Vetternwirtschaft, Zwischenakt

Die bayerischen Abgeordneten und die Beschäftigung naher Familienangehöriger: Auch nach Veröffentlichung der Liste bleiben Fragen offen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Größtmögliche Transparenz" kündigte die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm im Zusammenhang mit der Nepotismus-Affäre der Abgeordneten an. Umgesetzt werden sollte der politische Wille mit der Veröffentlichung einer Liste von Abgeordneten, die von einer Regelung Gebrauch machten, welche die Erstattung von Aufwendungen durch Arbeitsverträge mit Ehegatten oder Verwandten ersten Grades auf Staatskosten trotz einer rechtlichen Änderung weiter ermöglichte. Die Liste wurde verschickt, viele Fragen bleiben offen.

Ungeduldig warteten die Medien heute auf die Veröffentlichung der vollständigen Liste der Abgeordneten, die Verwandte beschäftigten - und dabei auf die sogenannte Altfallregelung zurückgreifen konnten. Die besagt, dass - entgegen der Änderung des Abgeordnetenrechts vom 1.Dezember 2000 - Aufwendungen aus Arbeitsverträgen mit Ehegatten oder Verwandten ersten Grades, bzw. Verschwägerten ersten Grades "weiter erstattungsfähig" sind. Wie versprochen wurde die Liste am Nachmittag verschickt, allerdings hat sie nur einen begrenzten Informationswert gegenüber der vollmundigen Ankündigung größtmöglicher Transparenz.

Zwar enthält sie die Namen von 62 Abgeordneten, die in den Wahlperioden von 1998 bis 2003 und von 2003 bis 2008 ihre Altverträge beendet haben. Dem kann man entnehmen, dass es von 1998 bis 2003 17 CSU-Abgeordnete, 14 SPD-Abgeordnete und ein Fraktionsloser waren, die solche Mitarbieterverträge in dieser Zeit beendeten. Und im Zeitraum von 2003 bis 2008 22 MdLs der CSU, 7 Abgeordnete der SPD und eine aus der Fraktion der Bündnis90/Die Grünen. Die 17 Landtagsabgeordneten, die noch im Jahr 2012 nahe Familienangehörige beschäftigten, und in der vergangenen Woche bekannt wurden, gehören allesamt der CSU-Fraktion an.

Aus der heute veröffentlichten Liste geht nicht hervor, wie viele Verwandte ersten Grades die Abgeordneten beschäftigten, noch, damit zusammenhängend, wie hoch die Aufwandserstattung des Staates in den genannten Fällen ausfiel und auch gibt es darauf keine weitere Erklärung dazu, wie es möglich war, dass nicht wenige Verträge noch bis zu fünf Monate weiter liefen, obwohl die Abgeordneten schon aus dem Landtag ausgeschieden waren.

Das ist zum Beispiel auch der Fall bei der prominentesten Landtagsabgeordneten auf der Liste, bei der SPD-Abgeordneten Reante Schmidt, die dem Landtag von 1994 bis November 2002 angehörte und dann ausschied, weil sie ab Ende Oktober 2002 als Bundesfamilienministerin der Schröderregierung tätig war. Der Altvertrag mit dem (den) verwandten oder ehelichen Mitarbeiter(n) lief noch weiter, "maximal bis Ende April", wie der Presseinformation zu entnehmen ist.

Nach Auskunft der Pressestelle des Landtagsamts erklärt sich die Weiterführung der Verträge um einige Monate mit üblichen Gepflogenheiten, die mit der Sozialverträglichkeit begründet werden.

Und die Beschäftigung von Verwandten zweiten oder dritten Grades?

Angesprochen darauf, wie es denn um Arbeitsverträge bestellt ist, die von Abgeordneten mit Verwandten zweiten oder dritten Grades geschlossen wurde, teilte die Pressestelle mit, dass man darüber nicht Bescheid wisse. Solche Verträge müssten von den MDLs bislang nicht angegeben werden. Das ändere sich erst mit dem neuen Gesetz, das für Mitte Mai als Entwurf vorgelegt wird. Demnach sollen anders als jetzt künftig Verwandte/Verschwägerte bis zum 3.Grad nicht mehr aus der Mitarbeiterentschädigung bezahlt werden dürfen.

Dass es solche Fälle unter bayerischen Landtagsabgeordneten gibt, ist bereits bekannt: Sie betreffen u.a. Justizministerin Beate Merk, die ihrer Schwester Aufträge zuschanzte (vgl. Nepotismusaffäre: Auch SPD, Grüne, Freie Wähler und Justizministerin Merk betroffen).