Verschwörungstheorien zum 11. September

Zur Soziologie des Verschwörungsdenkens

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"Der 11. September 2001 dürfte ein Tag sein, über den noch am Ende dieses Jahrhunderts gesprochen wird" (S. 7), schrieb der Journalist Cordt Schnibben im Vorwort zu dem Buch "11. September - Geschichte des Terrors", das er gemeinsam mit Stefan Aust, dem damaligen Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, herausgegeben hatte (Schnibben und Aust 2002). Die meisten Menschen, die Zeitzeugen der Anschläge wurden, würden diese Einschätzung wohl teilen. Zweifellos hat es in den letzten Jahrzehnten nur wenige Ereignisse gegeben, die ein ähnlich hohes Maß an globaler Aufmerksamkeit erzielten wie die Terroranschläge auf die New Yorker Twin Towers und das Pentagon in Washington am 11. September 2001. Auch nach über zehn Jahren wirken die Bilder der Einschläge der beiden Passagiermaschinen in die Zwillingstürme des World Trade Centers in eigentümlicher Weise bizarr und schockierend und haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt.

Bild: nps.gov

Schon kurz nach den Anschlägen des 11. September wurde das Ereignis zum Gegenstand intensiver kontroverser Debatten über mögliche Drahtzieher, Hintergründe und den Wahrheitsgehalt der öffentlichen Berichterstattung. Die deutschen Leitmedien teilten dabei im Wesentlichen die offizielle Darstellung der damaligen und auch der heutigen US-Regierung, nach der die Anschläge vor allem aufgrund diverser Koordinations- und Kommunikationsprobleme zwischen verschiedenen US-Behörden nicht verhindert werden konnten. Besonders dem FBI und der CIA seien im Vorfeld schwere Fehler unterlaufen, Befehle seien unklar formuliert worden, Informationsmangel habe zu falschen Entscheidungen geführt.

Auch wenn diese Deutung der Ereignisse seit über zehn Jahren von den etablierten Medien der westlichen Staaten immer wieder reproduziert und ergänzt wird, halten sich in den entsprechenden Gesellschaften dennoch starke Zweifel an dieser Version der Anschläge vom 11. September. Darüber hinaus sind diverse alternative Deutungen entstanden, die in der Regel als "Verschwörungstheorien" bezeichnet werden.

Die damalige US-Regierung scheint sich darüber im Klaren gewesen zu sein, dass die Ereignisse des 11. September in hohem Maße aufklärungs- und deutungsbedürftig waren und in der Bevölkerung schnell diverse Interpretationen des Geschehens entstanden. Schon kurz nach den Anschlägen wurden Attentäter und Drahtzieher benannt, Spuren präsentiert und eine umfassende Deutung vorgelegt. Fast scheint es, als hätte man mit diesem Tempo der Etablierung alternativer Erklärungen der Geschehnisse Vorschub leisten wollen.

Bereits einen Monat nach den Anschlägen betonte der damalige Präsident George W. Bush in seiner Rede vor der Generalversammlung der UNO:

Wir müssen die Wahrheit über den Terror aussprechen. Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die bezwecken, die Schuld von den Terroristen abzulenken.

Die Rede des Präsidenten zeigte allerdings nicht die erhoffte Wirkung, ganz im Gegenteil: Alternative Deutungen der Anschläge des 11. September erlangten in den folgenden Jahren eine enorme Popularität. Dies zeigt sich u. a. in diversen Repräsentativbefragungen zum Thema: So ergab beispielsweise eine Umfrage in den USA aus dem Jahr 2006, dass 40 Prozent der Befragten die offiziellen Darstellungen der Ereignisse anzweifelten.

Bei einer im Jahr 2003 in Deutschland im Auftrag der ZEIT durchgeführten Umfrage gaben nahezu 70 Prozent der Befragten an, sich nicht vollständig über die wahren Hintergründe des 11. September informiert zu fühlen - bei den unter 30-Jährigen waren es sogar 78 Prozent. 19 Prozent hielten es darüber hinaus für möglich, dass die US-Regierung die Terroranschläge vom 11. September selbst in Auftrag gab (vgl. Klöckner 2011, S. 83f.). In einer Befragung aus dem Jahr 2008 lag dieser Anteil sogar noch höher: Hier gaben 23 Prozent an, dass sie glauben, die US-Regierung stecke selbst hinter den Anschlägen (vgl. Anonym 2010).

Die Reaktionen verschiedener überregionaler deutscher Zeitungen auf derartige Vermutungen waren eindeutig: Alle abweichenden Erklärungen zu den Ereignissen des 11. September werden pauschal haltlosen "Verschwörungstheorien" und damit dem Bereich des Irrationalen, Lächerlichen, politisch Bedenklichen oder bisweilen gar Pathologischen zugeordnet. Diese Stoßrichtung wird dabei oftmals schon anhand der Überschriften der entsprechenden Artikel deutlich:

Die Artikel gehen dabei jedoch in der Regel kaum oder gar nicht auf die einzelnen Argumente im Rahmen der alternativen Deutungen ein, sondern beurteilen sie pauschal als "Mythen", "Wahn", "Hirngespinste", "Märchen", "Paranoia" oder "Blödsinn" und bringen sie oft in Zusammenhang mit besonders absurden Verschwörungstheorien aus anderen Diskursfeldern, um sie so zu diskreditieren (vgl. Anton 2011, S. 99-114; Klöckner 2011). Somit löste der 11. September neben dem War on Terrorism von Anfang an auch einen anderen Krieg aus: Einen Krieg um die Wahrheit, um die Bestimmung der Wirklichkeit, um die Anerkennung und Durchsetzung bestimmter Deutungen der Ereignisse.

Bild: Kevinalbania/CC-BY-SA-3.0

Wer ermordete John F. Kennedy wirklich? Wie kam der AIDS-Erreger in die Welt? Gaben demokratische Staaten selbst Terroranschläge in Auftrag? Verschwörungstheorien genießen in der Bevölkerung große Popularität. In den Wissenschaften haben sie bislang jedoch einen eher schlechten Ruf - und den Leitmedien gelten sie als Ausdruck überzogenen politischen Misstrauens oder gar kollektiver Paranoia der Staatsbürger.

