Veganer Weltuntergangs-Thriller
Seite 2: Hiebe mit der Öko-Keule
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Tatsächlich ist in der ZDF-Version von der "wohlig gruselnden Paranoia" und "kollabierenden Welten", die Kritiker 2004 an dem "brillant konstruierten Thriller" bemerkten und ihn auf Augenhöhe mit US-amerikanischen Vorbildern sahen, nicht viel übrig geblieben.
Die Vorlage wurde von den Machern beträchtlich verändert. Und das nirgendwo zum Besseren, sondern entsprechend dem herrschenden Zeitgeist und der neuen Normalität.
Das bedeutet konkret: Der akribisch recherchierte wissenschaftliche Hintergrund des Romans, der den Leser beiläufig über Methanressourcen auf dem Meeresboden und das Leben arktischer Eiswürmer informiert, wurde auf ein massentaugliches Minimum reduziert.
Ebenso widerfuhr es den Katastrophen – wie dem Tsunami, der im Buch die halbe Nordhalbkugel zerstört, im Film aber nur noch Küstenstreifen betrifft, und der nie spürbar wird und sowieso kaum zu sehen ist.
Dafür viel Tod und Trauer und dazu regelmäßige Hiebe mit der Öko-Keule, damit auch der Letzte kapiert: Das Leben des reichen Westens ist böse und wird vom Herrgott bestraft werden. Die Natur schlägt zurück.
Die Welt als Matriarchat: Durchschaubare Primitivität der Politischen Korrektheit
Der alte Biologieprofessor Sigur Johanson ist mit dem schwedischen Darsteller Alexander Karim locker 20 Jahre verjüngt und statt ein weißer Mann ist er jetzt ein schwarzer. Seine Romangeliebte Charlie Wagner, gespielt von Leonie Benesch, darf jetzt keine Journalistin mehr sein, sondern eine trotzköpfige Wissenschaftlern.
Die Charaktere des Buchs heißt es aus Produktionskreisen, seien "nicht mehr zeitgemäß" und der Altersunterschied von 20 Jahren erscheint den Machern zwar öffentlich als "Männerfantasie" ("Heutzutage kann man gewisse Rollenkonstellationen nicht mehr zeigen, ohne Menschen zu verletzen", so Regisseurin Barbara Eder im Wiener Standard) und "einem modernen Publikum nicht mehr vermittelbar".
Kurioserweise beträgt der Altersunterschied zwischen den beiden Darstellern aber immer noch 15 Jahre. Man hat also vor allem verjüngt. Aus dem Kieler Meeresgeologen Gerhard Bohrmann wurde eine Frau, eine Professorin namens Lehmann, die von Barbara Sukowa verkörpert wird.
Weitere verschiedene Hauptfiguren werden nun von nichtweißen Hauptdarstellern gespielt, dazu sind schwule und lesbische Sexualitäten in die Ränder der Handlung eingefügt worden, ohne dann weiter eine Rolle zu spielen, andererseits wurde die Herkunft des Kanadiers Leon Annawak aus einem Eskimostamm, die im Roman bedeutend ist, aus der Handlung beseitigt.
Die Serie zeigt die Welt als Matriarchat. Nur böse Ausbeuter sind konsequent Männer, Politiker sind nun weitgehend weiblich, und auch die Hauptfiguren, kluge Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen entsprechen zu einem Großteil dem Klischee "starker Frauen", deren Männer sich um die Kinder kümmern oder das Essen machen und Sätze sagen wie: "Warum musst Du denn so viel arbeiten, Schatz?"
In ihrer durchschaubaren Primitivität sind solche Drehbuchumschreibungen schon wieder lustig.
Nur das mit dem Klassismus hat man in Mainz noch nicht verstanden: Wie im Roman sterben vor allem die Armen, während ein benevolenter Milliardär, immerhin Asiate, im entscheidenden Moment mit einer Finanzspritze aushilft.
