Verwüstetes Hamburg: Wer trägt die Schuld?
Bürgermeister Scholz lehnt Rücktritt ab
Vor dem G20-Gipfel in Hamburg hatte der dortige Bürgermeister Olaf Scholz mehrere Äußerungen getätigt, die man inzwischen auf seiner Website nicht mehr findet - aber dafür anderswo: "Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren", "Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus" und "Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist". Dass es solche Leute gibt, ist durchaus möglich - aber wahrscheinlich leben sie häufiger in Heimen für Demente als an anderen Orten.
Einen Rücktritt, den ihm unter anderen Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, und die CDU-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft nahe legten, lehnt Scholz ab. Anders als der Spiegel in einer inzwischen korrigierten "Fake News" meldete, suchte er am Sonntag das Gespräch mit Geschädigten auch nicht direkt an den Tatorten, sondern im Schutz einer Polizeiwache. Danach gab er zu, es sei "nicht gelungen, die Sicherheit der Bürger Hamburgs so zu gewährleisten, 'wie wir uns das vorgestellt'" haben. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte bereits im April vor so einem Szenario gewarnt, was von den in Hamburg regierenden Parteien SPD und Grüne als Panikmache abgetan wurde.
Merkels Mitverantwortung
Dass sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier der Forderung seiner Parteifreunde in der Hamburger Bürgerschaft nicht anschloss und zum Radiosender NDR Info meinte, er könne "keinen Grund für einen Rücktritt" [von Scholz] erkennen, ist insofern wenig verwunderlich, als die Entscheidung für Hamburg als Austragungsort des Gipfels im Konsens zwischen dem Hamburger SPD-Politiker und Altmaiers Vorgesetzter Angela Merkel fiel. Der Kanzleramtsminister räumte ein, dass "die Bundesregierung gemeinsam mit Hamburg alle Schritte geplant und vorbereitet hat".
Das betonte auch der (nicht mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz zu verwechselnde) SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der in einer Stellungnahme die Rolle der Bundeskanzlerin als Einladerin hervorhob. Sein Parteifreund Ralf Stegner machte das ebenfalls und twitterte darüber hinaus: "Wer Nachbarschaften verwüstet und Polizisten angreift, ist nicht links, sondern kriminell". Ein angesichts der Selbsteinschätzungen der betont linksextremistischen Kriminellen sehr freier und ausgesprochen bequemer Umgang mit Definitionen, über den in Sozialen Medien unter Hashtags wie #StegnerLogik ausgiebig gespottet wird.
Noch etwas weiter ging SPD-Außenminister Sigmar Gabriel, der in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag meinte, die vermummten Verbrecher unterschieden sich "überhaupt nicht von Neonazis und deren Brandanschlägen". Nähme man Gabriels Definition ernst, dann hieße das, dass der Linksextremismus von der Bundesregierung zukünftig unter dem Begriff Rechtsextremismus subsumiert und entsprechend bekämpft werden müsste. Ob Gabriel davon Parteifreunde wie Manuela Schwesig, die Linksextremismus für ein "aufgebauschtes Problem" halten, überzeugen kann, erscheint zumindest zweifelhaft.
Kritik rechts und links von Merkel
Rechts von Merkel und Altmaier wollen Politiker aus der Union den Linksextremismus nicht zum Rechtsextremismus umdeuten, sondern das Problem unter dem Namen bekämpfen, den die Täter selbst gewählt haben. Das als potenzieller Nachfolger von Angela Merkel gehandelte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn meinte beispielsweise, "Teile der SPD" seien, "auf dem [linken] Auge völlig blind" und mit dafür verantwortlich, "dass wir […] mit öffentlichen Geldern linksradikale Verbände päppeln".
In diesem Zusammenhang kritisierte Spahn auch die Grünen und die Linkspartei, deren Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht (die selbst schon von Linksextremisten beworfen und in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurde) wiederum auf die Verantwortung der Kanzlerin verweist:
Im Grunde kann die Lehre nur sein, in Zukunft auf solche Show-Veranstaltungen, die sinnlos Steuergeld verschlingen und keine Ergebnisse bringen, ganz zu verzichten. Letztlich hat Frau Merkel die Entscheidung zu verantworten, den Gipfel nach Deutschland und nach Hamburg geholt zu haben, was sich für die Anwohner in den entsprechenden Hamburger Bezirken als Katastrophe erwiesen hat. Offenbar wollte sie schöne Bilder für ihren Wahlkampf haben. Am Ende sind es keinen schönen, sondern ziemlich düstere Bilder geworden.
Besonders düster sind die Bilder für die zahlreichen Geschädigten, darunter sozial schwache alte Damen, denen man die Autos abfackelte (vgl. Kampf den Zwerghasen!). Kostenlose Nahverkehrstickets könnten solche Autohalter angesichts dessen, dass sie sogar die nicht unerheblichen Kosten für die Beseitigung der Wracks selber tragen sollen, durchaus als Verhöhnung empfinden. Weitere Hilfen, die Scholz und Merkel "prüfen" wollen, sind angesichts der sehr weichen Formulierung eher unsicher - vor allem dann, wenn sich die Prüfung über den Bundestagswahltermin am 24. September hinaus verzögern sollte. Manche Flutopfer warteten in der Vergangenheit vergeblich auf Hilfen, die ihnen die Politik in Aussicht gestellt hatte.