Verbot von Kurzreisen über Ostern

Seite 3: "Wiederkehr der Obrigkeitshörigkeit"

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Sie haben es angesprochen: Wenn die Bundeskanzlerin, das heißt die Person, die sowohl über ein hohes Maß an formaler als auch symbolischer Macht verfügt, in einer Ansprache den Bürgern sagt, in diesem Jahr könne es über Ostern keine Kurzreisen geben, dann hat das aber doch schon eine enorme Aussagekraft, die auf die Bürger einwirkt, oder?

David Jungbluth: Genau, das ist der Punkt. Wir erleben ja momentan eine Wiederkehr der Obrigkeitshörigkeit, wie sie noch vor wenigen Wochen kaum vorstellbar gewesen wäre. Ich habe zwar immer Zweifel daran gehabt, dass die Bevölkerung in diesem Land tatsächlich (gedanklich) so frei und unabhängig agiert, wie es immer propagiert wurde, aber es hat mich dennoch überrascht.

Diese Hörigkeit, die ja letzten Endes in einer fehlenden Kritikfähigkeit begründet liegt, wird nach meiner Einschätzung durch den parteipolitischen Betrieb in Verbindung mit den sogenannten Mainstreammedien herangezüchtet, die uns ein bestimmtes Bild der Welt vermitteln wollen, das im wahrsten - und damit auch schlechtesten - Sinne einer absolutistischen Weltanschauung gleichkommt, der man sich unterzuordnen hat.

Gleichzeitig werden die sogenannten alternativen Medien, die ja gerade deswegen so bezeichnet werden können, weil sie alternative Sichtweisen aufzeigen, mit dem Totschlagargument der "Verschwörungstheorie" diffamiert und dabei dann auch praktischerweise gleich, pauschalisierend, dem rechten Spektrum zugeordnet. Von einer sachlichen Auseinandersetzung im Sinne von Rede und Widerrede, die eine notwendige Bedingung für ein demokratisches Gemeinwesen darstellen, ist hier nichts zu sehen. Nicht umsonst hat auch das Bundesverfassungsgericht die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, ohne die freie Rede und Gegenrede undenkbar sind, für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung als "schlechthin konstituierend" bezeichnet.

"Böses Omen für den Zustand und die Zukunft der vielbeschworenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung"

Sie sehen also in der aktuellen Situation größere Defizite, was die freie, auf Argumenten basierende Diskussion angeht?

David Jungbluth: Wie soll man es sonst bewerten, wenn vor diesem Hintergrund Kritiker der Regierungslinie öffentlich diffamiert werden und nun wieder mehr oder weniger offene Zensur beispielweise dahingehend stattfindet, dass YouTube-Kanäle, die sich kritisch zum Umgang der Bundesregierung zum Thema Covid-19 oder ganz generell Zweifel an dem offiziellen Narrativ einer besonderen Gefährlichkeit des Virus äußern, gesperrt werden?

Ich sehe die aktuell zu beobachtenden Verhältnisse als böses Omen für den Zustand und die Zukunft der vielbeschworenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dieser Status quo einer in weiten Teilen nur pseudoaufgeklärten Gesellschaft, dazu in Kombination mit einer inzwischen vollkommen überbordenden political correctness, macht es in meinen Augen zwar nicht unmöglich, aber doch sehr schwer, sich wirklich freie, von der Lenkung eines Anderen unabhängige Gedanken zu machen und seine eigene, mehr oder weniger autonome Sicht auf die Welt und auch auf die eigene Stellung in dieser zu entwickeln.

Wo aber die Gedanken nicht frei sind, besteht, da der Mensch ja nahezu dazu gezwungen ist, sich an irgendwelchen Handlungsmaßstäben auszurichten, nach meiner Einschätzung aber auch die gesteigerte Gefahr einer Unterwürfigkeit zumindest in dem Maße, das sich derzeit deutlich zeigt. Das ist jetzt natürlich keine originär juristische Feststellung, formuliert aber doch eine brisante demokratietheoretische Fragestellung.

Um aber auf Ihre eigentliche Frage zurückzukommen: Die Kanzlerin und ihre Berater dürften nach meiner Einschätzung insgesamt recht genau darüber im Bilde sein und scheinen diesen Umstand gezielt zu nutzen, dass eine in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung noch gefolgsamer als ohnehin schon ist oder wenigstens sein könnte beziehungsweise eigentlich sein müsste.

