Verbot von Kurzreisen über Ostern

Seite 5: Mangelnde Rechtssicherheit

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Wenn wir annehmen, dass die Gefahren, die von dem Virus ausgehen, weitreichend sind, lassen sich auch Einschränkungen der Grundrechte nachvollziehen, oder?

David Jungbluth: Ich plädiere hier mit Sicherheit nicht für einen sorglosen Umgang, solange nicht geklärt ist, wie gefährlich das Virus tatsächlich ist. Die Grundrechte wirken ja auch im Sinne einer Schutzpflicht des Staates für seine Bürger, sind also nicht nur als klassische Abwehrrechte gegen die Staatsgewalt zu verstehen.

Das Problem ist aber schon in Ihrer Fragestellung impliziert: Welche Maßstäbe legen wir an, und wie bekommen wir eine tatsächliche medizinische Evidenz? Die tatsächliche Gefährlichkeit des Virus ist nach meinen Erkenntnissen nicht nur nicht gesichert, sondern es verdichten sich wohl immer mehr die Hinweise, dass es, zumindest im Vergleich zu anderen Pandemien wie der Influenza A und B, keine gesteigerte Gefährlichkeit aufweist.

Ich kann das medizinisch nicht beurteilen, aber wenn ich zur Kenntnis nehme, dass die Sterberaten in der Europäischen Union nicht oder wenn, dann nur in geringfügigem Maße, über jenen in den vergangenen Jahren liegt, auch in Italien, gibt mir das schon zu denken. Auch und vor allem deswegen, und jetzt kommen wir wieder auf die rechtliche Ebene, weil völlig unklar ist, wann die jetzt getroffenen Maßnahmen zurückgenommen werden sollen. Es existieren in meinen Augen keinerlei fixe Zahlenwerte in dem Sinne, dass gesagt werden würde: Wenn nicht bis zu dem Datum X diese Entwicklung eingetreten oder nicht eingetreten ist, werden die Kontaktsperren zumindest teilweise wieder aufgehoben.

Es gibt ein weiteres, ganz grundlegendes Prinzip, nämlich das Prinzip der Rechtssicherheit.

Was bedeutet das?

David Jungbluth: Diese gebietet, als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, dass im Hinblick auf erlassene Rechtsnormen Klarheit, Vorhersehbarkeit und Gewährleistung herrschen. Das kann ich vor dem Hintergrund der vorbeschriebenen Statistiken und der getroffenen Maßnahmen in keiner Weise erkennen. Dies auch und gerade deswegen nicht, weil ja immer neue Verschärfungen durchgedrückt werden.

Jetzt wird ja beispielsweise schon eine Pflicht zum Tragen von Atemschutzmasken diskutiert, und zwar nach meiner Kenntnis, ohne dass eine solide Evaluation der bisher getroffenen Maßnahmen stattgefunden hätte. Zumindest wurde eine solche nicht deutlich nach außen kommuniziert. Das sind Grundrechtseinschränkungen in Wild-West-Manier, oder, um es juristischer auszudrücken, vollkommen willkürliche Maßnahmen.

Verhältnismäßigkeit ist in dem Zusammenhang also ein wichtiger Begriff.

David Jungbluth: Genau. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit besagt, dass staatliche Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, immer einen legitimen Zweck zu verfolgen und dass diese Maßnahmen dann auch zur Zweckverfolgung geeignet, erforderlich und angemessen zu sein haben.

Ich will hier jetzt nicht auf die einzelnen Punkte eingehen, aber was die Frage der Angemessenheit betrifft, muss immer eine sogenannte Zweck-Mittel-Relation stattfinden, also eine Abwägung der Gewichtigkeit des Zweckes, der verfolgt wird (hier: der Schutz vor dem Virus) und der Gewichtigkeit der betroffenen Grundrechte.

Haben Sie mitbekommen, dass hier eine solche Abwägung stattgefunden hätte? Ich nicht. Ich wäre auch gespannt, wie diese ausfällt, wenn ein Großteil des Grundrechtskatalogs quasi wegrasiert wird.

Was würden Sie einem Bürger raten, der an seiner Einreise nach Mecklenburg-Vorpommern gehindert wird? Wie sollte sich ein Bürger verhalten, wenn er bei seinem Ausflug in die Berge, an die See oder in den Wald von Ordnungsbehörden angesprochen und vielleicht sogar gemaßregelt wird?

David Jungbluth: In einer solchen Situation würde ich zunächst ein sachliches und freundliches Gespräch suchen. Die Mitarbeiter der staatlichen Ordnungsbehörden sind ja auch Menschen, in deren Reihen teilweise erhebliche Zweifel bestehen dürften, ob das, was momentan geschieht, alles seine Richtigkeit hat. Ich halte es jedenfalls generell für wichtig, Gespräche mit anderen zu suchen, egal mit wem und zu welchem Anlass, um eine Art von Gegenbewusstsein zu schaffen. In dem von Ihnen beschriebenen Fall könnte man also eventuell die Angelegenheit "auf Kulanzbasis" aus der Welt schaffen.

Sollte das nichts bringen, würde ich ankündigen, gegen die Maßnahme rechtlich vorzugehen. Für den Fall, dass das Ordnungsamt beziehungsweise die Polizei sich in den Augen des Betroffenen unangemessen verhält, würde ich zudem die Dienstnummer verlangen; dies sollte aber wirklich nur in Ausnahmefällen erfolgen, da ich es nicht für sinnvoll halte, hier weiter an der Eskalationsspirale zu drehen.

Unabhängig davon, ist es in solchen Situationen empfehlenswert, zumindest einen, möglichst neutralen Zeugen beizuziehen - natürlich unter Einhaltung der 1,5 beziehungsweise 2-Meter-Abstand-Regel, ist ja klar.

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