Die Soziologen Andreas Anton, Michael Schetsche und Michael K. Walter haben nun einen Sammelband vorgelegt, dessen fünfzehn Beiträge aus ganz verschiedenen Perspektiven erläutern, wie solche Bewertungsunterschiede zustande kommen und woraus der anhaltende Erfolg von Verschwörungsdenken in der Öffentlichkeit resultiert. Die wissenschaftliche Klärung der Hintergründe, Strukturen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Verschwörungstheorien führt, für einige vielleicht überraschend, nicht zu einer weiteren pauschalen Verdammung des "konspirologischen" Denkens. Im Gegenteil scheint es ganz so, als wären Verschwörungstheorien ein wichtiges Element der Meinungsbildung in demokratischen Gesellschaften - und ein unverzichtbares Gegengewicht zu amtlichen Verlautbarungen und dem Deutungsmonopol der Massen- und Leitmedien.

Der Text von Andreas Anton wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Springer VS Verlags in leicht gekürzter Form dem eben erschienen Buch entnommen:

Konspiration. Soziologie des Verschwörungsdenkens, Hrsg. Andreas Anton, Michael Schetsche, Michael K. Walter,Wiesbaden: Springer VS Verlag, Oktober 2013

Wenn man das Verhältnis zwischen den massenmedial scharf kritisierten "Verschwörungstheorien" und den dort als fraglos "real" bezeichneten Verschwörungen näher untersuchen will, eignet sich das Beispiel 11. September besonders gut, weil sowohl die offizielle Deutung der Ereignisse als auch alternative Interpretationen von einer Verschwörung ausgehen: Im ersten Fall von einer Verschwörung der islamistisch-dschihadistischen Organisation Al-Qaida unter maßgeblicher Führung von Osama bin Laden, im anderen Fall von einem verschworenen Kreis ranghoher Personen aus Politik, Geheimdiensten und Militär in den USA.

Damit hören die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Erklärungen der Ereignisse doch beinahe auch schon auf. Das konsensuelle Wissen, d. h. die Schnittmenge geteilter Vorstellungen zwischen der offiziellen Version und den alternativen Deutungen, ist erstaunlich gering. Wie zu zeigen sein wird, bestehen zu nahezu allen Einzelfragen der genauen Abläufe der Ereignisse völlig unterschiedliche Auffassungen.

Mannigfaltige Wirklichkeiten: Theorien zum 11. September

Der 11. September kann als eines der ersten global bedeutsamen Großereignisse beschrieben werden, die von Anfang an intensiv innerhalb des neuen Mediums Internet kommuniziert wurden und dort gleichsam eine Art "Gegenöffentlichkeit" erzeugten. Bereits am Tag der Geschehnisse fanden sich erste Spekulationen über mögliche Hintergründe der Anschläge auf diversen Homepages und Foren im Internet. Diese intensive netzbasierte Kommunikation über die Ereignisse hat in der Folgezeit zu einer unüberschaubaren Menge an Informationen geführt, die für manchen Beobachter überhaupt erst den Nährboden für die Entwicklung der entsprechenden heterodoxen Verschwörungstheorien bildeten.

Auch wenn die im Internet und bald auch in Form von Printmedien verbreiteten alternativen Deutungen der Anschläge hochgradig heterogen sind, kristallisieren sich bei näherem Hinsehen, neben der offiziellen Erklärung, im Wesentlichen zwei größere Interpretationsstränge heraus. Die unterschiedlichen Deutungen der Anschläge des 11. September lassen sich also grob in drei Varianten untergliedern, die als Surprise-Theorie, LIHOP-Theorie (Let It Happen On Purpose) und MIHOP-Theorie (Make It Happen On Purpose) bezeichnet werden (vgl. Ganser 2006).

Die Surprise-Theorie: Diese Deutung der Ereignisse entspricht der offiziellen Erklärung der Bush-Administration und den Schlussfolgerungen des Abschlussberichtes der Untersuchungskommission zum 11. September (Kean 2004) und geht davon aus, dass die US-Geheimdienste von den Terroranschlägen "überrascht" wurden und sie daher nicht verhindern konnten.

Die Terrorangriffe sind hiernach das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Verschwörung der islamistischen Organisation Al-Qaida unter Führung von Osama bin Laden und Chalid Scheich Mohammed. Die Motivation für die Anschläge sei dabei ein tief sitzender Hass der Verschwörer auf die westliche Welt und vor allem auf die USA gewesen:

Die westliche Welt sahen sie zerfressen von Geldgier, von Sex, von Egoismus. Die islamische Welt sahen sie als Oase des Glaubens und der Kultur, bedroht von Amerika, ausgehungert vom Westen, gedemütigt seit Jahrzehnten.

Schnibben 2002, S. 10

Vor allem die Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien im Zuge des Zweiten Golfkrieges (1990-1991) der USA gegen den Irak und der Operation Restore Hope in Somalia hätten Osama bin Laden und die Al-Qaida-Führung radikalisiert. Diese militärischen Operationen der USA und der Vereinten Nationen seien von der Al-Qaida als eine Art "christlicher Kreuzzug" gegen den Islam gedeutet worden, den es zu bekämpfen gelte. Nach langer Vorbereitung, so die offizielle Version der Ereignisse, haben am 11. September schließlich 19 islamistische Selbstmordattentäter der Al-Qaida vier Passagiermaschinen gewaltsam unter ihre Kontrolle gebracht. Zuvor hatten die Attentäter teilweise Flugschulen in den USA besucht, um zu lernen, wie man ein Flugzeug lenkt.

Zwei der entführten Maschinen wurden von den Terroristen in die Türme des World Trade Centers gelenkt. Die Beschädigungen in den Zwillingstürmen sind nach der Wucht der Einschläge und der Schwächung der Stahlträger durch die anschließenden Kerosinbrände derart stark gewesen, dass die Gebäude kollabierten. Das dritte Flugzeug wurde in den Außenflügel des Pentagons gelenkt, das vierte stürzte bei Shanksville im Bundesstaat Pennsylvania ab, nachdem mehrere Geiseln die Terroristen im Flugzeug angegriffen hatten. Am Tag der Anschläge führten diverse Fehlentscheidungen und Pannen bei der Luftabwehr sowie unklare Befehle und Informationsmangel zu falschen Entscheidungen.

