Verteidigung des alten weißen Mannes
- Verteidigung des alten weißen Mannes
- Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft
- Dem deutschen Kino ist so ein Film in Jahrzehnten nicht geglückt
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Gefangen in Identitätärä: "Monsieur Claude und das große Fest" ist genau das, was Kino und Gesellschaft gerade brauchen - jenseits des Unbehagens aller Gutmenschen.
Er hat es wirklich nicht leicht. Eigentlich möchte Claude Verneuil nur in Ruhe einen Kaffee in seinem Lieblings-Bistro trinken. Doch an jeder Ecke läuft ihm einer seiner im Großen und Ganzen nichtsnutzigen, maulheldenhaften Schwiegersöhne über den Weg. Das wäre für den konservativen Patriarchen Claude schon schlimm genug.
Doch noch viel schlimmer wird alles dadurch – das weiß das Publikum aus den ersten beiden Teilen der Filmreihe um "Monsieur Claude" und seine Töchter –, dass alle vier Schwiegersöhne aus vier jeweils unterschiedlichen kulturellen Milieus stammen, die von der allgemeinen Vorstellung des "klassischen Frankreich" denkbar weit entfernt sind: ein Chinese, ein moslemischer Araber, ein Jude und ein Schwarzafrikaner.
Auch ihre ganzen verschiedenen Feiertage, Zuckerfeste, Opferfeste und Sabbat, die Essgewohnheiten und Diäten, die gewöhnungsbedürftige Kunst einer Tochter, die Klimapredigten der anderen und schließlich die Entscheidung des örtlichen Stadttheaters, dass ausgerechnet sein Schwiegersohn Charles in der nächsten Inszenierung den Jesus spielen soll: ein schwarzer Jesus! Muss das sein?
Was hat er nur dem lieben Gott getan, fragt sich Claude, dass nicht wenigstens einer seiner Schwiegersöhne weiße Hautfarbe hat und katholisch ist?
Unter Druck in der fragmentierten Gegenwart
Mit solchen Fragen nimmt auch "Monsieur Claude und sein großes Fest", der dritte Teil Geschichte von Monsieur Claude und seinen Töchtern jene Perspektive ein, die man heute gern auf die "des alten weißen Mannes" reduziert – die Haltung einer scheinbar weitgehend homogenen Mehrheitsgesellschaft, die in der fragmentierten Gegenwart der "Neuen Unübersichtlichkeit" (Jürgen Habermas) scheinbar an Boden verliert und unter Druck gerät. Der Film erzählt aus deren Perspektive, mit einer gewissen Nachsicht und grundsätzlichem Wohlwollen für sie.
Monsieur Claude und sein großes Fest (9 Bilder)
Claude Verneuil verkörpert das klassische, traditionelle Frankreich, die "France profonde", das spätestens in den 1970er-Jahren zu Ende ging, und das hier nun auf das "moderne Frankreich" trifft: das multikulturelle, bunte, aber auch von diversen gesellschaftlichen Verwerfungen, Orientierungsverlust und dem Clash der Zivilisationen erschütterte Frankreich.
Die Verhältnisse sind seit der Hochzeit der vier Töchter vor acht Jahren (im ersten Film "Monsieur Claude und seine Töchter", 2014) nicht besser geworden; die Integration in die Mehrheitsgesellschaft oder auch nur das parallele Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sind zumindest in diesem Filmuniversum nicht wesentlich vorangekommen.
Das ermöglicht den dritten Teil der Reihe, der vor allem um den bevorstehenden 40. Hochzeitstag von Claude (Christian Clavier) und seiner Frau Marie (Chantal Lauby) kreist, zu dem die vier Töchter eine Überraschungsparty mit der kompletten Familie, also auch den acht Schwiegereltern, geplant haben. Schon bei der Auswahl des Festmenüs kommt es aber zu schweren kulturellen Verwerfungen – dies ist nur der Auftakt zu allgemeinem Chaos und Turbulenzen.
Männer sind Idioten, Frauen altern schlecht
Die Geschichte von Monsieur Claude und seinen Töchtern ist eine Multikulti-Komödie, die ihrer Absicht nach ein Plädoyer für Toleranz ist, gleichzeitig aber auch unverhohlen auf die Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft setzt.
Jeder bekommt hier sein Fett ab: Männer sind Idioten, Frauen altern schlecht. Chinesen sehen alle gleich aus, sind verlogen und lächeln immer, obwohl sie Bosheiten austauschen. Schwarze sehen auch alle gleich aus, leben in Hütten, schwarze Männer sind Machos, die heimlich dann doch von ihrer Frau regiert werden. Schwarze Frauen sind dick. Juden denken ans Geld. Araber denken an Juden. Und moderne Malerei ist unsinniges Geschmiere.
Die politische Pointe dieses Settings liegt darin, dass der Film einigen Aufwand damit betreibt, dem Publikum klarzumachen: Das Denken in Vorurteilen gegen Kultur, Religion, Herkunft und Hautfarbe ist keineswegs ausschließlich Weißen vorbehalten.
Man kann hier zwar dem Film vorwerfen, dass er diese Vorurteile oft mehr bestätigt als entlarvt. Aber in ihrer Gesamtheit haben sie eher die Wirkung, die Familie zu verbinden: Zumindest in der Haltung dem Anderen gegenüber sind sie alle gleich. Und darum ist es auch ein stereotyper Deutscher, Kunsthändler, Wagner-Liebhaber, Porschefahrer und Schürzenjäger, der alle zum Widerstand gegen sich vereint.