Verschwendungsökonomie

Seite 3: Die alte Verschwendungsklasse und die protestantische Ethik

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"Diese [reiche] Klasse bestimmt im großen und ganzen, welche Lebensweise die Gesellschaft als wohlanständig und ehrenvoll anerkennen soll", resümiert Thorstein Veblen seine Ausführungen zur wohlhabenden und tonangebenden Leisure Class in den USA Ende des 19. Jahrhunderts.3 Sie treibt mit Müßiggang und demonstrativen Luxuskonsum eine Verschwendungsspirale an, deren Sinn darin besteht, den anderen die eigene Hochwertigkeit und Exklusivität ins Gesicht zu drücken.

Luxus und Veredlung des eigenen Lebensstils demonstrieren nicht nur den arbeitenden Klassen ihre Minderwertigkeit, Verachtung der anderen durch eigene Verfeinerung, das gilt auch in der eigenen Oberklasse als Differenzierungs- und Aufmerksamkeitsmerkmal: Luxuskonsum als subtile Aggression gewissermaßen. Dazu kommt ein interessanter sozialer Mechanismus. Menschen orientieren sich immer an "oben", die Formen des Lebensstils und des Konsums der Reichen tropfen langsam nach unten und werden mehr oder weniger rasch, zum "normalen" Lebensstandard einer Gesellschaft.

Max Webers Protestantische Bescheidenheitsethik ist eine von ihm eher falsch verstandene Erscheinungsform des Wohlstands der Großbourgeoisie gewesen. Natürlich hatten die Großbürger im Europa des 19. Jahrhunderts ihre herrschaftlichen Villen, genug Bedienstete, luxuriöse Ausstattung der Wohnung und auch,was Essen und Trinken anlangt, ging ihnen wohl nichts ab. Beim demonstrativen Konsum als Selbstzweck und Demütigungsform der anderen, also bei den früheren adeligen und großbürgerlichen Ausschweifungen und öffentlichen Exzessen, gab es hingegen Zurückhaltung, das war ein Feld des Understatements. Sexuelle Lust und Manierismen, Exzesse und Konkubinen wurden nicht mehr offen präsentiert, sondern eher abgeschirmt gepflegt.

Nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Natürlich gab und gibt es immer wieder Typen - die persönliche triebstrukturelle Ökonomie hat da eine gewisse Bandbreite -, welche die eigenen Energien nicht in Ausschweifungen entspannen, sondern ihre Aggression und den Lustgewinn in finanziellen Erfolg oder politische Macht sublimieren, da trifft dann Webers protestantische Ethik tatsächlich ins Schwarze. Die Sparsamkeitsethik, der Geiz - an sich eine abweichende und neurotische Lebensweise - wird dabei zu einer Klassennorm festgeschraubt.