Im Vorfeld sind den US-Geheimdiensten, besonders dem FBI und der CIA, grobe Fehler unterlaufen. Gerüchte über drohende Anschläge waren zwar bekannt, doch die entsprechenden Informationen wurden nicht richtig zusammengetragen. Diverse Aktivitäten der Terroristen zur Vorbereitung der Anschläge wurden ignoriert oder falsch behandelt. Demnach habe letztlich ein Versagen der Geheimdienste und der US-amerikanischen Flugabwehr die Anschläge am 11. September möglich gemacht (vgl. Klöckner 2011, S. 24).

Die LIHOP-Theorie: Diese These hat mit der offiziellen Erklärung der Ereignisse gemein, dass sie hinter den Anschlägen eine Verschwörung islamistischer Terroristen unter der Führung von Osama bin Laden sieht. Im Unterschied zur Surprise-Theorie wird hier jedoch davon ausgegangen, dass die US-Geheimdienste von den Vorbereitungen zu den Anschlägen wussten, aber in gezielter Weise nichts gegen sie unternahmen:

Im krassen Gegensatz zur Surprise-Theorie behauptet die LIHOP-Theorie jedoch, dass Personen innerhalb der US-Regierung die Angriffe bewusst zuließen, um in der Lage zu sein, eine Reihe von Kriegen zu beginnen, die bereits zuvor geplant waren.

Ganser 2006, S. 2

Skrupellose Personen innerhalb der Regierung hätten dabei Teile der Behörden manipuliert bzw. instrumentalisiert, um so dafür zu sorgen, dass die Anschläge am 11. September nicht verhindert werden und damit hinterher eine Rechtfertigung für diverse unpopuläre innen- und außenpolitische Maßnahmen zur Sicherung der globalen Vormachtstellung der USA zu erhalten (vgl. Klöckner 2011, S. 24).

Die MIHOP-Theorie: Im Gegensatz zur LIHOP-Theorie geht diese Variante der Deutungen der Anschläge des 11. September von einer aktiven Mitwirkung verschworener Kreise innerhalb der US-Regierung, der Geheimdienste und des Pentagons an den Angriffen des 11. September aus. Hierbei handelt es sich gewissermaßen um ein Worst-Case-Szenario:

Nicht Al-Qaida hat sich gegen die USA verschworen, sondern eine korrupte und kriminelle Machtclique innerhalb des Herrschaftsapparates des eigenen Landes hat die Anschläge auf das World Trade Center inszeniert.

Klöckner 2011, S. 24

Die Attentäter sind hiernach über Mittelsmänner (bzw. CIA-Agenten, die Al-Qaida unterwanderten) beauftragt worden, die Anschläge durchzuführen. Hierfür seien Kontakte der US-Geheimdienste zu Netzwerken islamistischer Kämpfer genutzt worden, die zur Zeit des Krieges zwischen Afghanistan und der Sowjetunion (1979-1989) von den USA gezielt mit Waffen und Geld unterstützt wurden. Radikale Varianten der MIHOP-Theorie behaupten gar, dass die entführten Flugzeuge am 11. September in Wahrheit nicht von Terroristen gelenkt, sondern auf elektronischem Wege von außen in das World Trade Center und das Pentagon gesteuert worden seien.

Die Streitpunkte

Einige Publikationen zum 11. September, in denen alternative Deutungen der Ereignisse entwickelt werden, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Detailarbeit aus. So werden von den entsprechenden Autoren in einer bisweilen erstaunlichen Akribie nahezu jeder Einzelaspekt, jede Lücke der offiziellen Darstellung, jede noch so irrelevant erscheinende Kleinigkeit kritisch beleuchtet und auf Plausibilität geprüft. Hierbei lassen sich einige zentrale Themenblöcke herauskristallisieren, die den Kern der Kontroverse bilden:

Der Einsturz der Zwillingstürme und des WTC 7: Einige Vertreter der heterodoxen verschwörungstheoretischen Deutungen des 11. September gehen davon aus, dass die Zwillingstürme des World Trade Center und das sogenannte WTC 71 nicht infolge der Beschädigungen durch die Flugzeugeinschläge und der anschließenden Kerosinbrände einstürzten, sondern durch gezielte Sprengungen kontrolliert zerstört wurden. Indizien, die für die Sprengungsthese sprächen, seien u. a. Berichte von Augenzeugen, nach denen kurz vor dem Zusammensturz im Innern der Gebäude Explosionen zu hören gewesen seien, oder der Umstand, dass sich die durch die Einschläge verursachten Feuer kaum ausgebreitet hätten und ihre Intensität nicht ausgereicht hätte, um die Gebäude ernsthaft zu destabilisieren.

Vor allem der Einsturz des Nebengebäudes WTC 7, so die Kritiker, sei nicht plausibel, da das Gebäude kaum beschädigt worden sei. Offizielle Untersuchungen entgegnen, dass herabfallende Trümmerteile einer der beiden Zwillingstürme das WTC 7 stark beschädigten und Brände auslösten, was insgesamt zu einer massiven Schwächung der Gebäudestruktur und schließlich zum Kollaps geführt habe. Im offiziellen Untersuchungsbericht, dem 9/11 Commission Report (Kean 2004), wird der Einsturz des WTC 7 jedoch nicht erwähnt.

Die Flugzeugentführer: Bereits am 14. September 2001 erschien die erste Täterliste des FBI mit den Namen der 19 mutmaßlichen Flugzeugentführer. Kurze Zeit später kursierten erste Gerüchte, nach denen einige der genannten Terroristen noch lebten und nichts mit den Anschlägen zu tun hätten.

