Verwaltungsgericht Berlin stoppt "Krachmacherstraße"
Anliegerin obsiegt im Eilverfahren gegen Zweckentfremdung
In den letzten Wochen wurde die Gudvanger Straße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg als "Krachmacherstraße" bekannt. Grund dafür war, dass die in diesem Stadtteil sehr zahlreichen Eltern den Verkehrsweg als Erweiterung eines Spielplatzes missbrauchten. Das ging so weit, dass die Straße jeden Dienstag von 10.00 bis 18.00 Uhr für den Verkehr gesperrt wurde - mit Erlaubnis des Bezirksamtes Pankow, das dafür im Mai eine Genehmigung erteilt hatte.
Für die Anwohner - die vom Bezirksamtes nicht gefragt wurden - hatte das mehrere negative Konsequenzen: Der Lärm, der durch die teilweise eigenwillig erzogenen Kinder entstand, überstieg den Straßenverkehrslärm bei weitem. Für Rentner und Home-Office-Arbeiter wurden die Häuser und Wohnungen dadurch dienstags praktisch unbenutzbar. Wer nicht zuhause arbeitete, musste sich in der Umgebung einen Parkplatz suchen. Weil Parkplätze aber schon ohne gesperrte Straßen Mangelware sind, brachte das teilweise erheblichen Zeit- und teilweise auch Kostenmehraufwand mit sich.
Der Lärm und der Mehraufwand bei der Parkplatzsuche haben nun vorläufig ein Ende: Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin entschied gestern in einem Eilverfahren auf die Klage einer Anliegerin hin, dass die Genehmigung der pikanterweise von der Abteilung für Verbraucherschutz [sic], Kultur, Umwelt und Bürgerservice erlaubten Dauerveranstaltung "Temporäres Spielen auf der Straße" in der Gudvanger Straße 16 bis 22 nicht mit dem von der Behörde herangezogenen § 29 Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung gestützt werden kann (Az.: VG 11 L 275.15).
Die regelmäßige Umwandlung der Straße in ein Spielgelände ist nach Auffassung des Gerichts nämlich keine Veranstaltung, für die - wie es in Absatz 2 des § 29 heißt - "Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden". Das liegt unter anderem daran, dass das Spielen von Kindern "weder auf die Benutzung der Straße zu Verkehrszwecken ausgelegt" noch "ein ausnahmsweise zulässiges stationäres Geschehen" ist. Letzteres erfordert nämlich ein "gemeinsames Ziel der Teilnehmer", welches beim "freien Spielen von Kindern" fehlt.
Der Erlaubnisbescheid für die Veranstaltung ist aber auch deshalb rechtswidrig, weil er nicht an die eigentlichen Veranstalter - die Eltern der Kinder, die gar keinen Antrag gestellt hatten - ging, sondern an das Jugendamt, das "das freie Spielen [weder] vorbereitet und organisiert" hat. Hinzu kommt, dass die sofortige Vollziehbarkeit dieses Erlaubnisbescheids nicht ausreichend begründet wurde.
Die Entscheidung schützt die Anwohner zwar vorläufig, ist aber noch nicht rechtskräftig: Legt das Bezirksamt Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein, dann geht das Verfahren weiter. Dass dies geschieht, ist insofern wahrscheinlich, als alle etablierten Parteien hinter dem Prestigeprojekt stehen - auch und besonders die CDU von Ordnungsamtstadtrat Torsten Kühne, den eine Unterschriftenliste gegen den Straßenmissbrauch unbeeindruckt ließ.
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