Verfassungsbeschwerde gegen "Data Mining"-Regelung im NRW-Polizeigesetz
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will verhindern, dass Menschen durch "Data Mining" willkürlich ins Visier der Polizei geraten. Es geht auch um die digitale "Vorhersage" von Straftaten. Ein Thriller von 2015 beschreibt das Wort-Case-Szenario.
Ein Worst-Case-Szenario über mögliche Folgen des "Data Minings" hat Sebastian Fitzek 2015 in dem Psychothriller "Das Joshua-Profil" entworfen: Ein gesetzestreuer Bürger gerät wegen seines mutmaßlichen Online-Verhaltens ins Visier der Sicherheitsbehörden, die ihn für einen gefährlichen Pädokriminellen halten, obwohl er niemals Kinderpornographie konsumiert hat.
Die Algorithmen haben zwar aus einer Kombination anderer Datenspuren die richtigen Schlüsse gezogen, was das geplante Verbrechen angeht – nur war der Protagonist des Romans es nicht selbst, der diese Spuren hinterlassen hat. Die Unschuldsvermutung ist dennoch außer Kraft gesetzt – und das scheint auch bei jeder beliebigen anderen Straftat möglich, die noch gar nicht begangen wurde.
Unglaubwürdige Science Fiction oder eine reale Gefahr? – Eher letzteres, befürchtet die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), die am heutigen Donnerstag beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen eine Regelung des Polizeigesetzes NRW eingereicht hat, die automatisierte Auswertungen großer Datenbestände erlaubt. Grundlage dieses "Data Minings", das angeblich bevorstehende Straftaten verhindern soll, ist die Big-Data-Software Gotham der US-Firma Palantir.
"Grundrechtliches Schwarzes Loch"
"Data Mining" bedeutet, dass die Polizei per Mausklick Informationen aus verschiedensten Quellen über beliebige Personen einsehen, zusammenführen und analysieren kann – Meldedaten, KfZ-Registerdaten, Daten von Gesundheits- und Sozialämtern sowie Daten aus "Sozialen Netzwerken".
Als "grundrechtliches Schwarzes Loch" bezeichnet die Juristin Charlotte Baldauf solche automatisierten Datenanalysen durch die Polizei. Es bleibe für Betroffene unklar, welche Daten die Palantir-Software zu Persönlichkeitsprofilen zusammenführt und auswertet. Dadurch werde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Menschen können willkürlich ins Visier der Polizei geraten – häufig trifft es diskriminierte Gruppen. Weil sie von der Datenauswertung nichts erfahren, können sie sich nicht einmal zur Wehr setzen.
Charlotte Baldauf, Juristin und zuständige Verfahrenskoordinatorin der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)
"Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber erlaubt diesen schwerwiegenden Grundrechtseingriff zu weitreichend und bei unzureichenden Verfahrenssicherungen", kritisiert die GGF. Das Bundesverfassungsgericht müsse klarstellen, dass "Data Mining" unter diesen Voraussetzungen verfassungswidrig sei.
Auch Medienschaffende könnten betroffen sein
Entsprechende Datenanalysen dienen auch als Grundlage für "Predictive Policing" – also die digitalisierte "Vorhersage" zukünftiger Straftaten. "Diese Methode wird in den USA und Großbritannien eingesetzt und steht immer wieder für die damit verbundene rassistische Wirkung in der Kritik", erklärt dazu die GFF.
Die Beschwerdeführenden setzten unter anderem für mehr Klimaschutz ein und befürchteten, "dass sie wegen der Teilnahme an Protestaktionen ins Visier der nordrhein-westfälischen Polizei geraten". Auch Journalisten, die über entsprechende Aktionen des zivilen Ungehorsams berichten, könnten wegen ihrer Kontakte betroffen sein.
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