Unter dem Bann einer - auf weite Strecken unausgeloteten - Infektions- und Gesundheitsgefahr durch das Coronavirus gleichen sich die Alarmierungsrufe von Regierenden, Opposition und den zur Information und Meinungsbildung gedachten Medien bis zur Nichtunterscheidbarkeit einander an und erinnern bereits bedrohlich an Grundzüge der seinerzeit von Wilhelm Reich analysierten "Massenpsychologie des Faschismus". Ein absichtliches Hervorrufen massenpsychologischer Ängste und deren Ausnutzung zum besseren Lenken der Bevölkerung würde freilich einen Machtmissbrauch darstellen, der sich als Grundlage für die Einleitung eines konstruktiven Misstrauensvotums, also einer Art Amtsenthebungsverfahren, gegen die Bundeskanzlerin darstellen könnte.

Ohne den Grundsatz "In dubio pro reo" infrage zu stellen und ohne die Gesundheit auch nur eines einzigen Menschen durch eine Covid-19-Infektion unnötig gefährdet sehen zu wollen, halte ich diese Aspekte jedenfalls für dringend klärungsbedürftig.

Die Lage ist, was die massive Einschränkung unserer Grundrechte angeht, ziemlich unübersichtlich. Die Eingriffe in die Grundrechte variieren nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern mitunter auch in den Gemeinden. Mecklenburg-Vorpommern verbietet über Ostern allen Bürgern im Bundesland den Ausflug zum See. Wie sind solche Verbote im Hinblick auf unsere Verfassung einzuordnen?

David Jungbluth: Diese Grundrechteeingriffe sind inzwischen ja dankenswerterweise schon vielfach kritisiert worden. Wenn ich mal hier den ersten Abschnitt des Grundgesetzes "Grundrechte", also die Art. 1 bis 19 durchgehe, ist schon bemerkenswert, wie viele von diesen auf einmal, oftmals erheblich, betroffen sind. Man kann hier ganz einfach chronologisch vorgehen:

- Art. 2 Abs. 1 GG - Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit,
- Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 1 - Recht auf Leben (soweit durch die getroffenen Maßnahmen lebensbedrohliche Zustände anderer Art, also nicht durch das Virus, eintreten sollten),
- Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 - Recht auf körperliche Unversehrtheit,
- Art. 3 Abs.1 GG - allgemeiner Gleichheitssatz (beispielsweise durch die unterschiedliche Behandlung von Berufsgruppen im Hinblick auf die Schließung von Läden),
- Art. 4 Abs. 1 und 2 - Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit,
- Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG - Recht der freien Meinungsäußerung,
- Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG - Informationsfreiheit,
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 - Pressefreiheit,
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 - Rundfunkfreiheit,
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 3 - Filmfreiheit
und gegen das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG wird nach meiner Einschätzung zudem, zumindest mittelbar, durch die bereits benannte Sperrung von You-Tube- Kanälen verstoßen

Ich könnte jetzt hier beliebig fortsetzen, erspare uns das aber. Ohne es jetzt genau geprüft zu haben, schätze ich, dass circa 95 bis 98 Prozent der im Grundrechtskatalog enthaltenen Grundrechte durch die Maßnahmen, teilweise fast bis in den Kernbereich, eingeschränkt sind.

Die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs.1 GG habe ich bei dieser Aufzählung übrigens zunächst bewusst außen vorgelassen. Es ist aber auch hier die Frage zu stellen, ob diese nicht beispielsweise tangiert ist, wenn die Menschen unter Androhung von Bußgeldern, wenn nicht gar Strafen, dazu angehalten werden, zu Hause mehr oder weniger hoffnungslos beziehungsweise ohne jegliche klare Perspektive vor sich hin zu vegetieren.

Ganz zu schweigen von den Menschen, die ohne Beisein ihrer Angehörigen zu sterben haben, oder die in Alten- oder Pflegeheimen oder auch in Krankenhäusern keinen Besuch mehr bekommen dürfen. Das ist meines Erachtens menschenunwürdig im Wortsinne! Und das zudem auf Grundlage einer nicht in hinreichender Weise belastbaren medizinischen Evidenz der Gefährlichkeit des Virus. Die Menschenwürde ist aber bekanntlich unantastbar (Art. 1 Abs. 1 GG), das heißt: ein Eingriff in diese ist nie gerechtfertigt!

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