Verdorbene Oktober-Überraschung: Wie die Republikaner Jimmy Carter die Wiederwahl stahlen

Seite 2: Eine geheimnisvolle Reise in den Mittleren Osten

Conally lud seinen Geschäftspartner Barnes im Juli 1980 auf eine vorgeblich rein private Reise in den Mittleren Osten ein. Sie besuchten die Hauptstädte von Jordanien, Syrien, Libanon, Saudi-Arabien, Ägypten und Israel.

Erst vor Ort erfuhr Barnes den eigentlichen Zweck der Reise. Conally bat regionale Machthaber darum, eine Botschaft an den Iran zu vermitteln: Behaltet die Geiseln bis nach der Wahl, Reagan bietet euch dann ein besseres Geschäft an. Bei der Rückreise nach Houston machte Conally einen konspirativen Zwischenstopp ausgerechnet in Dallas, wo er Casey persönlich am Flughafen berichtete.

Barnes kann nicht aus eigener Anschauung bestätigen, wie der Iran die Botschaft beantwortete. Doch ausgerechnet am Tag von Reagans Inauguration ließ der Iran die Geiseln frei. Offenkundig hatte man den Deal akzeptiert.

Reagan ernannte Casey zu seinem neuen CIA-Direktor, der den von Carter eingehegten Geheimdienst wieder zu einem Instrument aggressiver Außenpolitik restrukturierte. Casey verstarb 1987 im Amt. Conally wurde nur das für ihn unattraktive Energieministerium angeboten, sodass er sich aus der Politik zurückzog. Die gemeinsamen Firmen mit Barnes gingen insolvent.

Offenes Geheimnis

Anfang der 1990er-Jahre kam der Verdacht auf, Casey sei 1980 im Sommer zunächst nach Madrid und dann im Oktober nach Paris gereist, wo er mit Vertretern des Iran ein Abkommen finalisiert habe. Wie The Intercept zusammengetragen hat, hatten etliche von Barnes Ansprechpartnern die Treffen eingeräumt.

So hatte etwa Palästinenserführer Yasser Arafat von als "Republikaner" bezeichneten Emissären berichtet, die dem Iran für dessen Zuwarten Waffenlieferungen angeboten hätten. Arafat will deren Ansinnen abgelehnt haben, anderer Darstellung zufolge soll Arafat jedoch in Madrid mit Casey verhandelt haben.

Der Biograf des damaligen Chefs des französischen Auslandsgeheimdienstes Alexandre de Marenches berichtet, de Marenches habe ihm heimlich anvertraut, er hätte im Oktober 1980 ein Treffen zwischen Casey und Iranern in Paris arrangiert. Nach seinem Regierungsantritt heuerte Reagan unverzüglich de Marenches als Berater an.

Die Untersuchungskommission konnte 1993 für die Sabotage jedoch keine Beweise finden. Allerdings hatte man dem Komitee ein für Präsident Bush bestimmtes Dokument vorenthalten, das die Behauptung einer Reise Caseys nach Madrid stützte. Auch ein Papier der Russen, die von drei Verhandlungen Caseys in Madrid und Paris berichteten, wurde unterschlagen. Eine Kopie fiel jedoch 2011 dem investigativen Journalisten Robert Parry in die Hände.

Dem russischen Dossier zufolge hatte der Iran Ersatzteile für die F-4- und F-5-Flugzeuge sowie M-60-Panzer begehrt und eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen zu den USA vorgeschlagen.

Begleitet wurde Casey von keinem Geringeren als Reagans "Running Mate" George H. W. Bush, der in der Regierung Ford als CIA-Direktor fungiert hatte. Auch CIA-Mann Robert Gates, der 1991 CIA-Direktor und 2002 Verteidigungsminister wurde, habe mitgewirkt. Nach Reagans Wahlsieg hatte man sich außerdem über die Lieferung von Boden-Boden-Raketen der Lance-Klasse sowie zur Lieferung von Ersatzteilen für F-14-Kampfflugzeuge verständigt, was über Waffenhändler abgewickelt wurde.

Während Präsident Carter das verfassungsmäßige Recht auf solche Geheimverhandlungen zugestanden hätte, hatten die Republikaner damals keine solche Kompetenz. Die geheime Verbindung zum Iran dürfte der Auftakt für fragwürdige Waffengeschäfte gewesen sein, die später als Iran-Contra-Affäre bekannt wurden.

Eine Verbindung Caseys zu Conally und Barnes blieb jedoch allen gänzlich verborgen. Soweit sich die Darstellung von Barnes überprüfen ließ, ist diese konsistent, sogar ein Kontakt von Conally zu Reagan im Juli 1980 ist belegt.

Der knapp 85-jährige Barnes hätte auch kein plausibles Motiv, um mit einem erfundenen "Verdienst" wie diesem zu prahlen. Im Gegenteil wollte der 43 Jahre lang schweigende Barnes eigentlich einen Ruf als Verräter vermeiden. Doch die Situation des sterbenden Carter stimmte ihn um. Die Geschichtsschreibung erfordere es, zu erfahren, was passiert sei, und er selbst wolle einen Weg finden, um mit der Sache ins Reine zu kommen.

Noble Lüge

Eine bittere Pointe liegt in dem Widerspruch, dass Reagan sich öffentlich ausgerechnet als Patriot inszeniert hatte, der Verhandlungen mit "Terroristen" ablehnte. Wie nunmehr klar ist, waren es in Wirklichkeit genau solche Geschäfte, denen der zur Lüge neigende Schauspieler seine Präsidentschaft verdankte.

Soweit erkennbar, wurde in deutschen Medien über Barnes Geständnis offenbar nicht berichtet. Enthüllungen über die Schattenseiten der Präsidenten Reagan und Bush sind hierzulande offenbar unerwünscht.

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