Vermittlung im Gaza-Krieg: Keiner will wirklich
Seite 2: Al-Sisi: neuer Partner Israels
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Israel fand mit der Machtübernahme As-Sisis und seiner Politik der Abriegelung des Gaza-Streifens in Kairo einen neuen Partner, der die alte Politik Mubaraks fortsetzte.
Die Hamas hingegen fand sich in einer bis dahin ungekannten Isolation wieder. Beflügelt durch die engen Kontakte zur nunmehr gestürzten Regierung der Muslimbrüder riskierten die Islamisten in Gaza den Bruch mit ihren traditionellen Alliierten: Iran und der Regierung Bashar Al-Assads.
Durch ihre konfessionelle Parteinahme im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten der Allianz sunnitischer Staaten, welche die Rebellen gegen Assad unterstützen, verprellte die Hamas ihre langjährigen Gönner. Als Folge der verschlechterten Beziehungen zwischen Assads Regierung und der Führungsriege der Hamas zog der Chef des Politbüros der Hamas, Khaled Meshal, von Damaskus nach Qatar um.
Die Kalkulationen Katars
Das katarische Königshaus war die einzige Monarchie am Golf, welche sowohl die ägyptischen Muslimbrüder, wie auch die Hamas im Gaza-Streifen massiv finanziell unterstützte. Ohne die Finanzspritzen aus Doha hätte Mursis Regierung im Jahr ihrer Amtszeit die laufenden Kosten nicht mehr bezahlen können. Die Machthaber des Kleinstaates Katar sahen im Aufstieg der Muslimbrüder keine Bedrohung für die eigene Macht wie die anderen Konigshäuser am Golf, sondern eine strategische Chance um den eigenen außenpolitischen Einfluss zu weiten.
Auch die Herrscher in Gaza profitierten enorm von diesem Kalkül: Nach dem Schlagabtausch zwischen Israel und der Hamas im November 2012 finanzierte Katar großzügig Wiederaufbauprojekte im Gaza-Streifen. Wenige Wochen zuvor verlieh der katarische Emir Hamad bin Khalifa al Thani den Islamisten im Gaza-Streifen einen unerwarteten Publicity-Erfolg: Er war das erste ausländische Staatsoberhaupt, welches die isolierte Enklave am Mittelmeer besuchte.
Hamas: Isoliert und pleite
Heute steht Katar mit dieser Position nahezu isoliert da. Seit dem Sturz Mohamed Morsis in Ägypten kam Katar von den benachbarten Golfstaaten zunehmend unter Druck seine Parteinahme für die Muslimbrüder aufzugeben. Und ebenso wie die ägyptische Militärregierung sehen die Regierungen der Golfstaaten in der Hamas lediglich einen ideologischen Ableger der Muslimbrüder. Mittlerweile scheint Katar seine strategischen Positionen gegenüber den Muslimbrüdern und der Hamas zu überdenken; weitere Finanzhilfen an die Hamas blieben bisher aus.
Diese neue Isolation der Hamas verschlechterte im vergangenen Jahr die ohnehin prekäre wirtschaftliche Lage im Gaza-Streifen noch einmal zusätzlich. Durch die Zerstörung der Schmuggel-Tunnel nach Ägypten verschärfte sich die Warenknappheit, die Preise stiegen. Auch die Hamas selbst geriet in eine finanzielle Klemme: Die Gehaltszahlungen von 40.000 Mitarbeitern mussten aufgeschoben werden. Zudem kommt auch noch die Stromknappheit: Schon seit Monaten lebt die Bevölkerung Gazas mit lediglich 8 Stunden Strom im täglichen Durchschnitt - eine Ausnahme sind die hochrangigen Mitglieder der Hamas, welche in der Regel eigene Generatoren besitzen.
Druck vom dschihadistischen Rand
Die wirtschaftliche Misere im Gaza-Streifen gab der wachsenden Unzufriedenheit mit der autoritären Hamas-Herrschaft neuen Auftrieb. Bereits in den letzten Jahren bildeten sich am radikalen Rand der Organisation salafistische und dschihadistische Gruppen, denen die Position der Hamas noch viel zu moderat ist.
Selbst temporäre Waffenstillstände mit Israel sind in den Augen der islamistischen Hardliner inakzeptabel. Immer häufiger fand sich die Hamas im Konflikt mit diesen radikalen Splittergruppen, welche trotz des im November 2012 ausgehandelten Waffenstillstandes Raketen auf den jüdischen Staat abfeuerten.
Wachsendem innenpolitischen Druck ausgesetzt und außenpolitisch isoliert, erschien die im Mai ausgerufene palästinensische Einheitsregierung zwischen Fatah und Hamas zunächst als bemerkenswerter Erfolg für die Islamisten. Doch der Schein hielt nicht lange. Früh wurde klar, dass die Hamas nicht bereit war die Autorität von Mahmoud Abbas auch in Gaza anzuerkennen. Ebenso wenig war die Palästinensische Autonmiebehörde gewillt, Gehaltszahlungen auch an Hamas-Mitglieder nach Gaza zu überweisen.
Keiner reisst sich um die Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas
Diese anhaltende Isolation der Hamas erschwert in diesen Tagen die Bemühungen externer Vermittler einen Waffenstillstand auszuhandeln. Zwar laufen auch in diesen Tagen, ebenso wie im November 2012, die Kontaktdrähte in der ägyptischen Hauptstadt zusammen. Am Mittwoch ist eine israelische Delegation nach Kairo gereist.
