Verschobene Relationen

Zum Jahrestag des Beschlusses, den Transrapid nicht zu bauen

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Am 27. März 2008 beschlossen der Bund, Bayern und die Industriepartner, den Transrapid nicht zu bauen. Erst wenige Tage zuvor hatte die Industrie angekündigt, den geplanten Preis von 1 850 Mio. Euro nicht halten zu können; vielmehr würden Kosten von über 3 000 Mio. Euro entstehen.

Die Süddeutsche rechnete damals vor, mit dem bayerischen Anteil an den prognostizierten Kosten, d.h. 463 Mio. Euro, könnte man 18.500 Polizeiautos, 6.600 Lehrerjahre, 2.300 Mal die Grundausstattung für den Ganztagsbetrieb an einer Schule oder 2.650 km sanierte Straße finanzieren. Die Liste enthält auch die interessante Informationen, dass die Bayerische Staatsbibliothek ein Jahresbudget von ca. 10 Mio. Euro für den Büchererwerb hat, während die Staatstheater mit jährlich 100 Mio. Euro subventioniert werden, wozu noch 54 Mio. für die privaten Theater kommen (Süddeutsche: „Zusammen ist das ein Drittel der geplanten Transrapid-Ausgaben. Angesichts dessen ist klar: Gerade kleine Spielstätten könnten mit ein wenig mehr Geld kulturell viel bewegen.“)

Staatliche Rekapitalisierung von Banken (ohne Garantien) im Verhältnis zu den Kosten des Transrapid zum Münchner Flughafen

Der Transrapid ist nun ein Jahr passé. Heutige Nachrichten sehen anders aus. Opel will Staatsbürgschaften von 3,3 Mrd. Euro, zum größten Teil vom Bund, und die zu Transrapidzeiten so knauserige SPD will sie dem Unternehmen auch geben. Dabei handelt es sich, betrachtet man die Größenordnungen des „Rettungspakets“, um eine eher mäßige Summe.

Das „Rettungspaket“ von letzten Oktober ist angeblich kein verschenktes Geld, die Banken sollen die Hilfen zurückzahlen. Hoffen wir mal das Beste, denn immerhin wurden 500 000 Mio. Euro bereitgestellt; die Liste der bisher profitierenden Banken lässt sich hier abrufen.

Das „Konjunkturpaket I“ brachte ein neues Programm für die KfW zur Kreditversorgung der Wirtschaft mit maximal 15 000 Mio. Euro, 3 000 Mio. Euro für Infrastrukturprogramme strukturschwacher Kommunen und 2 000 Mio. Euro für Verkehrsprojekte. Das „Konjunkturpaket II“ enthält neben Steuer- und Beitragssenkungen auch Mittel für direkte Investionen: 17 300 Mio. Euro sollen für Schulen, Universitäten, Verkehrswege und Breitbandtechnologie ausgegeben werden. Zudem wurde ein breiterer Schutzschirm für Unternehmen aufgespannt, sprich, die Mittel für Inlandsdarlehen wurden von 25 000 Mio. auf 100 000 Mio. Euro erhöht.

Zurück zum Transrapid. Der hauptsächliche Grund für die Kostenexplosion des Transrapids, den man Anfang 2008 angab, waren die stark erhöhten Preise für Stahl, Aluminium und Kupfer. Doch Kupfer brach seitdem von 9.000 $/t auf heute 4.000 $/t ein, Aluminium fiel von ca. 3.000 $/t auf die Hälfte, Stahl verbilligte sich um ca. 40%. Würde man heute die Kosten des Transrapids erneut einer Überprüfung unterziehen, dürfte dabei wohl eher ein Wert herauskommen, der näher bei der ursprünglichen Schätzung liegt.

Anstelle des Transrapids sollte eine „Express-S-Bahn“ die Verbindung zum Flughafen herstellen, die, so kündigten die Transrapid-Gegner an, noch 2009 fahren würde. Verwundert es wirklich jemand, dass dies nur ein Scheinargument war? Diese „Express“-S-Bahn hätte die Fahrzeit von 40 auf 30 Minuten verringert und sollte dafür eine bereits vorhandene Trasse nutzen. Nun stellte die Stadt München fest, dass der Lärmschutz nicht gewährleistet und zudem die Bahnübergänge bereits jetzt überlastet seien; Unterstützung erhielt sie dabei vom CSU-Bundestagsabgeordneten Singhammer, durch dessen Wahlkreis die Trasse führt.

Kurzum: Es bleibt alles beim alten. Es ist keinerlei Lösung in Sicht, wie jemals eine vernünftige Anbindung des Flughafen Münchens an die öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet werden soll. Schon als der Transrapid in der Kritik stand, war klar, dass es vor allem um Anwohnerbelange ging, und nicht etwa um die Kosten; dass S-Bahnen genauso viel oder mehr Krach machen würden, wurde damals argumentatorisch ignoriert.

Als die Münchner U-Bahn vor ein paar Jahrzehnten gebaut wurde, gab es erheblichen Widerstand, und es wurden Horrorszenarien von pausenlos wackelnden Einrichtungsgegenständen an die Wand gemalt. Doch die U-Bahn wurde trotzdem gebaut, und ihr Erfolg gibt ihr Recht. Ob sich heute noch Politiker finden lassen würden, die so weitschauend planen, anstatt den neuesten Entwicklungen hinterherzuhecheln?