Unübersehbar heftige Spannungen
Kräfteverhältnisse und Positionen in der Islamischen Republik Iran
Der Streit um Irans Nuklearprogramm steht seit Monaten an der Spitze der weltpolitischen Nachrichten. Ein erheblicher Teil der Diplomatie führender westlicher Staaten, der USA und der EU, sowie Russlands und Chinas beschäftigt sich mit jener Herausforderung, die vom UN-Sicherheitsrat zu einer Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens deklariert worden ist. Doch sorgt dieser Konflikt auch im Gottesstaat Iran für unübersehbar heftige Spannungen zwischen verschiedenen politischen Fraktionen innerhalb des Regimes. Seit dem Amtsantritt des Präsidenten Ahmadinedschad im August 2005 haben diese Machtkämpfe an Schärfe zugenommen.
Den Höhepunkt des Zusammenstosses mit dem reformerisch-pragmatischen Lager markierte die Inhaftierung von Seyyed Hussein Mussavian, einem hochrangigen Diplomaten und Atomunterhändler im Kabinett von Ahmadinedschads Vorgänger Mohammad Khatami. Mussavian ist in Teheran als ein enger Vertrauter Rafsandschanis bekannt. Er war während der gesamten Präsidentschaft Rafsandschanis (1989-1997) Irans Botschafter in Deutschland und sorgte 1992 für Aufsehen aufgrund des Mykonos-Anschlages 1992 in Berlin, bei der unter nachgewiesener Verwicklung der iranischen Botschaft vier führende kurdische Dissidenten durch iranische Agenten ums Leben kamen.
Seit dem Entflammen des Atomstreits mit dem Westen gehörte der Pragmatiker Mussavian zu den wichtigen Säulen im Verhandlungsstab und genoss hohes Ansehen bei den westlichen Dialogpartnern. Nach der Amtsübernahme Ahmadinedcshads wurde der dem moderaten Khatami nahe stehende Chefunterhändler Hassan Ruhani und sein Stab durch den konservativen Ali Laridschani abgelöst. Mussavian fiel seitdem mit seiner sachkundigen Kritik am Kurs des neuen Verhandlungsteams auf. Letzten Endes führte das letzte Woche zu seiner Verhaftung. Die Beschuldigungen gegen ihn reichen bis zum Spionagevorwurf bzw. dem Vorwurf zu Kontakten zu „ausländischen Quellen“.
Was auch immer hinter dieser national und international Aufsehen erregenden Verhaftung stecken mag, der Zeitpunkt ist gewiss sorgfältig gewählt. Einiges spricht dafür, dass etliche islamistisch-konservative und militaristische Kräfte im Iran mit aller Gewalt den wachsenden Einfluss des pragmatisch-moderaten Kreises um Ex-Präsidenten Khatami und Rafsandschani auf den Nuklearstreit verhindern wollen. Mussavians Verhaftung ist eine Rede Ahmadinedschads in einem „privaten Kreis“ vorausgegangen, bei der er von sehr stichhaltigen neuen, unglaublichen Informationen über die Verwicklung einiger iranischer Persönlichkeiten sprach. Daher werden in Teheran weitere Verhaftungen erwartet, auch wenn Mussavian selbst am vergangenen Mittwoch gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt wurde.
Der Fall Mussavian gibt Anlass zu einer Analyse der machtpolitischen Landschaft in einem Land mit einer Regierung, die nicht nur die internationale Gemeinschaft, sondern auch die eigene politische Szenerie stark polarisiert. Das Paradoxon der Islamischen Republik besteht darin, dass sie sich trotz gottesstaatlichen Charakters mit patriarchalisch-autoritären Merkmalen durch Vielfalt ihrer politischen Landschaft auszeichnet. Um sich einen adäquaten Überblick darüber verschaffen zu können, ist es angebracht diese auf drei Ebenen abzuhandeln.
"Kasernen-Regierung" und "Gesellschaft der kämpfenden Geistlichkeit"
Seit den Parlamentswahlen vom Mai 2004 dominieren die konservativen Islamisten neben der Judikative auch die gesetzgebende Gewalt. Die letzte Bastion der Reformer, die Exekutive, fiel mit dem Sieg des Ex-Teheraner Bürgermeisters Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2005 ebenfalls in die Hände der Islamisten, die nun die gesamte Staatsgewalt unter ihrer Kontrolle haben.