Obwohl einige dieser Meldungen nicht überprüft werden konnten, sich als Falschmeldungen oder Namensverwechslungen herausstellten und laut offiziellen Angaben einige der Täter über DNS-Spuren identifiziert werden konnten, hält die Kontroverse über die Identität der Flugzeugentführer bis heute an. So schreibt etwa Bröckers (2011), dass die Berichte über die DNS-Identifizierung einiger Terroristen "allesamt zweifelhaft" (S. 74) seien und diverse Ungereimtheiten in Bezug auf die Passagierlisten dafür sprächen, "dass die veröffentlichten Listen der Hijacker von Anfang an manipuliert waren" (S. 77).

Vorwissen der Geheimdienste: Vor allem Vertreter der LIHOP-Theorie vertreten die Ansicht, dass die US-Regierung und die CIA im Vorfeld der Anschläge von dem Vorhaben der Terroristen erfahren, bewusst aber nichts dagegen unternommen und gar das FBI bei Ermittlungen blockiert hätten:

Inzwischen wurde bekannt, daß die Administration vor dem 11.9.2001 Beamten des FBI untersagt hatte, die Terror-Verbindungen der Bin-Laden-Familie näher zu untersuchen.

von Bülow 2003, S. 30

Nur so hätten die Terroristen, die angeblich vorher teilweise schon von den Geheimdiensten beobachtet wurden, ohne Probleme in die USA einreisen und sich dort frei bewegen können. Diverse Warnungen von ausländischen Geheimdiensten seien systematisch ignoriert worden.

Kein Flugzeug traf das Pentagon: Die These, dass das Pentagon am 11. September in Wahrheit nicht von einem Flugzeug, sondern womöglich von einer Cruise Missile oder Ähnlichem getroffen wurde, ist auch unter Anhängern der heterodoxen Verschwörungstheorien zum 11. September höchst umstritten. Verfechter der These argumentieren, dass die Schäden am Pentagon zu geringfügig seien, als dass sie von dem Aufprall einer Boing 757 herrühren könnten. Darüber hinaus seien auf den Fotos der Einschlagstelle keine Trümmerteile des Flugzeuges zu erkennen (vgl. etwa Meyssan 2003).

Im Commission Report (Kean 2004) hingegen wird argumentiert, dass die Maschine von der Wucht des Aufpralls nahezu vollständig zerfetzt worden sei, dennoch seien einige größere Flugzeugtrümmer und der Flugschreiber geborgen worden. Ein Großteil der Opfer, so die offizielle Darstellung, sei durch DNS-Spuren identifiziert worden.

Das fehlende Flugzeug: Hierbei geht es um den Absturz des Fluges UA 93 bei Shanksville, das laut der offiziellen Version der Ereignisse nach einem Handgemenge mit eingreifenden Passagieren von den Terroristen zum Absturz gebracht wurde. Vertreter alternativer Deutungen verweisen, ähnlich wie bei dem Flugzeug, das das Pentagon traf, darauf, dass auf den entsprechenden Fotos keine Trümmerteile zu sehen seien. Ferner kursieren Gerüchte, dass die Maschine von einem Militärjet abgeschossen wurde, was jedoch von offizieller Seite zurückgewiesen wird. Es habe zwar tatsächlich einen Abschussbefehl für Flug UA 93 gegeben, dieser sei aber erst weitergeleitet worden, nachdem das Flugzeug bereits abgestürzt war.

Die verzögerte Flugabwehr: Laut dem Bericht der 9/11 Commission (Kean 2004) hätten eine Reihe von Kommunikationspannen, zu lange Befehlsketten und nicht auf derartige Ereignisse ausgerichtete Handbücher dazu geführt, dass die Nationale Luftabwehr (NORAD) nicht dazu in der Lage war, rechtzeitig Kampfjets in die Luft zu schicken, um die entführten Maschinen abzufangen.

Diese Erklärung wird von vielen Vertretern der heterodoxen Verschwörungstheorien zum 11. September abgelehnt. Sie verweisen darauf, dass die "Pannen" der Flugabwehr ein derartiges Ausmaß hätten, dass ein unglücklicher Zufall höchst unwahrscheinlich sei. Die Verzögerungen der Reaktionen von NORAD könnten letztlich auf eine einzige Person zurückgeführt werden, wie etwa der Journalist Paul Schreyer argumentiert:

Falls die Anschläge am 11. September absichtlich zugelassen wurden, wäre Colonel Marr wahrscheinlich eine Schlüsselfigur unter den mutmaßlichen Helfern der Verschwörer. Er nutzte seine Position als Kommandant der Luftverteidigung für den nordöstlichen Sektor der USA an diesem Morgen jedenfalls vor allem dafür, die Reaktion seiner Behörde zu verzögern - zwar unauffällig, doch wirkungsvoll.

Schreyer 2011, S. 67f.

Hintergründe und Spekulationen über mögliche Motive

Den alternativen Deutungen zum 11. September ist gemein, dass sie die alleinige Täterschaft der Al-Qaida unter dem Kommando von Osama bin Laden bezweifeln und eine mehr oder minder ausgeprägte Mitverantwortung der US-Administration und -Geheimdienste an den Anschlägen vermuten. Dabei stellt sich natürlich die Frage, mit welcher Motivation die Verdächtigten ein derart grausames Verbrechen wie die Anschläge des 11. September zulassen oder gar selbst inszenieren könnten.

Viele Vertreter alternativer Deutungen zu den Ereignissen betten ihre Argumentationen in weitreichende historische und geopolitische Überlegungen ein, um mögliche Motive für die von ihnen vermutete Verschwörung zu finden. So schreibt z. B. Ahmed (2002), dass eine Verschwörung hinter den Anschlägen im Sinne der LIHOP-Theorie durchaus einer bestimmten "Logik" folgen würde, die sich seiner Meinung nach wie ein roter Faden durch die US-Amerikanische Außenpolitik zieht:

Man sollte nicht ausschließen, dass die Regierung Bush vor den Anschlägen des 11. September gewarnt worden ist, aber absichtlich nicht reagiert hat, und zwar in der Absicht, einen Vorwand für die Konsolidierung des militärisch-industriellen Komplexes in den USA zu schaffen. […] Aus der Geschichte kennen wir in der Tat genügend andere Beispiele […] von schlüssiger Beweiskraft. Sie zeigen, dass an der Spitze des amerikanischen Militärgeheimdienstes Entscheidungsstrukturen bestehen, die es für moralisch vertretbar halten, das Leben amerikanischer Staatsbürger im Dienste geostrategischer Interessen zu opfern. Dazu gehört dann auch die Provokation oder Erfindung von Angriffen auf Symbole amerikanischer Macht, um damit die Ausübung militärischer Gewalt zu rechtfertigen.

