Verhandlungsbereitschaft als Schwäche? Die Dilemmata des Ukraine-Kriegs

Seite 2: Die Aussichten für Deutschland

▶ Dazu würde ich gerne eine abschließende Frage stellen: Worauf sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach einstellen?

Reiner Schwalb: Wenn es stimmt, was in der nationalen Sicherheitsstrategie durch Kanzler Scholz formuliert ist, dass – und ich zitiere –, "das heutige Russland auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euro-atlantischen Raum darstellt", dann müssten wir Abschreckung wieder stärker als Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik begreifen.

Sicherheit vor Russland wird als Voraussetzung für Stabilität mit Russland zu begreifen sein. Stabilität, und hier erinnere ich an die Zeit des Kalten Krieges, basiert aber nicht nur auf einem Gleichgewicht der Kräfte, was notwendig ist, aber nicht hinreichend. Es basiert zusätzlich auf Gesprächen und vertrauensbildenden Maßnahmen, auf Rüstungskontrolle und nicht zuletzt auch auf zivilgesellschaftlichen Kontakten.

Deswegen sind für mich drei Dinge wichtig, die jetzt behandelt werden müssten. Erstens, auch wenn das manchen unbequem erscheint, wir müssen uns darauf einstellen, viel Geld für die Streitkräfte und auch für den Heimatschutz auszugeben, um unseren Beitrag zur Sicherheit auch unserer Partner und zur Stabilität zu leisten.

Dies mag auch unseren Beitrag zu harten Sicherheitsgarantien für Ukraine einschließen. Das erwarten auch die Partner von uns. Dies erscheint mir vollkommen unabhängig davon erforderlich, wer im Weißen Haus regieren wird. Wenn man die jetzige Haushaltsdebatte verfolgt, drängt sich der Eindruck auf, dies sei noch nicht wirklich bei allen Politikern angekommen.

Zweitens, dass wir parallel dazu und trotz des noch andauernden Krieges wieder die Gesprächskanäle für Rüstungskontrollmaßnahmen und vertrauensbildende Maßnahmen eröffnen. Und dass wir drittens von unserer Seite aus nicht jegliche zivilgesellschaftlichen Kontakte zum Erliegen kommen lassen.

Hierin schließe ich auch Städtepartnerschaften ein und ich sage bewusst, dass das, was wir von unserer Seite aus machen sollten, vollkommen unabhängig davon sein sollte, ob Russland das auch möchte.

All das geschieht mit dem Blick auf das Europa, was wir sicherlich alle wollen – wir sprachen schon davon, über die Zielsetzung, die wir definieren müssen – ein Europa mit Frieden in Freiheit, wo möglich, und Stabilität, so wie sie erforderlich ist.

▶ Herr Schwalb, vielen Dank für dieses Gespräch.

Gern geschehen.