Ahmadinedschad war von der stärksten Fraktion des Parlaments, der „Koalition der Erbauer des Islamischen Iran“ (Etelaf-e Abadgaran-e Iran-e islami), nominiert und genoss die breite Unterstützung der „Revolutionswächter“ (Pasdaran) und der „Islamischen Miliz“ (Basidsch). Dennoch kam sein extrem militaristisch-geheimdienstlich besetztes Kabinett für viele iranische Politiker überraschend. Etwa 50% der Minister sind ehemalige ranghohe Offiziere der Armee oder des Geheimdienstes. Die Vizeminister und Gouverneure sind gar zu 70% ehemalige hohe Offiziere der Revolutionswächter.
Irans Chefunterhändler für Nuklearangelegenheiten und zugleich Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Laridschani, war als Direktor des politischen Büros der Revolutionswächter tätig. Nicht zu unrecht wurde Ahmadinedschads Team von Reformern und unabhängigen Politikern als „Kasernenregierung“ bezeichnet. Der Präsident selbst war Kommandeur einer Pasdaran-Division während des Iran-Irak-Kriegs (1980-88). Es verwundert daher nicht, dass die neue Regierung sich martialischer Terminologie bedient. Mit ihr ging die Ära der Reformen, die mit dem moderaten Präsidenten Mohammad Khatami begann, zu Ende. Der Machtapparat ist gänzlich einheitlich islamistisch geworden.
Zum konservativen Lager gehört die sehr einflussreiche „Gesellschaft der kämpfenden Geistlichkeit“ (Jameeh-e Ruhaniat-e Mobarez / JRM), deren Mitglieder diverse Schlüsselposten im Staatsapparat innehaben. Die Mehrheit der Mitglieder des Wächterrats (das Gremium, das die Parlamentsgesetzte auf ihre Konformität mit islamischen Normen überprüft) sowie des Expertenrats (Rat, dem Wahl bzw. Abwahl des Religionsführer obliegt) bestehen aus den Reihen der JRM.
Ayatollah Mesbah Yazdi - ideologisch-weltanschaulicher Hintergrund der Konservativen
1963 wurde die „Islamische Koalitionspartei“ (Hizb-e Mo´talefe Islami) mit Billigung des späteren Revolutionsführers Ayatollah Khomeini gegründet. Die Website der Partei nennt als Ziel der Partei die Herrschaft auf der Basis der islamischen Normen und Werte über Individuum und Kollektiv sowie das gerechte islamische System in allen Komplementärsystemen (soziokulturellen, politischen, ökonomischen und militärischen) als Wegbereiter für die Errichtung der islamischen Umma, die den gesamten Globus umfasst. Eine Reihe von Mo´talefa-Mitgliedern bekleideten und bekleiden nach dem Sieg der iranischen Revolution höchste staatliche Ämter.
Die islamistisch-konservative „Hakkani (Wahrheits)-Schule“ wurde vor der Revolution von einigen Parteimitgliedern der Mo´talefa ins Leben gerufen. Deren Vorsitzender, Ayatollah Mesbah Yazdi, ist heute der ideologische Scharfmacher der Islamisten und besitzt enormen Einfluss auf den Präsidenten Ahmadinedschad, sein Kabinett sowie andere Personen in Spitzenpositionen des Staates. Für Mesbah gilt nur eine einzige Lesart des Korans, die traditionell-fundamentalistische. Das (Zwischen-)Ziel sei die Errichtung eines auf der strikten Anwendung der Scharia basierenden Gottesstaates, bei dem der Religionsführer, auf Lebenszeit herrschend, völlig unabhängig vom Volkswillen der alleinige Entscheidungsträger ist.
Jedes politische System außer dem Imamat bzw. der reinen Herrschaft der Religionsgelehrten während der Abwesenheit des Imams ist nach seiner Auffassung „Unglaube“ (kufr). Ahmadinedschads Mentor Mesbah ist fest davon überzeugt, dass durch den Beistand Gottes jede Macht und jeder Feind, wie stark er auch sein mag, besiegt werden kann. Nur vor diesem Hintergrund kann der harte außenpolitische Kurs der neuen Regierung unter Ahmadinedschad verstanden werden.
