Venezuelas Opposition boykottiert, Venezuelas Opposition kooperiert
Selbsternannter Interimspräsident Guaidó bricht Dialog mit Regierung ab. Die unterzeichnete nun ein Abkommen mit Oppositionsgruppen
Unmittelbar nachdem in Venezuela der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó den Dialog mit der Regierung für gescheitert erklärt hat, gab Kommunikationsminister Jorge Rodríguez ein Abkommen mit gemäßigten Teilen der Opposition bekannt. Der offenbar vorbereitete Schritt soll augenscheinlich einen Keil in das Lager der Gegner von Präsident Nicolás Maduro treiben und die Position von Guaidó schwächen.
Der bekannte Oppositionspolitiker und Vorsitzende der Nationalversammlung wird weiterhin massiv aus dem Ausland - vor allem aus den USA, der EU und von rechtsgerichteten lateinamerikanischen Regierungen - unterstützt, während seine Mobilisierungsfähigkeit im Land zuletzt sichtbar nachließ. Ob das nun abgeschlossene Abkommen diesen Trend befeuert, wird sich zeigen: Die jüngste Vereinbarung wurde ersten Berichten zufolge lediglich von Vertretern kleinerer Parteien unterzeichnet. Mitglieder des großen Oppositionsbündnisses Tisch der demokratischen Einheit (Mesa de Unidad Democrática, MUD), dem Guaidó angehört, finden sich nicht unter den Unterzeichnern.
Das Abkommen enthält nach Berichten regierungsnaher Medien sechs Punkte, die als Ausgangspunkt für weitere Gespräche dienen sollen. Bisher erzielte Teilabkommen sehen die Rückkehr der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (Psuv) und alliierter Fraktionen in die oppositionell dominierte Nationalversammlung (http://www.asambleanacional.gob.ve) vor. Zugleich habe man sich darauf geeinigt, den Wahlrat neu zu besetzen. Die Justiz werde aufgefordert, die Strafen "einiger inhaftierter Bürger" zu erleichtern, hieß es auf der Internetseite des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur, der in Caracas ansässig ist und eine regierungsnahe Position einnimmt.
Die Unterstützer des neuen Abkommens wollen zudem eine Lösung für die von Venezuela beanspruchte Esequibo-Region finden, die dem Nachbarstaat Guayana angehört. Sanktionen gegen Venezuela lehnen sie ab. Gefordert wird zudem ein humanitäres Programm, bei dem Erdöl gegen Lebensmittel und Medikamente getauscht wird.
Zu den Unterzeichnern gehören mit Timoteo Zambrano von der Partei Cambiemos und Claudio Fermín von der Partei Soluciones para Venezuela sowie Acvanzada Progresista drei Mitglieder des kleinen Bündnisses Vereinbarung für den Wandel (Concertación por el Cambio), das in der Nationalversammlung acht Sitze hat. Die Mitte-links-Partei MAS, die offenbar auch zu den Unterzeichnern zählt, ist in der Nationalversammlung nicht vertreten. Zum Vergleich: Das MUD-Bündnis hält über 90 Mandate.
Guaidó erteilt Oslo-Barbados-Prozess eine Absage
Am Sonntag hatte Guaidó erklärt, der von Norwegen initiierte Dialogprozess habe sich "totgelaufen". Er begründete den Rückzug seiner Allianz mit der Weigerung der Regierungsdelegation, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Maduro hat die Gespräche mit fadenscheinigen Ausreden aufgegeben. Nach mehr als 40 Tagen, in denen sie sich geweigert haben, den Dialog fortzusetzen, erklären wir unsererseits, dass der Barbados-Mechanismus keinen Sinn mehr hat", hieß es in einer Erklärung Guaidós. Er bezog sich damit auf die Verhandlungen, die von Norwegen zunächst in Oslo begonnen und dann im karibischen Barbados fortgeführt wurden.
Seit dem 7. August haben keine weiteren Treffen in dem Format stattgefunden. Damals hatte die Maduro-Regierung den Verhandlungstisch vorübergehend verlassen, nachdem Guaidó Sanktionen der USA gegen Venezuela begrüßt hatte. "Diejenigen, die die Macht an sich gerissen haben, blockieren eine friedliche Lösung und weigern sich, über einen vernünftigen Vorschlag unserer Delegation zur Beendigung dieses Konflikts zu diskutieren", heißt es in der Guaidó-Erklärung nun. Sein Team erklärte sich zugleich bereit, "jede mögliche Lösung anzunehmen", die "das Leiden der Venezolaner beendet".
