Verwertungsgesellschaften stoppen Zahlungen an Agenturen und Verlage
Autoren, Fotografen und Grafiker dürfen auf eine Verdoppelung der Ausschüttungen hoffen
Am 12. November entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im belgischen Musterfall Reprobel, dass die von Verwertungsgesellschaften eingezogene Privatkopieabgabe nur Autoren, nicht jedoch Verlagen zusteht (Az.: C-572/13). Ein Gesetz, das eine hälftige Teilung der Einnahmen zwischen Verlagen und Autoren vorsah, werteten die Luxemburger Richter als Verstoß gegen die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Die Verwertungsgesellschaften VG Bild-Kunst und VG Wort haben aus diesem Urteil nun Konsequenzen gezogen.
Die VG Bild-Kunst gab gestern bekannt, dass die Ausschüttungen an rund 1100 Verlage und rund 350 Bildagenturen "auf Vorschlag des Vorstands" ausgesetzt werden - vorerst bis zu nächsten Mitgliederversammlung. Die Beträge werden allerdings nicht gleich an die Autoren ausgezahlt, sondern erst einmal auf einem Sonderkonto "geparkt", bis der Bundesgerichtshof rechtskräftig über eine Klage des Wissenschaftsautors Dr. Martin Vogel gegen die Verwertungsgesellschaft Wort entschieden hat (vgl. Veruntreuen Verwertungsgesellschaften Gelder der Urheber?). Der nächste Verhandlungstermin ist für den 10. März 2016 anberaumt. Der BGH hat jedoch bereits durchblicken lassen, dass er sich an der Entscheidung aus Luxemburg orientieren wird, weshalb man auch bei der VG Bild-Kunst glaubt, dass die derzeitige Ausschüttungspraxis "sehr wahrscheinlich" nicht haltbar ist.
Damit die Verlage und Bildagenturen möglicherweise unberechtigt ausgeschüttete Beträge aus dem Ausschüttungsjahr 2012 nicht mit Verweis auf den Ablauf der Drei-Jahres-Frist behalten, soll zudem die Verjährung möglicher Rückforderungen unterbrochen werden. Dazu werden die Verlage und Agenturen angeschrieben und aufgefordert, bis zum 14. Dezember entweder die für 2012 ausgeschütteten Gelder zurückzahlen oder stattdessen ein Verjährungsverzichtserklärung zu unterzeichnen, die dem Schreiben beiliegt. Reagieren Verlage und Bildagenturen nicht, will die Bild-Kunst "gerichtliche Sicherungsschritte einleiten und Mahnbescheide über die Rückforderungssummen beantragen". Würde sie das nicht machen, dann würden der Verwertungsgesellschaft Regressansprüche von Urhebern drohen.
Wahrscheinlich rechtswidrig an Agenturen und Verlage anstatt an Fotografen und Grafiker ausgeschüttet wurde allerdings nicht erst ab 2012, sondern bereits ab 2001, als die EU-Richtlinie, auf die sich der EuGH beruft, in Kraft trat. Da die Zahlungen damals jedoch nicht unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellt wurden und wahrscheinlich verjährt sind, haben die Fotografen und Grafiker keine Chance, an das Geld heranzukommen. In vielen Fällen geht es dabei um hohe vierstellige Beträge jährlich, die sich in elf Jahren zu hohen fünfstelligen Beträgen summiert haben.
Die VG Wort teilte gestern ebenfalls mit, dass sie die in der Ausschüttung 2012 bedachten Verlage anschreiben und zur vorläufigen Rückzahlung oder zur Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung auffordern wird. Auch hier fließen die aktuell für Verlage vorgesehenen Ausschüttungen auf ein Sonderkonto, auf dem sie liegen bleiben, bis der BGH entschieden hat. Ausgenommen davon sind Theater- und Schulbuchverlage, bei denen man die Rechtslage anders beurteilt.
Wie der Kurd-Laßwitz-Preisträger Tom Hillenbrand in einem sehr lesenswerten Blogeintrag darlegt, arbeiten der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und andere Lobbyisten der Verwerter derzeit eifrig daran, dass das EuGH-Urteil über eine neue EU-Richtline ausgehebelt wird. Bemerkenswerterweise gibt es dagegen keinen Widerstand von den beiden großen Journalistenverbänden:
Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) sagte Hillenbrand auf Anfrage dazu, "mit der bisherigen Praxis in Deutschland" seien die Urheber doch "gut gefahren" und "wenn die Verleger keine Ausschüttungen mehr erzielen würden", dann sei "zu befürchten, dass sie die Ausfälle bei den Urhebern kompensieren würden". Und Cornelia Haß, die Vorsitzende der zur Gewerkschaft Verdi gehörenden Deutsche Journalisten Union (DJU) iRights teilte dem Portal iRights info mit, sie sei "eher nicht der Auffassung, dass sich an [den derzeitigen Ausschüttungs-]Schlüsseln signifikant etwas ändern sollte". Diese Aussage passt zu Äußerungen, die sie in der Vergangenheit gegenüber Telepolis tätigte (vgl. Welche Interessen vertritt Verdi?).
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