Die Staatsmacht ist zwar jetzt im Sinne der Konservativen gleichgeschaltet, es existiert aber eine unüberhörbare Opposition.
Die Opposition
Die Wahl zum 7. Parlament 2004 verdrängte die Reformer von ihrer Dominanz in der Legislative. Die meisten vom 6. Parlament verabschiedeten Reformgesetze wurden bereits damals vom Wächterrat annulliert. Trotz seiner Blockade durch den Wächterrat entwickelte sich das 6. Parlament doch zu einem Forum, in dem hitzige, dramatische und extrem lebhaft-kontroverse Auseinandersetzungen und Debatten stattfanden, eine Ära der parlamentarischen Reife ohnegleichen in der neuzeitlichen Geschichte des Irans seit 1953.
Die Ära der Reformer begann nach dem überraschenden Wahlsieg des Reformpräsidenten Mohammad Khatami am 23. Mai 1997 (im Iran bekannt nach dem iranische Kalender als "Bewegung des 2. Khordad"). Die Bewegung war ein Zusammenschluss von 18 Gruppen, die Khatamis Wahlsieg mit 70% der Stimmen ermöglichten. Die stärksten Reformparteien (heute noch) sind die „Partizipationsfront“ (Jibhe Mosharekat) und die „Organisation der Modschahedin der Islamischen Revolution“ (Sazman-e Modschahedin-e Enqelab-e Eslami). Die meisten Mitglieder der beiden Organisationen sind ehemalige ranghohe Funktionäre der ersten Stunde der Republik, die sich, das Scheitern der Revolutionsziele einräumend, zur Reformbedürftigkeit des Systems bekannten und sich somit vom islamitisch-konservativ dominierten Machtapparat trennten.
Die „Partizipationsfront“ wurde bis vor kurzem von Reza Khatami, Bruder des Ex-Präsidenten Mohammad Khatami, geführt. Wie die Konservativen haben auch die Reformer ein klerikales Bündnis als Gegenpart zur JRM, die „Gemeinschaft der kämpfenden Geistlichen“ (Majma'-e Rohaniyun-e Mobarez; MRM). Sie besteht aus Geistlichen, die ebenfalls großenteils zuvor hohe staatliche Ämter innehatten. Zur Opposition gehört auch die illegale, jedoch geduldete „Freiheitsbewegung Irans“ (Nahzat-e Azadi-e Iran), die vom ersten Premierminister der Islamischen Republik, Mehdi Bazargan, vor der Revolution gegründet wurde. Alle diese Parteien bekennen sich zur Verfassung des Staates und beteuern, ihre Aktivitäten im Rahmen der bestehenden Gesetze auszuüben, halten dennoch eine Verfassungsrevision und einen Systemwandel (keinen Systemwechsel) angesichts der verfahrenen Lage für notwendig.
Ideologisch-weltanschaulicher Hintergrund der Opposition
Die parlamentarische Opposition bekennt sich zum Islam und offiziell auch zu Ayatollah Khomeini, dem Gründer des Gottesstaats. Er wird kaum hinterfragt. Doch die Opposition plädiert für eine reformistisch-pragmatische Deutung und Interpretation des Korans, damit die Islamische Republik den Anforderungen des modernen Zeitalters gerecht wird. Die politische Maxime für diese Oppositionsallianz stellt das Konzept der Regierung auf der Basis der Volkssouveränität und des Volksvotums (madrom salary).
Dieses politische System verhindert die Despotie (auch die des Klerus) und gewährt den Individuen und Kollektiven (auch ethnisch-religiösen) Bürger- und Freiheitsrechte. Zwar lehnt diese Allianz eine strikte Trennung zwischen Religion und Politik ab, sie würde aber das Votum des Volkes akzeptieren, wenn es sich für ein anderes politisches Systems entschiede.