Guaidó hatte sich am 23. Januar zum Interimspräsidenten erklärt. Zuvor hatte die Oppositionsmehrheit in der von ihm geleiteten Nationalversammlung einen Beschluss gefasst, der Maduro als "Usurpator" die Regierungsgewalt aberkannte. Die oppositionellen Parlamentarier warfen Maduro vor, seit Mandat durch Wahlbetrug verlängert zu haben.
Am 6. September drohte Maduro dann damit, den Dialog endgültig zu beenden, sollte Guaidó nicht "zur Vernunft kommen". Die Regierung warf dem Oppositionspolitiker Pläne vor, die von Venezuela beanspruchte Esequibo-Region an transnationale Unternehmen übergeben zu wollen. Die Region ist reich an Ressourcen, vor allem an Erdöl. "Entweder sie korrigieren ihre Position oder sie sehen uns (am Verhandlungstisch) nicht wieder", warnte der linksgerichtete Staatschef. Einer der Verhandlungsführer von Guaidó, Stalin González, hatte Anfang September erklärt, die Oppositionsgruppe sei bereit, die Kontakte wieder aufzunehmen. Guaidó beharrte jedoch darauf, dass die Gespräche nicht funktioniert haben und ihre Wiederaufnahme keinen Sinn ergeben.
Norwegen will vermitteln, Venezuela mobilisiert Armee
Die norwegische Regierung, von der die Verhandlungen zwischen der venezolanischen Regierung und dem Guaidó-Lager vermittelt und moderiert worden waren, bestätigte am Montag ihre Bereitschaft, zwischen den Konfliktparteien weiter zu vermitteln. "Norwegen unterstützt den Verhandlungsprozess in Venezuela auf Ersuchen der wichtigsten politischen Akteure des Landes und bekräftigt seine Bereitschaft, diese Rolle fortzusetzen, solange die Parteien es für angemessen halten und eine Verhandlungslösung vorantreiben", schrieb der norwegische Mediator Dag Nylander am Montag auf Twitter.
Maduro hatte am Sonntag versichert, seine Regierung konzentriere sich auf die Verteidigung des Landes gegen die Bedrohungen durch die USA und ihrer Verbündeten in der Region. "Niemand soll sich irren", heißt es von seiner Seite: Venezuela werde "mit Ideen, Politik, Diplomatie und - wenn nötig - mit Waffen verteidigt".
Venezuela hatte am Dienstag vergangener Woche eine Serie von militärischen Manövern an der Grenze zu Kolumbien begonnen. An den Übungen sollen rund 150.000 Soldaten teilnehmen, wie der Generalstab mitteilte (Venezuela startet Militärmanöver an Grenze zu Kolumbien).
Der Oberkommandierende der venezolanischen Armee, General Remigio Ceballos, sagte vor Soldaten am Flughafen im westlichen Bundesstaat Táchira, die venezolanischen Streitkräfte seien eine "Friedenstruppe". Im Falle einer Bedrohung schrecke man aber auch vor einem Kampfeinsatz nicht zurück. "Wir respektieren die Streitkräfte weltweit, aber wir haben vor niemandem Angst", sagte Ceballos. Die auf mehrere Tage angesetzten Manöver werden auf sozialen Netzwerken mit dem Hashtag #VenezuelaSoberaníaYPaz beworben. "Venezuela: Souveränität und Frieden" lautet der Name des Manövers.
Das Manöver ist Ausdruck einer neuen Krise zwischen Kolumbien und Venezuela. Die Regierungen beider Staaten unterhalten seit Februar dieses Jahres keine diplomatischen Beziehungen mehr. Mit den Militärübungen reagiert Venezuela auf Angriffe des kolumbianischen Präsidenten Iván Duque, der Caracas beschuldigt hat, Dissidenten der FARC-Guerilla zu beherbergen.
Daraufhin versetzte Maduro die Armee Anfang der Woche in den Alarmzustand entlang der rund 2200 Kilometer langen Grenze und rief zu militärischen Übungen bis zum 28. September auf. Zudem sollen auf venezolanischer Seite Land- und Flugabwehrraketen aufgestellt werden.
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