Verschwörung gegen Verschwörungstheoretiker
Kennedy-Attentatsforscher Robert Groden gewinnt Rechtsstreit gegen 6th Floor Museum
Wenn am 26. Oktober 2017, wie vor 25 Jahren angekündigt, die letzten noch gesperrten Akten zum Kennedy-Attentat freigegeben werden, wird der hartnäckigste sogenannte Verschwörungstheoretiker zum Jahrhundertmord fehlen: Rechtsanwalt Mark Lane, der bereits Wochen nach den Schüssen von Dallas auf die Ungereimtheiten vehement hinwies und noch 2011 mit einem neuen Buch aufwartete, verstarb im Mai letzen Jahres. Doch ein weiterer prominenter Skeptiker des Warren-Reports hat gute Chancen, die mögliche Auflösung des Kennedy-Puzzles zu erleben: Robert Groden.
Groden war in den 1960er Jahren als Fototechniker auf die Vergrößerung von den damals bei Amateuren verbreiteten 8 mm-Filmen zur Verwendung auf der Leinwand spezialisiert. In dieser Eigenschaft bekam er 1969 Zugriff auf einen Amateurfilm des Schneiders Abraham Zapruder, der 1963 die Schüsse von Dallas auf Zelluloid gebannt hatte. Das LIFE-Magazin hatte den Streifen gekauft, jedoch nur einzelne Fotos daraus veröffentlicht und den Film ansonsten in den Tresor gelegt. Der Warren-Kommission war gerade einmal ein Schwarz-Weiß-Abzug zur Verfügung gestellt worden. Sicher war es nur ein Zufall, dass der Herausgeber ein sehr enger Freund des Ex-CIA-Chefs Allen Dulles war, der die Warren-Kommission dominierte.
Als der ohnehin skeptische Groden das Material sah, erkannte er, dass der tödliche Schuss von vorne gekommen sein musste. Groden zog sich heimlich eine Kopie und offenbarte sie einer Gruppe von anderen Forschern zum Kennedy-Mord. Er gab außerdem 1975 Expertise vor der Rockefeller-Kommission zur Untersuchung der CIA-Aktivitäten, einer aus ultrakonservativen Hardlinern zusammengestellten Kommission, welcher ausgerechnet der Kennedy-Rivale Nelson Rockefeller vorsaß. Der nach Watergate zum Vizepräsident aufgerückte Millionär hatte einst heimlich die von seinem Freund Allen Dulles geleiteten CIA Programme wie MK Ultra finanziert und profitierte weltweit von Schürfrechten, die Dulles politisch ermöglichte.
Groden präsentierte der US-amerikanischen Öffentlichkeit den bis dahin unter Verschluss gehaltenen Film 1975 in der populären TV-Sendung Good Night America. Das hierdurch befeuerte öffentliche Interesse an einer brauchbaren Untersuchung des Kennedy-Attentats führte 1976 zu einem weiteren Ausschuss zur Untersuchung der Attentate an den Kennedy-Brüdern und Martin Luther King, dem United States House of Representatives Select Committee on Assassinations (HSCA). Die von viel Streit und erstaunlichen Beweisverlusten begleitete Untersuchung stützte im wesentlichen die von Allen Dulles stammende Theorie von der magischen Kugel eines Alleintäters Oswald.
Berater von Oliver Stone
Groden wirkte 1991 als Berater an Oliver Stones Klassiker JFK mit, wo man ihn auch mit der Komparsenrolle eines behandelnden Arztes im Parkland-Krankenhaus besetzte. Die breite Reaktion der Öffentlichkeit führte zur Einsetzung eines weiteren Komitees, dem Assassination Records Review Board. In ihrem Abschlussbericht übten die Mitglieder Kritik an den früheren Untersuchungen und insbesondere der Rolle der CIA. Zwar beendete das Komitee das unumstößliche Dogma der Alleintätertheorie, blieb jedoch konkrete Antworten schuldig. Manche folgten der bequemen, aber kaum überzeugenden These, die mit den Kennedys verfeindete US-Mafia hätte den in vor allem in den Südstaaten und im Establishment verhassten Kennedy auf dem Gewissen.
Seit zwei Jahrzehnten zieht Groden im Gedenken an den toten Präsidenten auf der Dealey Plaza ein Kreuz an dem Punkt nach, an welchem JFK der tödlichen Schuss traf. Die hiervon ungehaltenen Behörden sperrten einst sogar die gesamte Straße, um das "X" zu entfernen, doch Groden ließ sich nicht beirren. Am Grashügel auf der Daley-Plaza, wo manche die tatsächlichen Schützen vermuten, betreibt Groden einen Stand, um Passanten seine Version des mysteriösen Anschlags zu erzählen. Damit konkurrierte er jedoch insbesondere mit dem 6th Floor Museum, einer Einrichtung im angeblichen Sniper's Nest des angeblichen Kennedy-Schützen. Deren Version verspottet Groden als "die offizielle Fiktion".
Abenteuerlich begründete 80 Verwarnungen
Der Wettstreit um die Wahrheit zwischen dem Museum und dem "Verschwörungstheoretiker" brachte Groden über 80 Verwarnungen der Stadt Dallas ein. Stets waren die Vorwürfe abenteuerlich begründet, etwa mit Verkehrsgefährdung. Zweimal wurde Groden verhaftet, u.a. wegen dem Verkauf eines Magazins - im Mutterland der fundamentalen Meinungsfreiheit ein bemerkenswerter Vorgang. Auch die Homeland Security versuchte vergeblich, Groden einzuschüchtern. Im Rahmen eines Berufungsprozesses tauchten E-Mails zwischen dem Museum und der Dallas-Polizei auf, in welchen man darüber sinnierte, wie man dem Problem begegnen könne.
Eine Verschwörung gegen einen Verschwörungstheoretiker war Groden dann doch ein bisschen viel. Daher drehte er den Spieß um und verklagte die Stadt und das Museum wegen Verletzung des 1st Ammendments, dem Zusatzartikel zur US-Verfassung, welcher die Meinungsfreiheit garantiert. Letzte Woche wurde das Verfahren aus Kostengründen mit einem Vergleich beendet. Groden lässt keinen Zweifel daran, seine Mahnwache solange fortzuführen, bis die Wahrheit endlich ans Licht käme.
Da man weiß, welche Dokumente noch gesperrt sind, wird sich im Oktober die Überraschung in Grenzen halten.