Das ist die Kernaussage des Systems „madrom salary“. Es prallt diametral mit dem gottesstaatlichen Prinzip „Herrschaft des Rechtsgelehrten“ (welayat-e faqih) zusammen, das Grundlage der Verfassung bildet. Dieses Prinzip versucht das Oppositionsbündnis implizit durch eine Verfassungsrevision abzuschaffen. Es besteht eine gewisse Annäherung zwischen diesem Bündnis und dem moderaten, politisch entmachteten, aber religiös immer noch einflussreichen Ayatollah Hossein Ali Montazeri, der bis 1988 Khomeinis designierter Nachfolger war und dann wegen seiner massiven Proteste gegen Massenhinrichtungen von Gefangenen 1988 von Khomeini abgesetzt wurde.
Das Reformbündnis tritt für die Bewahrung der nationalen Interessen des Irans ein und daraus resultiert dessen ablehnende Haltung zur abenteuerlich-gefährlichen Politik der Regierung im Atomstreit.
Alles in einem vertritt die legale und geduldete Opposition, mit Repressalien behaftet, eine reformistische Deutung des Islam, die mit wenigen Einschränkungen als demokratisch erachtet werden kann.
Intellektuell-studentische Ebene
Die einzige offiziell anerkannte Studentenorganisation, das „Büro zur Festigung der Einheit“' (Daftare Tahkime Wahdat; DTW) ist die regimekritischste Vereinigung im ganzen Land. DTW ist aus den früheren khomeini-treuen islamischen Studentenvereinen hervorgegangen und durchlief im Zuge der "Bewegung des 2. Khordad" einen radikalen Demokratisierungsprozess. Weil andere, nicht-islamische, Studentenvereine verboten sind, mutierte DTW bewusst zu einem Interessenverband für alle Studierende, auch säkulare. DTW kritisiert völlig unbefangen alle Instanzen einschließlich des Religionsführers und sieht dessen weltweit einzigartige Befugnisse als größtes Reformhindernis.
Das Büro erregte 1999 mit der Organisierung der einzigen großen Studentenrevolte in der Geschichte der Islamischen Republik weltweit für Aufsehen. Zum ersten Mal fielen Slogans wie „Tod Khamenei“, „Tod der Diktatur“. Die Revolte wurde brutal niedergeschlagen. Sie markierte jedoch einen Einschnitt in der Geschichte des Gottesstaates und brach Tabus (öffentliche Verfluchung des Religionsführers). DTW und sein Absolventenzweig („Adware Tahkime Wahdat“), die auch von zahlreichen Universitätsdozenten unterstützt werden, sind heute noch die schärfsten Kritiker des Regimes, verfügen landesweit über Zweige und üben großen Einfluss auf die Studentenbewegung im Iran aus.
Etliche von ihren Führern sind inhaftiert. Noch hat DTW nicht vermocht, das studentische und Universitätsmilieu der breiten Bevölkerung nahe zu bringen, was der entscheidende Grund für die erfolgreiche Niederschlagung der Revolte von 1999 durch die Ordnungskräfte war. Für das politische Klima des Iran ist das Büro von vitaler Bedeutung, da es nicht ohne weiteres verboten werden kann und de facto die einzige Kraft darstellt, die kein Blatt vor dem Mund nimmt.
Öffentliche Ebene: Wie verhält sich das Volk?
Das Scheitern der 8jährigen Regierung Khatami, die Wahlversprechungen zu realisieren, Bürger- und Freiheitsrechte im Iran zu etablieren, führte zur politischen Apathie und tiefen Politikverdrossenheit unter der jungen Bevölkerung, den Intellektuellen und Frauen, die das größte Wählerpotenzial Khatamis ausmachten. Wenn die Reformer die zwei entscheidenden Gewalten, die Exekutive und die Legislative, innehatten und dennoch keine Reformen durchsetzen konnten, fragten sich die Iraner bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2005, wozu dann politisches Engagement nützlich sein sollte.
Sie widmen sich nun eher ihren materiellen Sorgen als perspektivlosen politischen Aktivitäten. Von dieser politischen Lethargie profitieren immer die Radikalen. Auf vier erfolgreichen Wahlen für die Reformer (Präsidentschaftswahlen 1997 und 2001, Kommunalwahlen 1999 und Parlamentswahlen 2000) folgten die schicksalhaften Kommunalwahlen von 2003. Aus den Wahlen, an denen landesweit 25% und in Teheran nur 15% der Wahlberechtigten teilnahmen, ging Mahmud Ahmadinedschad als Teheraner Bürgermeister hervor. Und das sollte nur eine Zwischenetappe bleiben und weniger als zwei Jahre später zum Präsidentenamt reichen.
