Versiegelte Flächen, verdichtete Böden: Wohin mit dem Wasser?
Wie sind Überflutungen künftig zu vermeiden? Neben der Renaturierung von Auenlandschaften braucht es eine schonende Bearbeitung der Ackerböden
Dass der extreme Starkregen im Rheinland als Symptom des Klimawandels gedeutet werden kann, darin sind sich die meisten Experten einig. Die Gründe für die verheerenden Überflutungen sind jedoch vor allem in der Asphaltierung und Überbauung von Auen und Flussufern zu suchen. Jahrzehntelang wurden Flüsse begradigt, Deiche errichtet, Häuser bis an Uferränder gebaut. Böden werden asphaltiert - für Straßen, Autobahnen, Gewerbe- und Industriegebiete. Das rächt sich nun im Zuge immer öfter einsetzender sintflutartiger Regenfälle.
Je mehr Böden versiegelt werden, umso schlechter versickert das Wasser, umso mehr bleibt an der Oberfläche. Die zunehmende Flächenversiegelung müsse begrenzt werden, fordert die rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Allerdings wurden bisher kaum praktische Konsequenzen daraus gezogen.
Noch werden täglich bundesweit 56 Hektar Fläche überbaut. Im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie will die Bundesregierung den täglichen Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche bis zum Jahr 2030 auf 30 Hektar begrenzen. Etwas weniger Fläche versiegeln als bisher - ob diese Maßnahmen ausreichen, darf bezweifelt werden.
Mobile Flutschutzwände oder der Bau von immer höheren Hochwasserbecken können nicht die alleinige Lösung sein, erklärt der Hydrologe Bernd Bucher in einem Interview mit der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Denn wenn diese im Katastrophenfall versagen, machen sie die Dinge noch schlimmer. Brechen die Dämme, spülen die Wassermassen alle Siedlungen unterhalb der Bebauung einfach weg. Anstatt Bäche in Rohre zu zwängen und die Flussufer zu versiegeln, braucht es natürlich gestaltete Regenrückhaltebecken mit wasserdurchlässigem Untergrund.
Der Grund, warum Erftstadt so heftig von Überflutungen getroffen wurde, liege darin, dass die Erft flussaufwärts kanalisiert wurde. Bei anhaltendem Starkregen gerät der Fluss außer Kontrolle und überflutet den ganzen Ort, während die Ortschaften weiter unten von ufernahen Schutzgebieten, die viel Wasser aufnahmen, profitieren konnten. Ein zusätzliches Problem sind nahe gelegene Tagebaue, bei denen permanent das Grundwasser abgesenkt wird. Läuft hier viel Wasser hinein, muss es wieder herausgepumpt werden, weiß der Experte, der für den Erftverband arbeitet.
Zwar habe der Energiekonzern und Tagebaubetreiber RWE das sogenannte Sümpfungswasser in die Erft geleitet, dieses aber über den Ville-Stollen wieder in den Rhein gepumpt. Beim aktuellen Hochwasser habe dies die Überflutungen der an der Erft liegenden Orte nicht verhindern können. Immerhin sind aufgegebene Tagebaue mit abgeflachten Böschungen dazu geeignet, abfließendes Wasser aufzunehmen.
Manchmal bahnen sich die Flüsse ihren Weg durch tief eingeschnittene Täler ohne natürliche Auslaufflächen. Etwa in der Eifel oder im Bergischen Land. Liegt eine Siedlung ungünstig in einer Flussschleife, dass das Wasser von den gegenüberliegenden Felswänden abprallt und übers gegenüberliegende Ufer gedrückt wird, um sich seinen Weg mit viel Treibgut durch eine angrenzende Siedlung zu bahnen, hilft auch kein technischer Hochwasserschutz. So wie es in Schuld an der Ahr passiert ist. Bis vor wenigen Tagen drohte hier noch ein Hang abzurutschen, weil einige Meter tiefer die Stützmauer durch das Hochwasser komplett weggebrochen ist
Felder unter Wasser
Auch in der Gegend um Ulm erlebten Landwirte Ende Juli, wie Rüben- und Getreideäcker unter Wasser standen - und das mitten in der Getreideernte. Wenn man mit einem normalen Mähdrescher auf ein zu nasses Feld fährt, kann dies den Boden beschädigen, wie ein Landwirt aus Attenhofen dem Bayerischen Rundfunk erklärte. Im schlimmsten Fall bleibt die 20 Tonnen schwere Maschine eben stecken. Stehen die Wurzeln tagelang im Wasser und bekommen keinen Sauerstoff mehr, sterben die Pflanzen irgendwann ab.
