Verschwendungsökonomie
Seite 2: Gier, Sexualität und Hunger nach Luxus
- Verschwendungsökonomie
- Gier, Sexualität und Hunger nach Luxus
- Die alte Verschwendungsklasse und die protestantische Ethik
- Verschwendung heute
- Etwas Multikulti-Luxus
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Lange Zeit war die Wirtschaft (Landwirtschaft und Bergbau) der vorkapitalistischen Zeit eine ziemlich armselige, aber sehr stabile Angelegenheit. Eine Minderheit (der Adel) nutzte die große Mehrheit (Bauern) schamlos aus, brutale Raubzüge gab es häufig und der Klerus war beim Ausbeuten der Landbevölkerung natürlich umfassend dabei. Mit den mittelalterlichen Städten entwickelte sich aus Handwerkern und Kaufleuten dann langsam eine Art Mittelschicht zwischen dem Adel (und Klerus) und den Bauern: das Bürgertum. Wenn Bürger durch Handel (etwa Schafwolle, Bekleidung) wohlhabend wurden, übernahmen sie eilfertig den Lebensstil des Adels, oft kaufte man sich Adelstitel oder heiratete mit Geld in adelige Kreise ein.
War der Luxus jenes Adels bislang das Bauen von Burgen und dann Schlössern, wurde im Gefolge der Troubadoure und der Renaissance die offene Sexualität, "das Illegitimitätsprinzip der Liebe"1 entdeckt, die Frauenrollen der Kurtisanen und Mätressen entwickelten sich umfänglich. Genau hier liegt der Ausgangspunkt des Kapitalismus, so Sombart.
Mit der unverhohlen offenen Sexualität als Ausdruck von Vergnügen, Genuss, Maßlosigkeit, Sinnesfreude, Exzess und bewunderter Angeberei entstand auch das Bedürfnis nach luxuriöser Ausgestaltung eines solchen ausschweifenden Lebens. Der langsam in Gang kommende Fernhandel brachte neue, seltene und teure Waren nach Europa: kostbare Stoffe, Möbel, Geschirr, Juwelen und Bijouterie, Gewürze, später Zucker, Kaffee, Tee und Kakao. Adel und wohlhabendes Bürgertum waren erpicht auf diese neuen, exquisiten und das Leben angenehmer machenden Dinge.
Die Vergnügungen, Ausschweifungen und Maßlosigkeiten des Adels, des Klerus und der Großbürger, nun selbst oft Grundherren und Financiers, waren teuer und natürlich lasterhaft; sie konzentrierten sich in großen Städten und in der Folge kam es dort dann zur Gründung von weiteren Unterhaltungsgelegenheiten wie Hotels, Restaurants, Ballhäusern, Bädern, sowie natürlich von Handelsbetrieben, die diese Oberschicht mit den gewünschten Luxuswaren versorgten. Im Hintergrund der Handelsbetriebe blühten Fernhandel und lokale Gewerbebetriebe, die Luxuswaren herstellten - betrieben von Großbürgern, die damit ihr Kapital mehrten.
Das ist die eine Antriebskraft des Kapitalismus gewesen, der zweite große Anschub kommt dann von den Armeen und den Kriegen, die eine großgewerbliche bzw. industrielle Versorgungsstruktur (Uniformen, Waffen, Nahrung usw.) benötigen.
Luxus und Verschwendung ließen sich damals natürlich auch sozial rechtfertigen. "Luxus muß sein. Wenn die Reichen nicht viel verschwenden, werden die Armen verhungern.", so Montesquieu, oder Mandeville: "Luxus diente, Millionen Arme zu erhalten."2 Verschwendung als eine luxuriös und teuer finanzierte Umverteilung zu den Armen oder heute in die Dritte Welt, sozusagen.