Veränderungen bei Menschen durch Technik

Seite 5: Technische Demokratisierung?

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Natürlich ist es ungerecht, wenn die Eliten persönliche Dienstboten haben und die anderen nicht. Es gibt jedoch mittlerweile eine praktisch-marktwirtschaftliche Lösung dafür. Nicht persönliche, sondern technische Assistenzsysteme und Hilfen: Technisierung demokratisiert in einem gewissen Sinn und ist für alle jene da, die solche Hilfen kaufen (können). Assistenzsysteme im Auto, automatische Steuerung bei der Wohnraumheizung. Preiswerter sind Fitness-Apps, oder Convenience-Produkte, die Kochen überflüssig machen, ebenso billige textile Artikel aus Fernost, wo es sich nicht auszahlt, kleine Beschädigungen noch selbst zu reparieren.

Das alles ist in der Überflussgesellschaft kein Problem, sofern die Leute halbwegs Geld haben. Haben sie es plötzlich nicht, wissen sie auch nicht mehr, sich kostengünstig im Alltag zu helfen. Die Grundkenntnisse, um eine preiswerte Mahlzeit selbst herzustellen (Grillenkönnen allein wird wohl zu wenig sein, vor allem im Winter), oder einen Riss in einem Kleidungsstück mit eigener Hand zu nähen, das gelingt dann nicht mehr. Fröhliche Sklaven von Konsumgesellschaft und Technik, solange alles funktioniert einerseits, durch Technik entfremdete, auf Reiz-Reaktions-Dressuren zugerichtete Lebewesen andererseits. Dazwischen sind die Begrifflichkeiten von Selbstbestimmung und Mündigkeit zu romantischen Geschichten aus einer vergangenen Epoche geworden.

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Eingangs war von den lebenslangen Vorteilen jener Kinder die Rede, die in den gehobenen Klassen groß werden, sozusagen Klassenvorteile durch Erleben "vererbt" bekommen. Von der unteren Mittelschicht abwärts können da Eltern kaum mit, außer beim Fernseher und dem neuesten Smartphone für das Kind. Motiv dabei, es soll auch haben, was die anderen alle haben. Oft übernimmt dann die Elektronik, die handzahme Technik, menschliche Betreuungsfunktionen.

Die bessere und vielleicht preiswertere Alternative wäre es, sich mit dem Kind als Kind mehr zu beschäftigen - also es nicht bindungsschwach bis hin zu sozial verwahrlost aufwachsen zu lassen - und ihm dabei brauchbare, einfache technische und soziale Grundfertigkeiten beizubringen, von denen es später vielleicht profitieren kann.

Etwa selbst kochen oder einen Knopf annähen zu können, die eigene Phantasie entdecken, Menschen, Tiere und das Wetter kennen und mit ihnen halbwegs umgehen, oder sich verständlich und freundlich ausdrücken und die eine oder andere Aggression beherrschen zu können. In Kindergarten und Schule allein lernt ein Kind sowas nicht, sie sind keine Defizitbehebungsagenturen, für die sie heute gern gehalten werden. Klar ist, das müsste man vielen Eltern ebenso erst einmal beibringen.

Technische Fortsetzung

Es sieht eher nicht nach mehr Hausverstand in der Gesellschaft aus. Der Mainstream flüchtet in Technikeuphorie. Naturwissenschaft, Politik und Medien befeuern die eskapistische Hoffnung, die Technik wäre die Lösung, ein allumspannender Schlüssel für alle Fragen: "Welche wunderbaren Entdeckungen uns erwarten."5 Da werden die "DIY Bodies" durch Verdatung, Chirurgie und elektronische Prothetik erst zum vollkommenen Menschen, zur Mensch-Maschine-Einheit, mit dem Versprechen ewigen Lebens und der Eroberung des Weltalls.

Was Raymond Kurzweil und viele andere, vielleicht weniger exzessiv auftretende Naturwissenschafter mittlerweile auch in Dokumentationen im deutschen Fernsehen verkünden6, ist eine "Theologie der Technik" und der technischen Auflösung des Menschen.

Die Assoziation mit "Endlösung" liegt nahe und das ist nun eine fürchterliche Angelegenheit. Gerade auch wegen der viele Milliarden teuren Forschung - nahezu immer: dual use, also militärisch und wirtschaftlich nutzbare Forschung, die die Bürger bezahlen. Währenddessen hungert eine Milliarde Menschen und das Drittel der übrigen ist arm.