S. 396

Ahmed nennt einige historische Beispiele, die seines Erachtens diesem Muster folgen, wie etwa die Versenkung der Lusitania im Jahr 1915, den Angriff auf Pearl Harbor 1941, die Operation Northwoods (1962) und den Tonkin-Zwischenfall im Jahr 1964. Diese Beispiele zeigten, "dass viele der Kriege, in die die USA verwickelt waren, entweder mit Hilfe von Provokationen oder durch erfundene Angriffe auf Symbole amerikanischer Macht gerechtfertigt wurden" (S. 421). Im Falle des 11. September, so Ahmed, gebe es gute Gründe für die Annahme, dass den Terrorangriffen "dasselbe Handlungsmuster zugrunde liegt" (S. 422).

Auch der ehemalige Staatssekretär Andreas von Bülow (2003) stellt seine Thesen zum 11. September in den Kontext von Annahmen über geheime verdeckte Operationen westlicher Geheim- bzw. Nachrichtendienste und geht von einer gewissen Kontinuität derartiger Planungen und Aktionen aus:

Wer das Treiben der amerikanischen, aber auch israelischen Geheimdienste seit Ende des Zweiten Weltkrieges, also über mehr als sechs Jahrzehnte, verfolgt, der wird auch an verdeckte Geheimdienstoperationen als Mittel der psychologischen Kriegsführung und Beeinflussung der Massen denken müssen. Betrachtet man den ganzen Komplex unter diesem Blickwinkel, zeigt sich, daß viele der Puzzlesteine, die nicht in das von der Bush-Regierung beschworene Bild eines muslimischen Selbstmordattentates passen, plötzlich doch "passen", wenn man sich zwei Bilder vorstellt - das Bild einer Haupttat und das einer zur Ablenkung in Szene gesetzten "getürkten" Tat.

S. 10

An anderer Stelle erläutert Bülow die Motivation, die seiner Meinung nach hinter den Anschlägen gestanden haben könnte:

Doch die Pläne, lange vor dem 11.09.2001 von maßgeblichen Vertretern der amerikanischen Administration diskutiert und schriftlich niedergelegt, handeln weniger von den Sorgen über mangelnde Demokratie in Nahost. Sie zielen auf die Sicherung eines Jahrhunderts globaler amerikanischer Weltherrschaft, die Eindämmung der Milliardenvölker Chinas und Indiens, die Verhinderung des Aufstieges konkurrierender Gegenmächte auf dem eurasischen Kontinent und schließlich den Zugriff auf die Lagerstätten des Öls, den knapper werdenden Rohstoff von strategischer Bedeutung, und die damit verbundene Finanzmacht. Die Bush-Administration nutzte die Ereignisse des 11.09., ohne auch nur einen Moment zu zögern, um diese schon vorab formulierte Politik im Zuge des Kampfes gegen den internationalen Terror durchzusetzen und rechtfertigen zu können.

S. 8

Schreyer (2011) geht davon aus, dass es hinter den Anschlägen des 11. September möglicherweise eine Regierungsverschwörung gab (S. 7). Er bringt die Ereignisse in einen Zusammenhang mit zwei großangelegten Strategieplanungen, da diese seines Erachtens Hinweise auf die Motive für eine Regierungsverschwörung liefern könnten: Zum einen den in den 1980er Jahren entwickelten Plan Continuity of Government (COG) und zum anderen das Project for the New American Century (PNAC).

Ersterer sollte sicherstellen, dass die USA auch nach einem möglichen Angriff durch die Sowjetunion handlungs- und arbeitsfähig bleiben. Im Ernstfall sollten mehrere Teams an verschiedene geheime Orte im Land geschickt werden, um von dort aus Regierungsaufgaben zu übernehmen. Jedes dieser Teams war dabei autonom und konnte selbstständig agieren. Besonders problematisch sei an diesem Plan, so Schreyer, dass er im Notfall die Verfassung außer Kraft setze (vgl. S. 98-101).

Die Umsetzung des Notfallplans wurde in den 1980er Jahren mehrfach geprobt. Donald Rumsfeld, der während der Anschläge am 11. September Verteidigungsminister war und Richard ("Dick") Cheney, zur gleichen Zeit Vizepräsident, sollen mehrfach an solchen Übungen teilgenommen haben. Schreyer schreibt hierzu:

Es musste ein erhebendes Gefühl für die beiden Männer sein, diesem ausgewählten Kreis potentieller Staatenlenker anzugehören. Im Fall einer wie auch immer gearteten Katastrophe läge das Schicksal der Nation in ihrer Hand.

S. 101

Nach der Ernennung George W. Bushs zum Präsidenten soll Cheney den COG-Plan weiterentwickelt und ausgebaut und dabei Antiterror- und Katastrophenschutzmaßnahmen mit der nationalen Energiepolitik verbunden haben

Diese Verknüpfung nahm die Politik nach 9/11 vorweg, welche darin bestand, auf der Grundlage eines Terroranschlages die Macht der Exekutive auszuweiten, Krieg zu führen, und dabei energiepolitisch wichtige Regionen der Welt unter Kontrolle zu bringen.

Schreyer S. 105

Am 11. September schließlich sei der COG-Plan zum ersten Mal seit seinem Bestehen ausgelöst und eine Art "Schattenregierung" aktiviert worden, die im Geheimen arbeitet. Der USA PATRIOT Act, der unmittelbar nach den Anschlägen beschlossen wurde, sei in ähnlicher Weise bereits ein Teil des COG-Plans in den 1980er Jahren gewesen. Über die Frage, ob der COG-Plan immer noch aktiv ist und welche Anweisungen in seinem Rahmen gegeben wurden, ist laut Schleyer nur wenig bekannt. Man müsse sich jedoch die Frage stellen, ob ein Zirkel "um Cheney, Rumsfeld und einige Gleichgesinnte den 11. September für eine Art "stillen Staatsstreich" benutzt" hätten (S. 108).

