Unverkäuflich wegen Umweltschutz

Schadet zu viel Aufklärung der guten Sache?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein "Sehr gut" bei Öko-Test. Weniger Verbrauch als im Durchschnitt, attestiert vom TÜV. Strahlt nicht, und wenn doch, dann in klinischen Studien als unschädlich bewiesen. Hergestellt, ohne auch nur einer Ameise ein Haar zu krümmen, aber doch aus rein biologischen Inhaltsstoffen und zu 100 Prozent ohne Silikon. Werbung zeigt heute längst nicht mehr nur den objektiven Nutzen eines Produkts auf, sondern wendet sich auch immer an das gute Gewissen des potenziellen Käufers. Ist doch praktisch, wenn man beim Geschirrspülen oder Autofahren auch noch ein klein wenig die Welt retten kann?

Kaum ein Hersteller kann sich diesem Trend verschließen. "Freude am Fahren", ist als Werbeslogan abgeschafft. Es fehlt eigentlich nur noch, dass Philipp Morris für "Endlich Nichtraucher"-Kurse wirbt. Ob die gut gemeinte Werbung allerdings tatsächlich den Verkauf eines Produkts befördert, ist fraglich.

Zweifel daran wirft unter anderem eine aktuelle Studie aus den USA auf, die in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften zu finden ist. Das Werben mit dem guten Gewissen hat nämlich einen Nachteil: Gewissen ist so verschieden wie der Mensch und lässt sich nicht überstülpen. Zwar kann erwünschtes Verhalten durch sozialen Druck erzeugt werden, doch der große Anteil eher nicht sparsamer SUVs unter den Fahrzeug-Neuzulassungen zeigt, dass gerade bei wichtigen Entscheidungen auch andere Kriterien eine Rolle spielen.

Abschreckende Wirkung

Die Autoren der Studie zeigen, dass auf Öko-Effekte setzende Werbung sogar abschreckende Wirkung entfalten kann, wenn sie auf den falschen Empfänger trifft. Die USA eignen sich wegen ihres durch das langjährige Zwei-Parteien-System ausgeprägten Lagerdenkens für eine solche Studie ideal. Umweltschutz-Bedenken sind hier vor allem Teil des Mindsets der Demokraten, während Republikaner diesen keinen großen Wert zuerkennen.

Die Wissenschaftler zeigen das am Beispiel der Energie-Effizienz. Je politisch konservativer sich die 626 Studienteilnehmer zeigten, als desto unwichtiger schätzten sie Energie-Effizienz ein – ganz besonders unter dem Aspekt der Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen. Weniger ablehnend standen die Konservativen der Energie-Effizienz gegenüber, wenn sie unter dem Aspekt des Geldsparens und der verringerten Abhängigkeit vom Ausland dargestellt wurde.

Glühlampen oder Leuchtstofflampen?

Die Ergebnisse der Befragung ließen sich auch in einem Experiment nachvollziehen. Die Forscher gaben den Teilnehmern dazu ein Budget, mit dem sie Glühlampen oder Leuchtstofflampen kaufen konnten. Alle Probanden wurden über Vor- und Nachteile der Technik informiert (längere Lebensdauer etc.), allerdings ohne Bezugnahme auf den Umweltschutz-Aspekt. In der Hälfte der Fälle trugt die Leuchtstofflampe jedoch zusätzlich ein gut sichtbares Etikett, das auf den Nutzen der Technik zur Verringerung der CO2-Emissionen hinwies.

Wenn die Kosten für beide Lampenarten gleich hoch waren, hatte dieses Label keine Auswirkungen auf das Kaufverhalten. Alle Teilnehmer wählten die Leuchtstofflampe mit ihrer deutlich höheren Haltbarkeit. Mussten sie jedoch für eine Leuchtstofflampe 1,50 Dollar, für die Glühlampe nur 50 Cent bezahlen, kam plötzlich die Ideologie ins Spiel. Konservative Probanden wählten dann deutlich seltener die Lampe mit Umweltsiegel. Trug die energieeffizientere Lampenart jedoch kein derartiges Etikett, zogen auch die Konservativen zumindest teilweise ihre längere Haltbarkeit vor. Das spricht dafür, in der Werbung gemeinsame Werte zu betonen, die Republikaner und Demokraten teilen - mit Spar-Effekten in der Geldbörse lassen sich alle überzeugen.

Andere Lager in Deutschland

Die Studie ist wohl nicht zu 100 Prozent auf Deutschland übertragbar. Das liegt vor allem daran, dass hierzulande das Lagerdenken anders verteilt ist. Der Begriff "konservativ" wird hier vor allem als "bewahrend" verstanden. Grüne und CDU kommen aus unterschiedlichen Richtungen zu einer sehr ähnlichen Ausprägung von Konservativismus, der Bewahrung des Status Quo, während die US-Republikaner eher einer in Deutschland eher verpönten und allenfalls in der FDP mehrheitsfähigen Nicht-Einmischung des Staates anhängen.

Ein interessanter Fall ist in diesem Zusammenhang die "Partei der Arbeiterklasse" - die Sozialdemokraten, die im Sinne ihrer Stammklientel, der Arbeiter, eigentlich einen industrie- und fortschrittsfreundlichen Kurs fahren müssten. So war es sicher kein Zufall, dass ausgerechnet der Chef der mächtigen IG Bergbau, Chemie, Energie während des Grünen-Parteitags die Genehmigung des umstrittenen Fracking in Deutschland forderte – ein Einwurf, der wohl direkt an die SPD gerichtet war.