Veränderungen bei Menschen durch Technik

Seite 2: Beispiel: Assistenzsysteme im Auto

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Begonnen hat es mit der Servolenkung und dem Antiblockiersystem (ABS), heute sind Autos mit einer Fülle an Assistenzsystemen ausgestattet, die den Lenker freundschaftlich unterstützen sollen. Abstandwarnsystem, Kollisionsschutz, Spurhalteassistent, Lichtautomatik, Adaptives Lichtsystem, Müdigkeitswarner, Einparkhilfen, Regensensor, Verkehrszeichenerkennung, Klimaautomatik, Navigationshilfen und anderes mehr. Um das Fahrzeuglicht, das Auf- und Abblenden, den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, Verkehrszeichenwahrnehmung, den Scheibenwischer bei Regen, die Fahrzeuginnentemperatur, die Erholungspausen beim Fahren und das Nichttouchieren beim Einparken, kümmert sich nicht mehr der Fahrzeuglenker, das macht jetzt die Elektronik.

Abdeckung der Umgebung durch Abstandssensoren in dem autonomen Fahrzeug "MadeInGermany" (FU Berlin). Bild: Raúl Rojas

Man gewöhnt sich schnell an diese Helfer. Techniksysteme formen Alltagswahrnehmung und damit kollektive und individuelle Verhaltensweisen und Fertigkeiten, sie "ent-lernen" ihre Nutzer auch. Wer länger mit Assistenzsystemen unterwegs ist, verlernt Grundfertigkeiten des Autofahrens und der Orientierung in der Umwelt - im Zweifelsfall vertraut man auf die Technik und nicht auf die eigene (Raum-) Wahrnehmung oder gar auf eine antiquierte Landkarte. Man kann dann nicht mehr die Größe des Wagens abschätzen oder den sinnvollen geschwindigkeitsbedingten Mindestabstand zum Vorfahrzeug, man verlernt das Abblendlicht einzuschalten, wenn es geboten ist, um Unfälle zu vermeiden. Der durch Helfer verwöhnte Autofahrer ist technikabhängig geworden.

Überhaupt, wir sind längst schon autoabhängig geworden. Eine Welt ohne Autos lässt sich selbst in Gedanken, kaum vorstellen, ähnlich ist es mit Telefon, Fernsehen, Internet. Aber es gibt noch andere Beispiele von Technikabhängigkeit.

Kopfrechnen

Viele Jüngere tun sich heute mit ganz einfachen Rechenaufgaben schwer, denn ab den 1980er Jahren hielt der Taschenrechner in den Schulen Einzug. Kopfrechnen, früher mitunter heftig geübt, wurde ab dann durch Eintippen ersetzt.

Es mag für Betrachter bitter wirken, wenn 35jährige Mitmenschen keinen ausgehandelten Rabatt rechnen können, ohne zum Handy und der Taschenrechner-App zu greifen. Was fast schmerzhafter ist, es fehlt ihnen dann meist ebenso das Vertrautsein mit dem Zahlenraum, um beispielsweise Größenordnungen schnell einschätzen zu können. Eine wichtige Grundfertigkeit gerade in der immer weiter ausufernden Konsumgesellschaft, in der nahezu alle Lebens-Mittel gekauft werden müssen.

Abgeschnitten

Diese Abhängigkeit, diese durch Bequemlichkeit und Gewohnheit sozusagen selbstverschuldete Entmündigung, merken Menschen dann kräftig, wenn der Akku im Mobiltelephon ausfällt. Die anzurufende Nummer steckt im toten Gerät - die Kommunikation ist abgeschnitten, mitunter nützt auch das Telefonbuch oder die Auskunft nichts, da vielleicht die Rufnummer des potentiellen Kontakts gar nicht mehr im Telefonverzeichnis eingetragen ist (Geheimnummer).

Gut, beim Auto wird das in Zukunft anders sein. Das "Connected Car" ist in der EU demnächst vorgeschrieben. Passiert was, kommen Polizei und Rettung assistenzsystem-unterstützt automatisch zum Unfallort.3 Damit wird auch das Auto Bestandteil des "Internet of Things", jener transhumanistischen und technophilen Lieblingsidee vollständiger Vernetzung sukzessiv entmündigter Bürger und ihrer Umwelt (Das "Internet of Things").