Venezuela gegen Kleinstaat Guyana: Geht es um Bodenschätze oder Kolonialismus?

Seite 2: Mögliche Invasion oder bloßer Machterhalt?

Aber warum das plötzliche und dringende Interesse Maduros, sich den Westen Guyanas unter den Nagel zu reißen? Einige Medien sehen bereits Parallelen zum Vorgehen Putins in der Ukraine; erst die Annexion der Krim und dann der Einmarsch. "Macht es Maduro wie Putin? Jetzt könnte Südamerika das Ukraine-Szenario drohen", titelt etwa t-Online.

Der Gedanke mag aufgrund seiner Aktualität und dem engen Verhältnis von Caracas und Moskau naheliegen. Jedoch gibt es derzeit keinerlei Evidenz, die eine direkte Einmischung Putins in diesen territorialen Konflikt in Südamerika belegen könnte.

Dennoch könnte es dem russischen Machthaber indirekt in die Hände spielen, wie der Lateinamerika-Korrespondent Tobias Käufer im Redaktionsnetzwerk Deutschland konstatiert:

Eine Invasion Venezuelas in Guyana würde Südamerika in eine schwere Krise stürzen, die USA zu einer Gegenreaktion zwingen und Kräfte und Geld binden, die anderenorts fehlen würden. Zum Beispiel in der Ukraine.

Im Interview mit der Deutschen Welle erklärt der kolumbianische Politologe Victor Mijares, dass Präsident Maduro den Esequibo-Disput als nationalistisches Motiv nutze. Maduro habe "in Vorbereitung auf den Wahlkampf 2024 und im Ringen um die internationale Anerkennung diese historischen Ansprüche reaktiviert", so Mijares, der die genannten Ölfunde eher für einen Nebenaspekt hält, da sie bereits 2015 entdeckt worden seien.

Tatsächlich steht Staatschef Nicolás Maduro politisch unter Druck. Denn nach dem Versagen des selbst ernannten Interimspräsidenten und von westlichen Nationen gestützten Juan Guaidó könnte nun die Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado für ihn gefährlich werden. Sollte sie überhaupt zu den Wahlen kommendes Jahr zugelassen werden, versteht sich.

Innenpolitische Gründe in Venezuela

Machado führt die Umfragen an und könnte das seit über zwei Jahrzehnten regierende sozialistische Regime des Chavismus zum Fall bringen. Beobachterinnen und Beobachter spekulieren hierbei also über eine recht aufwendige Form der Umgehung oder Manipulation der Wahlen.

Aus Washington verlautbarte Regierungssprecher John Kirby:

Wir stehen absolut zu unserer unerschütterlichen Unterstützung für die Souveränität Guyanas.

Die USA kündigten zudem eine gemeinsame Luftwaffenübung mit Guyana an. Die reale Gefahr einer militärischen Intervention Venezuelas ist jedoch mehr als fragwürdig.

Tatsache ist zwar, dass Guyana nach eigenen Zahlen etwa 4.150 Verteidigungskräfte zählt, wohingegen die venezolanischen Streitkräfte bis zu 235.000 Einheiten mobilisieren könnten. Venezuela hat 200 russische Panzer, Luftverteidigung und Marinestreitkräfte; Guyana nicht.

Hohes Risiko für Maduro

Ein militärisches Eingreifen samt Blutvergießen könnte Präsident Nicolás Maduro allerdings noch weiter in die Isolation treiben. Bündnispartner Kuba unterstützt Venezuelas Vorgehen nicht. Auch Linkspräsident Lula da Silva in Brasilien, der größten Macht der Region, verlegte bereits Ende November Truppen an die Grenzregion zu Guyana.

Obwohl Lula Maduro gegenüber ideologisch nähersteht, als sein Amtsvorgänger Bolsonaro – massive Unterstützung kommt auch aus Brasilien nicht: "Wenn es etwas gibt, was wir hier in Südamerika nicht wollen, dann ist es Krieg", sagte Lula kürzlich bei einem Treffen der Mercosur-Staaten.

Maduro steht also weitestgehend alleine da. Selbst wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen würde, machen es die geografischen Gegebenheiten des Esequibo-Gebiets äußerst schwierig, mit Fahrzeugen oder auch nur mit Bodentruppen vorzurücken.

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