Venezuela: Juan Guaidó setzt auf Hilfe von außen

Bild Juan Guaidó: US Federal Government. Bild Nicolás Maduro: Wilsom Dias/Agência Brasil / CC-BY-3.0-BR

Die angekündigten Hilfsmittellieferungen kamen bis auf wenige Ausnahmen nicht nach Venezuela. Die Grenzen blieben nach Anweisungen des Präsidenten Maduro geschlossen

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Der gestrige Tag war als Showdown proklamiert worden zwischen dem amtlich inaugurierten Präsidenten Venezuelas und dem selbsterklärten Interimspräsidenten. Mit Hilfslieferungen, die via Lastwagen oder Schiff von außen nach Venezuela transportiert werden sollten, um Versorgungsengpässe zu kompensieren, wollte sich Oppositionsführer Juan Guaidó als Staatsführer zeigen, der das Gute für das Land im Sinn hat und - vor allem - die größere Unterstützung hinter sich.

Dies zu zeigen, ist ihm nicht gelungen. Das kann man als Zwischenfazit nach einem Tag der Auseinandersetzungen, die angeblich mehrere Tote und angeblich 285 Verletzte forderte, festhalten. Zentral für den Machtwechsel, den Juan Guaidó verfolgt, ist, ob er das Militär in Venezuela hinter sich bringen kann.

Der Verweis auf die Unterstützung der Armee stand dann auch hinter seinem Auftritt im Nachbarland Kolumbien, wo Guaidó signalisierte, dass er nur mithilfe von Armeemitgliedern auf die andere Seite, ins Nachbarland, gelangen konnte. Dem folgte aber am gestrigen Samstag kein Signal, wonach ihm aus Militärkreisen eine entscheidende Unterstützung zukommt. Laut Angaben der Zeitung El Universal wurden von der kolumbianischen Regierung lediglich 60 Überläufer gezählt.

Grenzwächter halten sich an Anweisungen des Präsidenten

Ansonsten hielten sich die Grenzwächter an die Anweisungen des Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, der hinter den Hilfslieferungen einen "politischen Plot" sieht, dessen Absicht es ist, in Venezuela einen Machtwechsel zu erzwingen. Die Grenzen waren dicht, ein paar Lastwagen gelangten dennoch auf venezolanisches Gebiet, zwei wurden angezündet.

Das stellte sich dann als gute Vorlage für die Gegner Maduros heraus, um anhand des Bildmaterials der verbrannten Lastwagen noch einmal deutlich zu machen, wer der Böse und wer die Guten in dieser Inszenierung sind. So twittert der amerikanische Außenminister Pompeo:

Wir prangern die Verweigerung Maduros an, dass Hilfsgüter nach Venezuela kommen. Welche Art von krankem Tyrann hält Nahrungsmittel von seiner hungrigen Bevölkerung fern? Die Bilder brennender Lastwagen mit Hilfsgütern sind widerwärtig.

US-Außenminister Mike Pompeo

Zugleich kündigte Pompeo "Maßnahmen" an. "Die Vereinigten Staaten werden Maßnahmen gegen solche Aktionen unternehmen, die sich der friedlichen Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela verweigern." Was mit der Drohung genau gemeint ist, lässt Pompeo offen. Im Gespräch sind neue Sanktionen.

Wer für das Anzünden der Lastwagen genau verantwortlich ist, kann, wie aus dergleichen Konfliktsituationen etwa aus Syrien bekannt, nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Es gibt unterschiedliche Darstellungen.

Es bleibt angesichts der Vorgeschichte des Bühnenstücks zu den Hilfslieferungen der Eindruck, dass genau solche Bilder Ergebnis einer beabsichtigten Provokation waren. Die konkrete Hilfe durch Lieferungen von Lebensmitteln und Medikamenten war nebensächlich; leere Lebensmittelregale und Versorgungsnöte der Bevölkerung im ölreichen Venezuela sind seit vielen Jahren Kulissen für eine politische Auseinandersetzung, die mit allen Tricks und Waffen arbeitet - auf beiden Seiten der Fronten.

Ein Glaubwürdigkeitstest

Den "Glaubwürdigkeitstest" hat Juan Guaidó gestern aber nicht gewonnen, schreibt die New York Times, die nicht zu den Unterstützern von Maduro gehört. Aber Guaidó konnte gestern keine überzeugende Unterstützungswelle in der Bevölkerung und Armee auslösen, die den Amtsinhaber hätte vom Stuhl heben können - so sehr Maduro Anlass zu heftigster Kritik gibt; allerdings hat ein herbeigeführter Machtwechsel eine andere politische Dimension.

Doch hat sich die Provokation ausgezahlt. Die Ablehnung der Hilfslieferungen rückt die Regierung in Caracas in schlechtes Licht. Guaidó ruft deutlicher nach Beistand von anderen Ländern. Als erste Adresse gilt die Großmacht USA, wo sich die Regierung schon seit längerem darauf vorbereitet, einen Regierungswechsel in Venezuela anzuschieben.

"Die heutigen Ereignisse zwingen mich, eine Entscheidung zu treffen: der Internationalen Gemeinschaft eine formelle Position einzuräumen, bei der wir alle Möglichkeiten haben müssen, um die Befreiung dieses Landes zu erreichen", twitterte Juan Guaidó. US-Vizepräsident Pence, ein ausgewiesener Gegner der Regierung Maduro, hat ein Treffen mit der Lima-Gruppe für Montag angekündigt.

Die Zeichen stehen nicht auf eine gemeinsame Verständigung mit der venezulanischen Regierung, um mit der Krise fertig zu werden, sondern darauf, einen Regierungswechsel von außen zu unterstützen, um eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.

Entscheidend bleibt, wie sich die Armee in Venezuela verhält.