Viel Lärm um Bush
Große Protestkundgebungen beim Bush-Besuch in Berlin
George W. Bush hat es nicht leicht. Immer mehr offene Briefe richten sich an den US-Präsidenten und geizen nicht mit Kritik und guten Ratschlägen. Nagib Mahfuz hat von Bush einen radikalen Politikwechsel gefordert. Der 90jährige ägyptische Schriftsteller monierte mit ungewohnt deutlichen Worten mehr Gerechtigkeit der USA im Umgang mit anderen Staaten. Bush solle sich ein Vorbild an US-Präsident Woodrow Wilson (1913-1921) nehmen, der seinerzeit maßgeblich an der Einrichtung des Völkerbunds 1919 beteiligt gewesen war. In den USA selbst steht Bush wegen seines Umgangs mit Warnungen vor den Anschlägen vom 11.9. unter Kritik, und auch in Europa wird diese angesichts der Bush-Reise zunehmend lauter.
Zu den Demonstrationen zwischen 21. und 23. Mai in Berlin werden Zehntausende von Teilnehmern erwartet. Die Parteien des linken Flügels sehen sich deshalb vom Kreisverband bis in die höchsten Gremien genötigt, Podiumsdiskussionen anzuberaumen oder offene Briefe an den US-Präsidenten zu verfassen. Auf diese Weise möchten die in Regierungsverantwortung stehenden Parteien vermeiden, durch die persönliche Teilnahme an den Protesten ins Zwielicht zu geraten. Insbesondere, falls es wie am 1. Mai zu Ausschreitungen kommen sollte.
Die Fraktionsspitze der Grünen fordert ihre Abgeordneten zum geschlossenen Erscheinen bei Bushs Rede am 23. Mai im Reichstag auf. Auch Außenminister Joschka Fischer wünscht sich von seinen Parteifreunden eine gemäßigte Haltung. Er gab zu bedenken, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in Berlin stets fröhlich empfangen werde - deshalb dürfe man Bush jetzt nicht wie einen Feind behandeln. Die Hälfte der deutschen Bevölkerung hält allerdings von Präsident Buch nach einer Umfrage des Spiegel nicht viel und sieht ihn als gefährlich oder gar unfähig an. Gerade einmal 19 Prozent finden ihn gut.
Die nicht in die Regierungspflicht eingebundenen Abgeordneten dagegen behalten sich jede Form des Protests vor: Die PDS-Bundestags-Fraktion ruft sogar zum geschlossenen Protest gegen Bush auf. Auf Länderebene sieht das wieder anders aus: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verlangt von seinen PDS-Senatoren die Enthaltung vom Protest (Gysi doch nicht allein zu Haus. Inzwischen hat sich Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) doch dafür entschieden, nicht an der Anti-Bush-Demonstration teilzunehmen.
Am 23. Mai, an dem Bush im Bundestag sprechen soll, planen autonome Gruppen, von denen sich die Achse des Friedens abgrenzt, dezentrale Aktionen. Überdies findet die Demonstration vom Bündnis Cowboys für den Frieden statt. Zur Ankunftszeit des Präsidenten am Mittwoch sind auch in zahlreichen anderen Städten Demonstrationen und ein bundesweites "Bush-Trommeln" geplant.
Um den drei Großdemonstrationen den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatten ranghohe Politiker die Globalisierungsproblematik aufgenommen. Während sie Bushs Mantra vom Anti-Terror-Kampf inzwischen virtuos in ihre Reden zu integrieren verstehen, verweisen sie andererseits mahnend auf die Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung. Bundespräsident Johannes Rau widmete dem Thema sogar seine diesjährige Berliner Rede Chance, nicht Schicksal - die Globalisierung politisch gestalten. Auch Gerhard Schröder thematisierte diese Frage in seiner Rede vor dem Kongress des Rates für Nachhaltige Entwicklung Strategie für Deutschland - Auftrag für Johannesburg.
Gleichwohl kündigte er ein scharfes Vorgehen gegen Gewalttäter während des Besuchs des "guten Freunds Deutschlands" an: "Wer Demonstrationsfreiheit mit Randale verwechselt, wird auf den entschiedenen und sehr harten Widerstand der Polizei treffen." Erwartet wird für den "willkommenen Gast" der größte Polizeieinsatz in der Geschichte Berlins. An die Zehntausend Polizisten stehen dafür bereit. Kosten: 3 Millionen Euro. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte an, man werde "die weltweit höchsten Sicherheitsvorkehrungen" treffen: "Wir werden einen Schleier von Polizei über der Stadt haben, da Hinweise im Internet auf dezentrale Aktionen militanter Gruppen schließen lassen." Ein "zweites Genua oder ähnliches" werde es trotz angekündigter "Null Toleranz" aber nicht geben. Von "Deeskalation" ist nach dem 1. Mai nicht mehr die Rede.