Auch die Rübenfelder in der Region stehen komplett unter Wasser. Mit speziellen Raupenmähdreschern wollen die Landwirte in die nassen Felder fahren und retten, was noch übrig ist. Eine Ursache des stehenden Wassers auf den Feldern liegt wohl in der Flächenversiegelung für Straßen oder Gewerbegebiete. Eine andere dürfte in den verdichteten Ackerböden zu suchen sein.
Schwere Maschinen verdichten die Böden
Idealerweise ist ein gesunder Lehmboden bis in tiefe Schichten unterhalb des gepflügten Bereiches porös. Die unzähligen feinen Lücken zwischen den Teilchen machen bei einem fruchtbaren Lössboden gut 45 bis 50 Prozent des Volumens aus. Die gröberen Poren dienen der Durchlüftung und Wasserführung. In ihnen leben zahlreiche Bodenorganismen, auch die Pflanzenwurzeln durchdringen das Bodengefüge: Die Wurzeln der Feldkulturen schieben die lockeren Partikel mühelos beiseite. Innerhalb der letzten 50 Jahre wurden die landwirtschaftlichen Maschinen auf den Äckern immer schwerer.
So müssen Landwirte ihre Felder immer aufwendiger bearbeiten, tiefer pflügen und kräftiger düngen, um gleichbleibend hohe Erträge zu erzielen. Trotz aller Bemühungen wird der Ackerboden immer schlechter und nehmen intensiv bearbeitete Flächen zu wenig Wasser auf. Fällt das Wasser bei Starkregen auf verdichtete Böden, fließt es nur oberflächlich ab und hinterlässt meist starke Erosionsschäden.
Für landwirtschaftlich genutzte Flächen gibt es - ganz im Gegensatz zu Straßen - keinerlei Gewichtsbeschränkungen für Maschinen, und das, obwohl Äcker und Grünland lebenswichtige ökologische Funktionen erfüllen. Moderne Mähdrescher wiegen beladen bis zu 30 Tonnen. Erntemaschinen für Kartoffeln oder Zuckerrüben wiegen 30 bis 50 Tonnen. Werden die Böden mit zu schweren Maschinen befahren, drückt das Gewicht die Partikel nicht nur senkrecht dichter zusammen, wegen der Scherkräfte der fahrenden Räder verschmieren die Teilchen auch waagerecht. Der Schlupf der Antriebsräder und der Pflugscharen knetet die feuchten Böden und streicht die Poren zu, sodass sich die homogene Struktur immer weiter verdichtet.
Beim Befahren des Ackers hinterlassen Landmaschinen tiefe Furchen, wobei sie den Boden bis weit unterhalb der Ackerkrume verdichten - ausgerechnet jenen Bereich mit seiner humusreichen biologisch aktiven Oberschicht, in der die Bodentiere und Mikroorganismen den Boden fruchtbar machen und durchlüften. Fährt der Schlepper auf frisch umgebrochenem Acker, bieten die gelockerten oberen Schichten weniger Eigenwiderstand als eine Grasnarbe, weshalb frisch gepflügter Acker besonders anfällig ist. Ist der Boden sehr nass, unterbindet das in den Poren stehende Wasser wie ein Schmierfilm den Zusammenhalt der festen Teilchen.
Zustand von Lössböden hat sich verschlechtert
Wie stark ein natürlich lockerer Boden auf das Befahren reagiert, hängt auch von seiner Zusammensetzung ab - ob er sandig, lehmig oder tonig ist, aber auch vom Humusgehalt. Denn Humus und Ton gehen Bindungen ein, sodass sich die Bodenpartikel zu Aggregaten vernetzen. So entsteht ein relativ stabiles Gefüge, das von oben kommende Kräfte in Grenzen elastisch abfängt. Wird ein Acker gepflügt, ist der feste Aggregatverband zerstört, und in einem nassen Boden wird er schwächer. Dann fehlen die Kapillarkräfte, die bei mittlerer Feuchte Spannung erzeugen.