Auch ein Verhandlungsteam der Palästinensischen Autonomieebehörde um deren Präsident Mahmoud Abbas ist vor Ort. Am vergangenen Freitag reiste dieser dann zu Gesprächen mit dem türkischen Regierungschef Erdogan in die Türkei weiter. Laut Quellen der israelischen Tageszeitung Haaretz bevorzugt Israel die Vermittlung aus Ägypten gegenüber einer Mittlerrolle der Türkei oder Qatar.
"Sisi" und "Bibi": funktionierendes Arbeitsverhältnis
Auch wenn die offiziellen Kontakte zwischen den Ländern kühl bleiben und Israelis seit dem Sturz Mubaraks in Ägypten nicht mehr auf die benachbarte Sinai-Halbinsel in Urlaub fahren, herrscht zwischen Netanyahus Regierung und As-Sisis Regierung in wesentlichen regionalen Fragen ein hohes Maß an Übereinstimmung. Eine Schwächung der Hamas entspricht der Agenda beider Seiten.
Laut der Zeitung Haaretz telefonierten die beiden Staatschef am 12.07 miteinander, um über die Eskalation in Gaza zu sprechen. Bereits im Juni habe Netanyahu mit Sisi telefoniert, um diesem zu seinem Wahlsieg zu gratulieren, so Haaretz. Auch zwischen den Geheimdiensten beider Länder herrscht ein hohes Maß an Kooperation, vor allem hinsichtlich der Sicherheitslage auf dem Sinai.
Der Hamas bleiben nur die Türkei und Katar
Mit der Hamas hingegen bestehen laut der selben Quelle kaum noch Arbeitskontakte der ägyptischen Geheimdienste. Dies spiegelt sich in der Tatsache wieder, dass keine Hamas-Delegation nach Kairo reiste. Vor Ort befinde sich lediglich ein Vertreter der Organisation, welcher ohnehin in Kairo wohnt, Moussa Abu Marzouk. Mit dem in Katar wohnhaften Chef des Politbüros der Hamas, Khaled Meshal, sprach PA-Chef Mahmoud Abbas lediglich am Telefon.
Meshal stehe einer ägyptischen Mittlerrolle skeptisch gegenüber, so Haaretz. Laut der Zeitung bevorzuge er Waffenstillstandsverhandlungen unter der Regie von Qatar und der Türkei - beides Länder mit deren Staatschefs er freundliche Beziehungen unterhält. Israels Beziehungen zu diesen beiden Ländern sind in den letzten Jahren hingegen merklich angespannter geworden. Die Beziehungen zu Katar - welche nie offiziell waren, sondern sich auf inoffizielle geheimdienstliche Kontakte beschränkten - haben sich deutlich verschlechtert, seitdem der Golfstaat Hamas-Chef Khaled Meshal beherbergt.
Erdogan setzt auf scharfe Worte
Auch die Beziehungen zur Türkei haben sich seit dem Mavi Marmara-Vorfall im Juni 2010 nicht wirklich erholt. Damals starben 9 türkische Staatsbürger an Bord des Bootes Mavi Marmara, als dieses bei dem Versuch die israelische See-Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen von der israelischen Marine geentert wurde.
In den vergangenen Tagen machte sich der türkische Premier Erdogan vor allem mit scharfer Rhetorik gegen Israel bemerkbar. In einer Rede vor Parlamentariern seiner Partei AKP beschuldigte er Israel "systematischer Verbrechen und Staatsterror seit 1948" gegen das palästinensische Volk. Einzig die Türkei sei in der Lage sich Israel entgegen zu stellen, so Erdogan in der selben Rede. Bereits Wochen zuvor beleidigte der türkische Premier nach dem Bergbauunglück in Soma einen Demonstranten mit den Worten "israelische Brut."
In der Nacht auf Donnerstag attackierten türkische Demonstranten das israelische Konsulat in Istanbul und die Botschaft in Ankara. Laut Angaben dort ansässiger israelischer Diplomaten griffen die anwesenden Sicherheitskräfte nicht wesentlich ein, um den Angriff zu verhindern. Israel reduzierte daraufhin sein diplomatisches Personal in seinen Vertretungen in der Türkei.
Der israelisch-palästinensische Konflikt steht nicht mehr im Zentrum
Am Freitag trat der türkische Präsident Abdullah Gül mit dem Fatah-Chef Mahmoud Abbas vor die Kameras. Ihre öffentliche Forderung: Erst wenn Israel die Kampfhandlungen in Gaza einstellt, könne mit der Ausarbeitung eines Waffenstillstandes begonnen werden.
Für Israel wird diese Forderung nicht tragbar sein, so die meisten Beobachter. Nach der Ablehnung des ägyptischen Waffenstillstandsangebotes seitens der Hamas, fühle sich Netanyahus Regierung legitimiert die Offensive zu verschärfen.
So bleibt davon auszugehen, dass Israel bis zu einem erfolgreichen Abschluß der Waffenstillstandsverhandlungen versuchen wird, so viel militärische Infrastruktur der Hamas wie möglich zu zerstören, um die Organisation über Jahre zu schwächen.
Darüberhinaus sagt der Mangel an Vermittlern im aktuellen Konflikt zwischen Israel und der Hamas auch noch etwas anderes über die Tendenzen in der Region aus: Während in Syrien und im Irak große Flächenstaaten zu zerfallen drohen, ist der israelisch-palästinensische Konflikt für die meisten Machthaber der Region zu einem marginalen Szenario geworden.