Bei dem Project for the New American Century (PNAC) handelte es sich um eine Ende der 1990er Jahre initiierte neokonservative Denkfabrik, zu deren Mitgliedern, neben Donald Rumsfeld und Richard Cheney, auch Paul Wolfowitz (unter Bush stellvertretender Verteidigungsminister und später Chef der Weltbank) sowie Richard Perle (zu Bushs Amtszeit Vorsitzender des Defense Policy Board Advisory Committee, eines beratenden Ausschusses für das Verteidigungsministerium) gehörten. Das erklärte Ziel des PNAC bestand darin, die globale politische und militärische Vorherrschaft der USA zu sichern und auszuweiten.

In einem Papier des PNAC aus dem Jahr 2000 (Donelly 2000) mit dem Titel Rebuilding America's Defense - Strategy, Forces and Resources for a New Century wird eine drastische Erhöhung der Militärausgaben der USA gefordert, um die US-Streitkräfte zu einer global dominierenden Militärmacht auszubauen. Das Papier thematisiert dabei auch innen- und außenpolitischen Widerstand, der bei der Umsetzung dieser Strategie zu erwarten sei, wenn nicht "ein neues Pearl Harbor die Dinge beschleunige" (Schreyer 2011, S. 103). Wörtlich heißt es in dem Papier:

Further, the process of transformation, even if it brings revolutionary change, is likely to be a long one, absent some catastrophic and catalyzing event - like a new Pearl Harbor.

Donelly 2000, S. 51

Nach dem 11. September sind die Rüstungsausgaben der USA um ein Vielfaches gestiegen. Die Anschläge von New York und Washington waren also in der Tat ein solcher "Katalysator", um die weitreichende Transformation des Militärs in Gang zu bringen. Ob die Anschläge dabei tatsächlich ein Überraschungsangriff waren oder im Sinne der LIHOP- oder MIHOP-Theorie zu deuten sind, lässt Schreyer offen. Fest steht für ihn jedoch, dass er es den Mitgliedern des PNAC, die nach der Amtsübernahme George W. Bushs im Januar 2001 wichtige Regierungspositionen besetzten, ermöglichte, weite Teile ihrer im Vorfeld erarbeiteten Strategien umzusetzen. Etwas deutlicher wird Bröckers (2003), der im Zusammenhang mit dem PNAC fragt:

Fragt sich nur, wie weit diejenigen, die sich ihn [gemeint ist der Plan des PNAC-Papiers, A. A.] ausgedacht haben, auch für das Fanal des 11.9. verantwortlich sind, das den notwendigen und willkommenen Anlass für den globalen Eroberungskrieg lieferte, der mit dem Bombardement Afghanistans dann wenige Wochen später begann.

S. 251

Ein weiterer Aspekt, der in Bezug auf die möglichen Motive der "Verschwörer" innerhalb der alternativen Deutungen zum 11. September immer wieder diskutiert wird, besteht in den vielfältigen Verbindungen der Mitglieder der Regierung Bush zu diversen Öl- und Rüstungskonzernen. So war beispielsweise Richard Cheney von 1995 bis 2000 Vorstandsvorsitzender des international agierenden Konzerns Halliburton, einem Zulieferer diverser Produkte und Dienstleistungen an das US-Militär sowie an Unternehmen in der Erdöl- und Energieindustrie. Der französische Journalist Eric Laurent (2003) schreibt über Cheneys Zeit bei diesem Unternehmen:

Um die Karriere von Dick Cheney zu verstehen, muss man verstehen, was Halliburton ist. Hierbei handelt es sich nicht um ein einzelnes, sondern um mehrere Unternehmen, die in so verschiedenen Bereichen tätig sind wie dem Bau von Öl- und Gaspipelines, von Militärgefängnissen oder der Versorgung der amerikanischen Stützpunkte in Afghanistan, um nur dieses eine Land zu nennen. Sie verhandelt über ihre Tochterunternehmen mit den Regierungen von Ländern, die von der Regierung Bush als "terroristisch" eingestuft wurden, ebenso wie mit anderen, die zu den schlimmsten Diktaturen der Welt zählen. Und das auch zu der Zeit, als Cheney den Vorstandsvorsitz innehatte.

S. 163

Halliburton war nach dem 11. September durch diverse Verträge mit dem Pentagon im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und dem Irak einer der Hauptprofiteure des War on Terrorism (vgl. Rötzer 2003). In den alternativen Deutungen zum 11. September findet dieser Umstand häufig Erwähnung, so heißt es etwa bei Walther (2003):

Vizepräsident Richard Cheney war vor seinem erneuten politischen Engagement einige Jahre lang CEO der Firma Halliburton, des weltweiten Marktführers für den Bau von Pipelines. Cheney gelang es während seiner "Amtszeit" in der freien Wirtschaft, Regierungsaufträge im Wert von 3,5 Milliarden Dollar einzufahren. Der Vizepräsident der USA erhält für seine Dienste auch heute noch jährlich eine Millionen US-Dollar aus der Firmenkasse und Halliburton baut nicht nur die Pipeline durch Afghanistan, sondern hat mit seiner Tochtergesellschaft KBR auch den Auftrag gewonnen, sich um die brennenden Ölquellen im Irak zu kümmern. Was die Firma sicherlich freut, nachdem sie - ebenfalls im Regierungsauftrag - gerade vorher für 33 Millionen Dollar das Al-Quaida-Gefangenenlager in Guantanamo Bay fertiggestellt hatte.

S. 88

Somit wird impliziert, dass neben dem strategischen, auch ein ökonomisches Interesse einiger Mitglieder der Regierung Bush an den militärischen und politischen Gegenmaßnahmen nach dem 11. September bestanden habe, was den alternativen Deutungen der Ereignisse ein höheres Maß an Plausibilität verleihen soll.

