geschichtsunterricht Illustrationen mit der Schutzkleidung der Pestärzte und ihren Schnabelmasken gesehen haben, die - wie Marion Ruisinger vom Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt schreibt - allenfalls während der zweiten großen Welle in Südeuropa eine Rolle spielten und trotzdem fester Bestandteil unseres kollektiven Bildarchivs zur Pest geworden sind, seit sie im 18. Jahrhundert durch Einblattdrucke aus Nürnberg und Augsburg populär wurden, in denen man sich über die Ärzte aus dem Süden und ihre merkwürdigen Gebräuche lustig machte, um das eigene Gesundheitswesen heller leuchten zu lassen.
"Wer zu Pestkranken gehen musste", schreibt Ruisinger, "ließ Räucherwerk abbrennen und hielt sich einen mit Duftessig getränkten Schwamm vor die Nase. Im 17. Jahrhundert kamen Pestärzte in Italien und Frankreich auf die Idee, den Duftschwamm in einem ledernen Futteral vor der Nase zu befestigen, um ihre Hände frei zu haben. So entstand die ‚Schnabelmaske’." Losey müssten die Bilder von den Ärzten mit Lederschnabel, die er im Stadtmuseum von Weymouth besichtigen konnte, gefallen haben. Sie passen gut zu Elisabeth Frinks Vögeln und zu Portland Bill.
Das Stadtmuseum gibt übrigens noch immer die viel niedrigeren, vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammenden Schätzungen zu den Opferzahlen an. Es schickt sich eben nicht für einen Urlaubsort, am Beginn einer Entwicklung zu stehen, in deren Verlauf das halbe Land dahingerafft wurde. Der Après-Ski-Ort und Corona-Hotspot Ischgl in Tirol besitzt ein Seilbahnmuseum, in dem "der Aufstieg Ischgls zu einem der erfolgreichsten Skigebiete Österreichs" gefeiert wird. Dort sollte man nach überstandener Pandemie unbedingt eine Covid-19-Ecke einrichten, um die Geschichte von der Ausbreitung des Virus durch Ignoranz, Profitstreben und Polit-Kungelei neu zu erzählen, im Sinne der Tourismusindustrie.
Wie sich die Bundesregierung die desinfizierte Gesellschaft der Zukunft vorstellt, warum Vladimir Nabokov und eine legendäre Richterin das deutsche Infektionsschutzgesetz ablehnen würden, weshalb auch die Rückkehr von König Artus die Welt nicht retten wird, aus welchem Grund The Damned doch mehr mit der Corona-Pandemie zu tun hat, als einem lieb sein kann und anderes mehr erfährt man im dritten (und letzten) Teil:
Teil 3: Der Ausnahmezustand als neue Normalität
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