Verlegt die NATO ihre Atomsprengköpfe aus der Türkei nach Griechenland?
Seitens der Regierung gibt es auch Tage nach den Äußerungen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei weder ein Dementi noch eine Antwort
Vor knapp einer Woche überraschte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Griechenland Dimitris Koutsoubas in Thessaloniki die Zuhörer seiner Pressekonferenz mit einer Nachricht. Er habe erfahren, sagte er, dass die NATO plane, ihre Atomsprengköpfe aus dem türkischen Incirlik nach Griechenland zu verlegen. Die Meldung stand zunächst im Raum, ohne dass sich weitere Quellen, als die von Koutsoubas zitierten Friedensinitiativen fanden.
Koutsoubas ist in Griechenland weniger als Fake-News-Lieferant wie zum Beispiel der Vizevorsitzende der Nea Dimokratia, Adonis Geogiadis, sondern eher als mit trockenem Humor ausgezeichneter, kommunistisch-orthodoxer Ideologe bekannt. Die Meldung fand Eingang in die Presseorgane der kommunistischen Partei und zahlreicher Blogs. Einen Tag später, am vergangenen Freitag wiederholte er die gleiche Nachricht bei der Eröffnung des Jungenfestivals der Kommunisten in Thessaloniki.
Wörtlich sagte er: "Die griechische Regierung spielt mit dem Feuer, sie öffnet die Tore für eine noch tiefer greifende Verwicklung Griechenlands, ausgerechnet jetzt mit der Diskussion über die Verlegung der Infrastruktur von der Militärbasis in Incirlik zu beginnen. Das militärische Personal und die Waffensysteme gehen, heißt es, zur Basis in Souda [auf Kreta], aber die Atomsprengköpfe werden zur Basis in Araxos verlegt. Wir möchten nun fragen und gleichzeitig anklagen, warum die Regierung kein Wort darüber verliert, dass die Gespräche fortgeschritten sind und dass bereits Arbeiten zur Renovierung und Vorbereitung der Basis von Araxos in Angriff genommen wurden, damit, wie es erzählt wird, dort die amerikanischen Atomsprengköpfe untergebracht werden können, die mit den Protesten der Griechen erfolgreich in den vergangenen Jahrzehnten vertrieben wurden."
Seitens der Regierung gibt es auch Tage nach dieser Erklärung weder ein Dementi noch eine Antwort. Allerdings veröffentlichte am Mittwoch die Internetzeitung des SYRIZA-Europaabgeordneten Stelios Kouloglou einen Artikel, in dem Koutsoubas Darstellung ohne dementierenden Kommentar veröffentlicht wird.
Die Planungen zur Verlegung des auf türkischem Boden befindlichen NATO-Stützpunkts sollen nicht erst seit der Konfrontation der Administration des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan begonnen haben. Vielmehr wurden sie mit Anlass des Putschversuches der türkischen Militärs gegen Erdogan vom 15. Juli 2016 in Angriff genommen, erklärte unter Berufung auf Quellen im griechischen Militär Koutsoubas.
Die griechische Regierung soll den USA gegenüber auch weitere Zugeständnisse hinsichtlich der Stationierung von Kriegsschiffen und Navy-Truppen gemacht haben. Der frühere führende Kommandant der NATO in Europa, Admiral James G. Stavridis, bis 2013 Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO, hatte in jüngster Vergangenheit öffentlich darüber philosophiert, dass es weise sei, wenn die NATO angesichts der Konflikte mit Erdogan einen Alternativplan ausarbeiten würde.
Stravridis, der ein in den USA geborener Nachfahre eines aus der Türkei geflohenen Pontos-Griechen ist, meinte, dass für die 2500 US-Soldaten die "vorzügliche Infrastruktur sowohl auf Kreta als auch auf dem griechischen Festland" genutzt werden könne. Koutsoubas fiel in diesem Zusammenhang auf, dass in den letzten Monaten vermehrt US-amerikanische Militärs auf Inspektionsreise durch die griechischen Militärbasen waren.
Von 1962 bis 2001 beherbergte Griechenland schon einmal die amerikanischen Nuklearbomben. In der Araxos Air Base waren von 1978 bis 2001 Atomsprengköpfe vom Typ B61, wie die aktuellen in Incirlik befindlichen, stationiert. Nach jahrzehntelangen Protesten der griechischen Bevölkerung wurden die Atomwaffen schließlich 2001 aus dem Land abgezogen. Auch danach war die Basis in NATO-Manövern wie ein voll funktionsfähiger und mit Atomwaffen ausgerüsteter Stützpunkt behandelt worden. Die Militärbasis teilt sich eine Landebahn mit einem kleinen zivilen Regionalflughafen, welcher je nach Tourismusperiode die drittgrößte griechische Stadt, die Hafenstadt Patras, bedient.