In den gleichen Zusammenhang fallen immer wieder erwähnte geschäftliche Beziehungen zwischen den Familien Bush und bin Laden über die Carlyle Group, einer der weltweit größten Private-Equity-Gesellschaften, die unter anderem in Rüstungs- und Luftfahrtunternehmen investiert. Zum Management der Carlyle Group zählten u. a. der ehemalige Präsident George Bush, der frühere Verteidigungsminister und stellvertretende CIA-Direktor Frank Carlucci und James Baker, unter George Bush Außenminister der USA. Die Familie bin Laden soll bei der Carlye Group umfangreiche Investitionen getätigt und somit indirekt von dem War on Terrorism profitiert haben:

Zwischen den Familien Bush und bin Laden scheint es schon seit einiger Zeit finanzielle Verbindungen zu geben. Es sieht so aus, als ob Osama bin Laden nach wie vor Verbindungen zu seiner Familie hat. Und gegen die Mitglieder dieser Familie gab (und gibt) es Ermittlungen wegen finanzieller Unterstützung des Terrorismus, ganz besonders aber wegen finanzieller Hilfe für das angebliche "schwarze Schaf" der Familie. George Bush jr. blockierte vor dem 11. September die Ermittlungen zu den Kontakten der bin Ladens zur Terroristenszene. Außerdem hatten beide Familien von einem Krieg gegen Afghanistan, der durch die Anschläge am 11. September ausgelöst wurde, finanzielle Vorteile zu erwarten. Dies deutet auf seit langem bestehende finanzielle Kontakte, die über die Familie bin Laden laufen und eine Beziehung zwischen Osama bin Laden, der Familie Bush und der gegenwärtigen US-Regierung herstellen.

Ahmed 2002, S. 276f.

Auch wenn die Autoren, die auf diese Zusammenhänge hinweisen, diese oftmals nicht explizit als Motivation für eine mögliche Regierungsverschwörung hinter dem 11. September deuten, können diese doch dazu dienen, Zweifel an der offiziellen Darstellung der Ereignisse zu nähren. Das Herstellen oder implizite Suggerieren derartiger Zusammenhänge ist dabei eine diskursive Strategie, um die alternativen Deutungen zum 11. September zu plausibilisieren und folgt oftmals dem Cui-Bono-Prinzip, also der Frage, wer am meisten von einem Verbrechen profitiert.

Ein häufiges Argument gegen die heterodoxen verschwörungstheoretischen Deutungen des 11. September lautet, dass die US-Regierung niemals ein abscheuliches Verbrechen wie die Anschläge am 11. September dulden oder gar inszenieren würde, um hinterher Legitimationsmöglichkeiten für vorher geplante Gegenmaßnahmen zu erhalten.

Interessant in diesem Kontext ist die Untersuchung des Basler Historikers Daniele Ganser, der sich intensiv mit den geheimen Stay-Behind-Armeen der NATO (auch bekannt unter dem Namen Gladio) zu Zeit des Kalten Krieges beschäftigt hat, die im Falle einer militärischen Invasion der Sowjetunion hinter der Front Guerilla- und Sabotageaktionen durchführen sollten.

Das Gladio-Netzwerk, von dessen Existenz die Öffentlichkeit über Jahrzehnte nichts erfuhr, wird jedoch auch mit mehreren Terroranschlägen in Verbindung gebracht, die in verschiedenen europäischen Ländern verübt wurden. Ganser weist nach, dass Gladio-Einheiten in enger Zusammenarbeit mit der NATO und der CIA vor allem in Italien Terroranschläge gegen die eigene Zivilbevölkerung ausführten, für die man später den politischen Gegner verantwortlich machte:

Die geheimen Armeen, wie die nunmehr zugänglichen sekundären Quellen vermuten lassen, waren an einer ganzen Reihe terroristischer Operationen und Verletzungen der Menschenrechte beteiligt, die sie den Kommunisten in die Schuhe schoben, um die Linke bei Wahlen zu diskreditieren und zu schwächen.

Ganser 2012, S. 22

Vor dem Hintergrund dieser von den Gladio-Netzwerken inszenierten Terroranschläge setzt sich Ganser auch mit der Frage auseinander, wie plausibel es ist, hinter dem 11. September inszenierten Terrorismus zu vermuten. Sein Fazit in dieser Sache:

Die beiden Hauptargumente gegen die Ansicht, dass die Anschläge des 11. September von der US-Regierung und ihrem Militär beeinflusst wurden, entweder in einem LIHOP- oder einem MIHOP-Szenario, waren a-priori-Argumente. Eines davon ist, dass zivilisierte westliche Regierungen im Allgemeinen und die USA im Speziellen niemals eine solch abscheuliche Sache tun würden. Das andere wichtige a-priori-Argument ist, dass, wenn die Anschläge des 11. September von Kräften innerhalb Amerikas eigener Regierung durchgeführt wurden, diese Tatsache nicht für lange Zeit geheim gehalten werden könnte. Die Informationen in diesem Kapitel zeigen, dass beide Argumente bestenfalls zweifelhaft sind.

Ganser 2006, S. 16

Diese kurze Übersicht konnte nur einen kleinen Teil der vielen Gesichtspunkte darstellen, die im Zusammenhang mit den heterodoxen Verschwörungstheorien zum 11. September diskutiert wurden und bis heute diskutiert werden. Sie markiert jedoch zentrale Elemente der Argumentationslinien der Vertreter abweichender Deutungen, wenn es um die Frage nach der Motivation für eine vermutete Regierungsverschwörung geht. Die einzelnen Aspekte werden dabei oftmals "kumuliert", d. h. für viele Vertreter der alternativen Deutungen zum 11. September ergibt sich gleichsam aus der Summe dieser (geo-)politischen Hintergrundinformationen einerseits und darauf basierenden Vermutungen und Antizipationen andererseits eine hinreichend überzeugende Motivlage der mutmaßlichen "Verschwörer".

Fazit: Plädoyer für eine offene Debatte

Der Aufsatz hat versucht, einen Einblick in die "Binnenstruktur" der heterodoxen Verschwörungstheorien zum 11. September 2011 zu geben. Im öffentlichen Diskurs werden die heterodoxen Verschwörungstheorien zu den Ereignissen des 11. September oftmals vorschnell diskreditiert, teilweise gar pathologisiert und mit extremen politischen Haltungen in Verbindung gebracht.