Die deutliche USA-Kritik des Romans wurde gestrichen
Auch die deutliche USA-Kritik der Vorlage wurde aus der Serie ebenfalls komplett getilgt. Im Buch setzt der Autor auf Konfrontation zwischen den primitiven, kapitalismushörigen und um keinen miesen Trick verlegenen Amis, die wie im richtigen Leben die Weltöffentlichkeit belügen und den UNO-Sicherheitsrat für ihre Interessen instrumentalisieren, und den eine engagierte Zivilgesellschaft repräsentierenden Europäern.
Da ist man vom europäischen Fernsehen viel Besseres gewohnt.
Nur in einer Szene zeigt sich, dass der Stoff das Potenzial hätte, aktuelle Debatten in fruchtbarer Weise zu spiegeln: Als die alte Forscherin Lehmann den fundamentalistischen Furor ihrer jüngeren Schüler, die "jetzt und hier" die Kehrtwende einleiten wollen, nicht teilen kann, entspinnt sich folgender Dialog mit ihrer Schülerin Charlie, der ähnlich auch zwischen einem Wissenschaftler und einem Aktivisten der "Fridays for Future" geführt werden könnte:
Lehmann: "Sie verlangen von mir, die Grundfesten einzureißen auf denen meine Ausbildung und meine Lehrtätigkeit beruhen. Das kann ich nicht. Es tut mir leid. Ich überlasse Ihnen das Feld. Doch bevor ich das tue, muss ich sie warnen: sie könnten da einen sehr gefährlichen Weg einschlagen. In einer Zeit wie jetzt in der die Welt so instabil ist, anzudeuten, dass wir die Wahrheit nicht in Naturwissenschaften finden können wie wir sie kennen und verstehen – Ihnen muss doch klar sein, wie enorm groß die Erschütterung sein wird, die das in der Psyche der Menschheit auslösen wird."
Charlie: "Professor Lehmann, Sie glauben nicht, dass wir eine Chance haben, richtig zu liegen?"
Lehmann: "Es geht nicht darum ob Sie eine Chance haben. Es geht um Wahrscheinlichkeit. Und wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dann ist es klüger, vorsichtig zu handeln. Und das macht ihr nicht."
Charlie: "Wir haben keine Zeit vorsichtig zu handeln."
Lehmann: "Das kann man sehr leicht sagen. Aber genau jetzt ist die Zeit besonders vorsichtig zu handeln."
Charlie: "Wenn man an etwas glaubt, dann zieht man das durch trotz Risiken."
Lehmann: "Nach meiner Erfahrung gehen diese Art von Risiken meistens schlecht aus."
Esoterik und die Tücken der Selbstermächtigung führen.
Charlie und die anderen Angehörigen der Wissenschaftlergruppe agieren wie gläubige Vertreter der selbsternannten "letzten Generation". Gegen die Erkenntnisse der Wissenschaft haben sie das tiefere Geheimwissen der Esoterik, nach dem das, was in den Meeren geschieht, in gewisser Weise eine Reaktion auf etwas ist, das die Menschen den Meeren angetan haben.
Hier könnte die Serie nun eine seriöse Debatte über die Tücken der Selbstermächtigung führen. Oder danach fragen, ob der französische Philosoph Bruno Latour mit seiner Behauptung recht hat, dass wir Menschen längst in eine ökologische Mutation von noch nie dagewesenem Ausmaß eingetreten sind und das von manchen "Anthropozän" genannte Zeitalter eigentlich ein neues "Klimaregime" darstellt. Frank Schätzing hat Bilder und steile Thesen und apokalyptische Fantasien für derartige Gedanken geliefert.
Bis es in der Serie aber zumindest ein wenig spannend und dynamisch wird, schleppt sich die Handlung fast vier Folgen lang unendlich öde und lahm dahin. Es wird viel geredet, vornehmlich über Beziehungen, und statt Aktion oder Naturpanoramen kratzt dauernd irgendwer auf irgendwelche Bildschirmen herum. Die Hälfte von dem, was passiert, passiert nur auf Displays.
So ist dies ein Weltuntergangsthriller, der keiner sein will, gewissermaßen das Serienpendant zur veganen Wurst. Wie diese ist sie ein Surrogat, das am Ende nur noch stärker zur Frage führt: "Where is the beef?"