Vertrauensverlust in die Berichterstattung
Deutsche misstrauen insbesondere den Printmedien - In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen ist die Skepsis gegenüber der Presse innerhalb eines Jahres um 15,3 Prozent gestiegen
Kann man den Medien trauen? Seit geraumer Zeit ist die "Vertrauensfrage" im Zusammenhang mit der Berichterstattung der großen Medien Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Immer wieder werden Umfragen veröffentlicht (Forsa-Umfrage: 44 Prozent der Befragten sehen eine "Lügenpresse"), die versuchen, quantitativ zu erfassen, welche Ansichten die Menschen in Deutschland zu den Medien haben und ob sie der Berichterstattung Vertrauen schenken. Deutlich wird ein ums andere Mal: Medien und Mediennutzer stehen in einem angespannten Verhältnis zueinander. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien ist, insbesondere für ein Land, in dem es, wie es heißt, freie und unabhängige Medien gibt, die nicht "von oben" gesteuert werden, bemerkenswert gering.
49 Prozent der Deutschen misstrauen nach Daten des Eurobarometers der Presse. Kim Otto und Andreas Köhler, beide von der Universität Würzburg, haben sich nun die Daten der europaweiten Befragung genauer angeschaut. Die beiden Wissenschaftler stellen in ihrem Beitrag für das Europäisches Journalismus-Observatorium (EJO) fest: Gegenüber der Erhebung im Vorjahr, also 2014, bedeute dies einen Anstieg um 4 Prozent.
Nicht anders sieht es beim Radio und Fernsehen aus: 37,5 Prozent der Befragten misstrauen dem Hörfunk, 43,3 Prozent dem Fernsehen. Otto und Köhler heben hervor: "Das ist ein Anstieg von 8,7 Prozentpunkten beim Radio und 6,4 Prozentpunkten beim Fernsehen gegenüber 2014."
Allerdings scheint dieses Misstrauen laut den Daten des Eurobarometers nicht auf alle Teile der Bevölkerung zuzutreffen. Die beiden Spezialisten für Wirtschaftsjournalismus verdeutlichen, dass die Zahlen aus der Umfrage im Jahr 2015 vor allem auf einen Vertrauensverlust in die Medien bei den jüngeren Befragten verweisen. Laut Otto und Köhler misstraue "keine andere Altersgruppe [...] der Presse so stark", wie die Personen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahre.
In dieser Altersgruppe habe sich das Misstrauen gegenüber den Printmedien um 15,3 Prozent gesteigert. 2014 misstrauten der Presse in dieser Altersgruppe noch 47,1 Prozent, 2015 waren es 62,4 Prozent. Die sei auch, so stellen die beiden Wissenschaftler fest, "der größte Anstieg im Vergleich zwischen allen Altersgruppen".
Dass diese Mittzwanziger bis Mittdreißiger ziemlich grundlegend der Medienberichterstattung zu misstrauen scheinen, dafür sprechen auch die Zahlen im Hinblick auf ihr Misstrauen gegenüber dem Rundfunk. "54,3 Prozent der Angehörigen der 25- bis 34-Jährigen misstrauen dem Fernsehen, 49,1 Prozent dem Radio", so Otto und Köhler. Das Misstrauen habe hier im Vergelich zum Jahr 2014 gar um 17,7 Prozent (Radio) bzw. 14,9 Prozent (Fernsehen) zugenommen.
In der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen sei zwar ebenfalls ein weiterer Vertrauensverlust im Vergleich zum Jahr 2014 festzustellen, allerdings falle dieser vergleichsweise geringer aus. Bei den älteren Teilnehmern der Umfrage habe das Eurobarometer auch ein gesteigertes Misstrauen gegenüber den Medien festgestellt, dieses sei jedoch "teilweise erheblich geringer" angestiegen.
Das Geschlecht spielt hingegen kaum eine Rolle. Während bei den Frauen im Vergleich zur Befragung im Vorjahr ein Anstieg des Misstrauens um 6,4 Prozent zu verzeichnen ist, sind es bei den Männer fünf Prozent.
Die Daten aus der Erhebung scheinen darauf zu verweisen, dass das Misstrauen gegenüber den Medien insbesonderen bei denjenigen stärker ausgeprägt ist, die auch den politischen Parteien gegenüber kritisch eingestellt und wirtschaftlich schlecht gestellt sind. "Medienvertrauen", so sagen es Otto und Köhler, "hängt mit dem grundsätzlichen Vertrauen in demokratische Institutionen zusammen", wie es bereits verschiedene Ländervergleichsstudien aufgezeigt hätten. Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass den Parteien als zentralen Institutionen in einer parlamentarischen Demokratie zunehmend stark misstraut werde. 71,4 Prozent der Befragten gaben an, den Parteien zu misstrauen.
Bei jenen Befragten, die den Parteien vertrauen, ist das Misstrauen in die Presse auf einem geringen Niveau und im Jahr 2015 sogar noch einmal gesunken ‒ von 21,2 Prozent im Jahr 2014 um 1,3 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent im Jahr 2015. Misstrauen die Befragten jedoch den Parteien, so ist auch das Misstrauen in die Presse groß und im Jahr 2015 stark angewachsen ‒ um acht Prozentpunkte auf 63 Prozent der Befragten.
Köhler und Otto
Das Eurobarometer zeigte auch auf, dass diejenigen Befragten, die ihre finanzielle Situation als schlecht bewerteten, der Presse zu 70,3 Prozent misstrauen. "Bei jenen", schreiben Otto und Köhler, "die ihre Lage als sehr schlecht beurteilen, sind es sogar 78,9 Prozent." Bei beiden Gruppen sei dies im Vergleich zu 2014 ein Anstieg von 9,3 Prozent. Die beiden Wissenschaftler schlussfolgern, dass persönlich schwierige wirtschaftliche Verhältnisse und ein negativer Blick auf die Parteien eng an das Misstrauen gegenüber den Medien gekoppelt ist.