Dieser Ansatz wird aber dem komplexen und - wie die entsprechenden Umfrageergebnisse zeigen - durchaus verbreiteten Phänomen der alternativen Deutungen zum 11. September erstens nicht gerecht und führt zweitens zum Gegenteil dessen, was damit erreicht werden soll: Diese Verschwörungstheorien erhalten verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit und werden für viele Menschen letztlich sogar ideologisch attraktiver. Die pauschale und oberflächliche Weise, mit der in den Leitmedien mit den alternativen Erklärungen zum 11. September umgegangen wird, ist sicher nicht geeignet, deren Anhänger von der Richtigkeit der offiziellen Erklärungen der US-Regierung zu überzeugen.

Doch um eine argumentative Auseinandersetzung mit den alternativen Deutungen scheint es in diesem Kontext auch gar nicht primär zu gehen. Vielmehr handelt es sich nach meinem Verständnis um die Verteidigung einer geltenden Wirklichkeitsordnung gegen Angriffe von "Wirklichkeitshäretikern", mithin um die Durchsetzung und Stabilisierung von Deutungshoheit, die zur Not auch ohne eine mühsame Auseinandersetzung mit einzelnen Pro- und Contra-Argumenten auskommt. Eine solche Auseinandersetzung findet in Bezug auf die Verschwörungstheorien zum 11. September eher im Internet statt, unterliegt aber auch dort in großen Teilen den üblichen wissenssoziologisch beschriebenen Mechanismen, die an den Reibungszonen zwischen orthodoxen und heterodoxen Wissensbestimmungen zum Tragen kommen. D. h. auch und vor allem in der "freien Sphäre" des Internet finden Kämpfe zwischen allgemein anerkanntem und abweichendem Wissen in Bezug auf die Ereignisse des 11. September statt, die sich oftmals weit entfernt von einer sachlichen Auseinandersetzung bewegen und vielmehr die Durchsetzung einer bestimmten Deutung zum Ziel haben.

Die wohl wichtigste Funktion von Verschwörungstheorien (hier: im allgemeinsten Sinne) besteht darin, für Ereignisse oder Prozesse, von denen Menschen sich irritiert fühlen, eine Deutung zu finden, die eine möglichst reibungsfreie Integration in bestehende Weltbilder und Sinnstrukturen ermöglicht. Die Terroranschläge des 11. September 2001 waren und sind für viele Menschen in höchstem Maße irritierend, beängstigend, ja verstörend - und deshalb in hohem Maße deutungsbedürftig. Damit ließe sich auch die Frage beantworten, warum der 11. September derart viele, teilweise höchst populäre alternative Erklärungen bzw. Lesarten generierte: Offenbar lässt sich die offizielle Version der Ereignisse nicht in die bestehenden Sinn- und Wirklichkeitskonstruktionen vieler Menschen (die oftmals lediglich aus einem Beharren auf dem sog. "gesunden Menschenverstand" bestehen) einbetten, weshalb es zu einer Art "Sinnlücke" oder kognitiven Dissonanz kommt, die mithilfe der Annahme einer Verschwörung überwunden wird.

Umgekehrt befriedigt die offizielle Version der Ereignisse das Deutungsbedürfnis all jener, denen die offiziellen Erklärungen vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Weltbilder bzw. Sinnkonstruktionen plausibel erscheinen. Man macht es sich deshalb zu einfach, wenn man vornehmlich radikale politische Ideologien (sei es aus dem "linken" oder "rechten" Spektrum) als Ursache für die Entstehung und Verbreitung regierungskritischer Verschwörungstheorien zum 11. September identifiziert. Auch die immer wiederkehrenden Hinweise auf die vermeintliche "Irrationalität" abweichender verschwörungstheoretischer Deutungen greifen hier zu kurz: Eine Beschäftigung mit den Argumenten der Vertreter heterodoxer Verschwörungstheorien zum 11. September zeigt, dass zumindest einige der alternativen Szenarien in Punkto Rationalität und "interner Plausibilität" den regierungsamtlichen Erklärungen nicht nachstehen.

Das hier vorgestellte Fallbeispiel verdeutlicht einmal mehr, dass Verschwörungstheorien nur im Zusammenhang mit realen Verschwörungen zu verstehen sind: Die dargelegten historischen bzw. geopolitischen Hintergründe und Spekulationen über mögliche Motive der mutmaßlichen "Verschwörer", die im Kontext der heterodoxen Verschwörungstheorien zum 11. September diskutiert werden, weisen auf eine wichtige Quelle der Entstehung entsprechender Deutungen hin: Die Tatsache, dass es in der Vergangenheit immer wieder reale Verschwörungen von Regierungen und Geheimdiensten gab, die teilweise erschreckende Ausmaße annahmen und bei denen - wie etwa im Falle der Terroranschläge der Gladio-Truppen - in manchen Fällen auch vor Gräueltaten gegen die eigene Zivilbevölkerung nicht zurückgeschreckt wurde.

Vor diesem Hintergrund erscheint es politisch durchaus legitim (vielleicht sogar geboten), bei Ereignissen wie dem 11. September eine kritische Grundhaltung gegenüber regierungsamtlichen Erklärungen einzunehmen und alternative Deutungsangebote auf deren Plausibilität hin zu prüfen. Dass in diesem Kontext auch Vertreter extremer politischer Ideologien versuchen, entsprechende Argumente für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, ist ein Umstand, der nicht zur Delegitimierung abweichender Meinungen im Allgemeinen missbraucht werden darf.

So lange es offene Gesellschaften gibt, wird es immer dominierende und abweichende Wirklichkeitsbestimmungen und Kämpfe um Deutungsmacht geben. Gerade diese Kämpfe sind es aber, die einen erheblichen Teil der dynamischen Entwicklung des Wissens innerhalb von Gesellschaften ausmachen. Eine Überwindung der Kluft zwischen dominierenden und abweichenden Wissensformen käme einer gleichgeschalteten Gesellschaft gleich. Dies kann sicher nicht das Ziel einer demokratischen Öffentlichkeit sein.

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