Vermieterlobby wird unruhig
Vor Wohngipfel: FDP warnt vor bundesweitem Mietendeckel und "brutalem" Erwachen Berlins. Enteignungskampagne in der Hauptstadt läuft auf Hochtouren
Der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, hält den Berliner Mietendeckel für "eine Preisregulierung, die auf der ganzen Welt in der Menschheitsgeschichte noch nie funktioniert hat" und auf keinen Fall bundesweit Schule machen sollte. Vor unerwünschten Folgen warnte Föst an diesem Montag auch und gerade einkommensschwache Menschen. Einen Tag vor dem Wohngipfel der Bundesregierung hatte die Fraktion der Liberalen vier Vertreterinnen und Vertreter der Immobilien- und Bauwirtschaft zu einer digitalen Podiumsdiskussion eingeladen - darunter auch Niedersachsens ehemalige Sozialministerin Aygül Özkan (CDU), mittlerweile Geschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschuss e. V. (ZIA).
Hinzu kamen Andreas Beulich, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BFW, Dr. Ilona Klein, Abteilungsleiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB) sowie Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD). Als Moderator fungierte Handelsblatt-Ressortleiter Thomas Sigmund.
Die Mieterseite war nicht vertreten, aber Föst bemühte sich redlich, in deren Namen zu sprechen. "Die soziale Selektion durch den Mietendeckel, die ist extrem brutal", behauptete er. Für Berlin werde es diesbezüglich noch ein "brutales Erwachen" geben. Der Mietwohnungsmarkt in der Hauptstadt sei durch das Steuerungsinstrument "ausgetrocknet", es würden einfach weniger Mietwohnungen angeboten - und im Zweifel würden sich die Vermieter für besserverdienende Interessenten entscheiden.
Seine Gesprächspartner bestritten das nicht grundsätzlich. Die Benachteiligung von Mietinteressenten, die sich eine Wohnung gerade noch leisten könnten, gegenüber solchen, die größere finanzielle Spielräume haben und weniger Ausgabendisziplin brauchen, um zahlungsfähig zu bleiben, ist allerdings auch außerhalb Berlins bekannt und gilt nicht einmal als Diskriminierung.
Mieten verdreifacht, Einkommen nicht
Während der FDP als Antwort auf die Verknappung von Mietwohngen vor allem der Verzicht auf Preisregulierungen einfällt und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zumindest verspricht, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen strenger begrenzen, geht in der Hauptstadt das Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co. Enteignen" in die zweite Phase. Für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes sollen ab Freitag innerhalb von vier Monaten 170.000 Unterschriften gesammelt werden. "In den letzten 30 Jahren sind in Berlin 210.000 Wohnungen privatisiert worden", erinnern die Initiatoren in einem am Montag veröffentlichten Video. "Die Mieten haben sich seitdem verdreifacht. Unsere Einkommen nicht. Per Volksentscheid holen wir diesen Wohnraum 2021 zurück!"
Für Mitinitiator Michael Prütz ist es in mehr als 50 Jahren politischer Aktivität "die schönste und auch erfolgreichste Kampagne", wie er zuversichtlich erklärt. In der ersten Stufe des Volksbegehrens im Sommer 2019 war die Zahl der damals benötigten rund 20.000 Unterschriften deutlich übertroffen worden. Rund 77.000 Menschen unterzeichneten seinerzeit fristgerecht. Dass es jetzt unter Corona-Bedingungen 170.000 Unterschriften werden müssen, beunruhigt Prütz und seine Mitstreiterinnen nicht. Nach seiner Einschätzung sind eher die Immobilienkonzerne nervös, da sie wüssten, dass die Enteignungsinitiative vollkommen legal und gesellschaftlich mehrheitsfähig sei.
Anstieg lediglich verlangsamt
IVD-Präsident Schick bezeichnete dagegen die gesamte Mietendeckel- und Enteignungsdebatte als "Gefecht von vor drei Jahren, vier Jahren". Schließlich habe sich das Mietenwachstum in Deutschland seither "weitestgehend verlangsamt", betonte er im Rahmen der digitalen FDP-Podiumsdiskussion. Inwieweit eine bloße Verlangsamung des Anstiegs den rund 40 Prozent der Erwerbspersonen hilft, die durch Lockdown-Maßnahmen während der Corona-Krise Einkommensverluste erlitten haben, führte er nicht näher aus.
Dafür betonte ZIA-Geschäftsführerin Özkan, in den meisten Gewerbemietverhältnissen seien "einvernehmliche" Lösungen gefunden und Stundungen gewährt worden - also im Klartext Zahlungsaufschübe, die Firmenpleiten möglicherweise nur hinauszögern. Özkan hob allerdings hervor, dass auch die Vermieter von Gewerbeflächen kein Interesse an einer zu großen Pleitewelle hätten. Der Grund liegt auf der Hand: Wenn am Ende nur noch wenige Interessenten für Gewerbeflächen kreditwürdig sind, können sie sich Vermieter aussuchen, die ihnen beim Quadratmeterpreis entgegenkommen.
Die Bundestagsfraktion Die Linke fordert derweil für den Einzelhandel einen "rechtssicheren Mietenschnitt während der Pandemie" und im Wohnungsbereich einen bundesweiten Mieterhöhungsstopp. "In den großen Städten wie Stuttgart oder München ist die Entwicklung dramatisch", erklärte die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Caren Lay, an diesem Montag. "Jetzt ist es höchste Zeit für eine gesetzliche Regulierung, um weitere Verdrängungen aus den Innenstädten zu stoppen."
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