Ausblick
Die knapp 2jährige Amtszeit Ahmadinedschads offenbarte die eklatante Inkompetenz seiner Regierung zur Bewältigung der verheißungsvollen materiellen Versprechungen. Vor wenigen Tagen stellte ein Parlamentabgeordneter der Regierung ein vernichtendes Urteil aus. Walialah Shojapurian, Mitglied der Oppositionsfraktion, warf Ahmadinedschad vor, er habe zum bestmöglichen Zeitpunkt sein Amt angetreten. Da alle Gewalten nun unter Kontrolle der Konservativen geraten waren, sei Ahmadinedschad bei seinem Kurs im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf keine Widerstände gestoßen. Die Staatskasse sei, kurz nach seinem Amtsantritt, dank des enorm angestiegenen Ölpreises noch nie so gefüllt gewesen. Er müsse dem Volk antworten, was er mit mehr als 80 Mrd. US-Dollar jährlichen Einnahmen bewerkstelligt habe.
Shojapurian warf in seiner aufsehenerregenden Rede, die mit lautem Applaus begleitet wurde, Ahmadinedschad Versagen auf allen Ebenen vor. Die Repressionen gegen Studentenschaft, Frauen, Intellektuelle, Presse und andere suchten ihresgleichen in der Geschichte der Islamischen Republik. Der Iran sei noch nie eine weltpolitische Bedrohung gewesen. Ahmadinedschad habe dank seines überhasteten, unprofessionellen außenpolitischen Kurses dem Land in weniger als sechs Monaten zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrates beschert. Der Abgeordnete appellierte zum Schluss an die religiöse, historische Pflicht und an das Gewissen aller Parlamentarier, nicht ruhig zu bleiben und in Aktion zu treten, bevor es endgültig zu spät sei.
Walialah Shojapurian spricht vielen politischen und öffentlichen Kreisen aus der Seele. Unabhängige Meinungsforschungszentren im Iran geben Ahmadinedschad nicht die minimalste Chance für eine Wiederwahl. Im Jahre 2009 finden gleichzeitig Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Iran statt. Das konservativ-islamistische Lager ist unübersehbar zerstritten. Ihre schillernde Figuren, Teherans Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf, Irans Chefunterhändler für Atomangelegenheiten, Ali Laridschani, und schließlich Ahmadinedschad selbst, liefern sich heftige Gefechte.
Die jüngsten internen Machtkämpfe drehten sich um die Wahl des neuen Teheraner Oberbürgermeisters. Ahmadinedschad wollte mit aller Gewalt eine Wiederwahl des „pragmatischen Konservativen“ Ghalibaf verhindern. Doch Ghalibaf wurde unter anderem mithilfe der Stimmen der konservativen Stadtratsmitglieder wiedergewählt.
Am Montag teilten einige frühere Mitglieder der konservativen Mehrheitsfraktion die Existenz der Fraktion der „Unabhängigen Fundamentalisten“ (Usulgharayane Mostaghel) mit. Ganz anders sieht es im Lager der Reformer aus. Das pragmatisch-reformorientierte Lager um die drei schillernden Reformfiguren der Republik, die beiden Ex-Präsidenten Rafsandschani und Khatami und der bei den letzten Präsidentschaftswahlen drittplazierten Mehdi Karubi, hat längst diese Wahlen ins Visier genommen.
Die beiden erstgenannten, Khatami und Rafsandschani, sind kürzlich in einer landesweiten Umfrage als beliebteste Politiker Irans gewählt worden. Nie zuvor waren sich die Reformer, denen sich nun auch der mächtige Rafsandschjani angeschlossen hat, über den Ernst der Lage einig. Im vergangenen Monat trafen sich alle drei zu einer beratenden Sitzung. In Irans politische Landschaft hat dieses „Elefantentreffen“ ein großes Echo ausgelöst und auch die Islamisten um Ahmadinedschad aufgeschreckt. Die kurzfristige Verhaftung des international angesehenen, moderaten Nukleardiplomaten Seyed Hussein Mussavian ist in diesen Kontext und als eine Warnung einzuordnen.