Lehmreiche Böden aus Löss, Mergel und Eiszeitgeschiebe sind für Verdichtung besonders empfindlich. Experten zu Folge hat sich besonders der Zustand tiefgründiger Lössböden in den letzten Jahrzehnten deutlich verschlechtert. Einmal verdichtet, können Schichten unterhalb der Krume durch Bearbeitung beim nächsten Pflügen oder Grubbern nicht mehr aufgelockert werden. Denn an der Krumenbasis entsteht unter der Belastung eine kompakte Pflug- beziehungsweise Schlepperradsohle. Durch wiederholtes Befahren sinkt der Acker langsam ab. So wird der Unterboden schrittweise verdichtet, bis ein Gleichgewicht zwischen den Kräften erreicht ist.
In verdichteten Böden kann das Wasser schlechter versickern
Besonders dann, wenn es an Wasser leitenden Poren fehlt. Und die werden vor allem durch Regenwürmer geschaffen. Zwar wird durch Pflügen die obere Bodenschicht, die Krume, immer wieder gelockert. Doch Erfahrungen zeigen, dass ein Acker nach Tieflockerung beim nächsten Befahren besonders schnell wieder rückverdichtet und sich der Zustand des Bodens eher verschlimmert. Infolgedessen bildet sich nach starkem Regenfall Staunässe in der Krume und stehendes Wasser auf der Oberfläche. Bei Hangneigung fließt das Wasser oberflächlich ab. Selbst in erstklassigen Ackerböden versickert heute nur noch ein Zehntel bis Hundertstel der Wassermenge, die in einen lockeren Waldboden eindringt.
Der fortgeschwemmte Boden verschlammt Wege und Gewässer. Zudem gelangen Nährstoffe und Pflanzenschutzmittel ungefiltert in Bäche und Seen, was zu Algenblüte bis hin zum Fischsterben führen kann. Bei Trockenheit sinkt der Grundwasserspiegel der Bäche und Flüsse in heißen trockenen Monaten eher ab. Für Ackerpflanzen ist dann weniger Wasser verfügbar. Je mehr Wasser im Boden ist, desto geringer ist der Reibungswiderstand zwischen den Bodenpartikeln. Mit zunehmender Feuchtigkeit sinkt auch die Tragfähigkeit des Bodens. Zudem bilden kleine Tonplättchen deutlich feinere und wesentlich mehr Poren als große Sandkörner. Das bedeutet: Nach der gleichen Menge Niederschlag ist ein Sandboden noch befahrbar, ein Tonboden nicht mehr.
Für das Befahren mit Maschinen gilt: Mit sinkender Bearbeitungstiefe und -intensität bleiben die Bodengefüge intakter, sodass die Tragfähigkeit zunimmt. Je größer die Kontaktfläche zwischen Reifen und Boden, umso kleiner ist der Kontaktflächendruck. In der Regel entspricht der Bodendruck in zehn Zentimeter Bodentiefe in etwa dem Reifeninnendruck. Auch nimmt mit steigender Radlast der Kontaktflächendruck und die Tiefenwirkung der Bodenbeanspruchung zu. Ein Fahrzeug mit niedriger Radlast bei optimaler Bereifung ist demzufolge eine bodenschonende Alternative.
Auenlandschaften renaturieren
Weiden- und Wiesenböden mit ganzjährig geschlossener Grasnarbe können wegen ihrer lockeren, aber stabilen Struktur Regen und Schmelzwasser viel leichter aufnehmen als Ackerböden. Leider wurden seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht nur tausende Hektar Grünland umgebrochen, es wurden auch Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche künstlich entwässert. Dadurch gab es zwar in nassen Jahren weniger Ernteverluste, allerdings erfüllten die entwässerten Böden ihre Wasserspeicherfunktion nur unzureichend. Besonders erosionsanfällig sind die Böden einstiger Auenlandschaften, die zu Maisäckern umgepflügt werden, weil das Regenwasser die fruchtbare Krume einfach davon spült. Ähnliches gilt für Hanglagen, auf denen Mais angesät wird. Hier ließe sich durch Untersaaten oder Bewirtschaftung parallel zum Hang die Erosion zumindest etwas verringern.
Auch natürliche Auenlandschaften sind selten geworden: Umfassten die überflutbaren Auenflächen in Deutschland früher zehntausende Hektar, stehen heute zwei Drittel der Altauen bei Hochwasser nicht mehr zur Verfügung. Glaubt man dem Auenzustandsbericht 2021, so wurde mit dem Rückbau der Deiche seit 2009 gerade mal 4.200 Hektar überflutbare Auenflächen zurückgewonnen. Allein in der Renaturierung der Flussauen läge also reichlich Potenzial, um das Wasser wieder in die Böden versickern zu lassen.
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