Auch Präsident Bush wurde vor Terroranschlägen gewarnt

Noch aber hält das Weiße Haus genauere Informationen über das Vorwissen zurück

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Der von Präsident Bush nach dem 11.9. geführte Krieg gegen den Terrorismus, mit dem der Präsident auf dem Hintergrund der entstandenen nationalen Einheit seine Macht ausbaute, alles um das Thema Sicherheit und Verteidigung konzentrierte und demonstrierte, dass die USA die uneingeschränkt herrschende Supermacht ist, scheint allmählich ins Bröckeln zu geraten. Die Kritik in der Heimat nimmt zu, der weiterhin ungelöste Nahost-Konflikt hat die USA kaum als wirklichlich handlungsfähig gezeigt, in Afghanistan fehlen die Erfolge und beginnt der prophezeite Guerillakampf - und nun geht die Aufklärung über die Anschläge auch in eine für Präsident Bush ungünstige Richtung.

Präsident Bush war schon Monate vor den Anschlägen vom 11.9. vor Terroranschlägen gewarnt worden. In einem CIA-Memorandum, dessen genauer Wortlaut aber noch nicht bekannt ist und von dem auch Vizepräsident Cheney, CIA-Direktor Tenet und die Sicherheitsberaterin Rice Kenntnis hatten, wurde auf die drohende Möglichkeit hingewiesen, dass mit Bin Ladin zusammenhängende Terroristen Passagierflugzeuge entführen wollen, um einen Schlag gegen die USA auszuführen. Allerdings sei in dem Dokument nicht die Rede davon gewesen, dass die Flugzeuge in einem Selbstmordanschlag gegen Gebäude geflogen werden sollten.

Schon zuvor war bekannt geworden, dass das FBI im Juli durch ein schriftliches Memo von einem Agenten in Phoenix darauf hingewiesen worden war, dass es eine enge Verbindung zwischen einigen Flugschülern aus arabischen Ländern und al-Qaida gebe. Der Agent nahm die Bedrohung offenbar ernst, denn er erwähnte bereits im ersten Satz Bin Ladin und wies darauf hin, dass Terroristen aus dem Umfeld von al-Qaida oder anderen Gruppen auch in anderen Flugschulen das Fliegen lernen könnten, um Flugzeuge für einen Anschlag steuern zu können, und forderte zu einer landesweiten Überprüfung der Flugschulen auf. Der FBI-Direktor erklärte daraufhin, dass es sicher besser gewesen wäre, wenn seine Behörde das Memo ernster genommen hätte, aber auch falls dies gemacht worden wäre, hätte man die Anschläge nicht verhindern oder auf die Spur der Terroristen kommen können.

Die Warnung des Phoenix-Memos wurde aber auch schon der FBI-Abteilung nicht mitgeteilt, die im August Zacarias Moussaoui in einer Flugschule festgenommen hatten, nachdem sein Verhalten Verdacht erregt hatte. Er hatte den Ausbildern gesagt, er würde nur das Fliegen lernen wollen, aber nicht das Landen. Erst nach den Anschlägen vermutete das FBI, dass er möglicherweise zu den Terroristen gehört haben könnte. Jetzt steht er unter der Anklage, den Anschlag mit geplant zu haben, an dessen Beteiligung er nur durch die Festnahme verhindert worden sei.

Ebenso wie das Weiße Haus befleißigt sich auch das FBI der Geheimhaltung und hat den Inhalt des Phoenix-Memos bis auf eine Passage, in der vor dem Besuch von Flugschulen durch mögliche arabische Terroristen gewarnt wurde, noch nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Zu der schon lange geübten Kritik an den Geheimdiensten und dem FBI richtet sich diese nun auch direkt gegen den Präsidenten. Hatte man zuvor die Behörden eher bezichtigt, keine Informationen über die geplanten Anschläge erhalten zu haben, so geht es jetzt darum, warum die Warnungen, die es gegeben hat, nicht ernst genommen wurde. Von den zwar sehr allgemeinen, aber doch existierenden Warnungen im Vorfeld hatte Bush bislang nicht gesprochen. Kritik an der mangelnden Leistung und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden hatte er allerdings schon kurz nach dem 11.9. geübt.

Bush ließ durch seinen Pressesprecher Ari Fleischer sagen, er stimme mit Mueller überein, dass die Inhalte des Phoenix-Memo noch nicht zur Verhinderung der Anschläge geführt haben würden. Ansonsten musste Fleischer einräumen, dass die US-Regierung und Präsident Bush schon darüber informiert worden seien, dass Usama bin Ladin Anschläge gegen die USA im Ausland oder im Inland planen würde: "Dazu gehörten auch schon lange anhaltende Spekulationen über Flugzeugentführungen im herkömmlichen Stil, aber es war keine Rede von Selbstmordattentätern, die Flugzeuge als Raketen benutzen." Vor dem 11.9. habe die Nation in Frieden gelebt, es wurden keine derartigen Anschläge erwartet, während man jetzt alle tue, um die Sicherheit zu stärken und künftige Anschläge zu verhindern.

Angeblich soll Präsident Bush nach den Warnungen noch im Sommer Behörden zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen haben. Das sei, so Fleischer, wie CBS berichtet, nicht öffentlich geschehen, aber die größere Aufmerksamkeit könnte die Flugzeugentführer dazu veranlasst haben, ihre Taktik zu verändern und sich mit Teppichmessern zu bewaffnen. An welche Behörden die Warnung weitergegeben wurde und was diese daraufhin unternommen haben, sagte Fleischer allerdings nicht. Die Warnungen, so könnte man jetzt vermuten, sind vielleicht auch der Grund, warum Bush von Anfang an überzeugt war, dass die Anschläge von Bin Ladin ausgegangen sind, ohne dafür Beweise vorlegen zu können.

Der Verdacht, dass das Weiße Haus etwas zu verbergen hatte, kam unter anderem deswegen auf, weil Präsident Bush sich bislang einer tiefgehenden Untersuchung der Vorfälle um den 11.9. und der damit verbunden Arbeit der Geheimdienste verweigert hat. Nun dürfte der Druck auf das Weiße Haus auch seitens des Kongresses und des Senats stärker werden. Ein gemeinsamer Ausschuss wurde im Februar eingerichtet, um die möglichen Fehler der Sicherheitsbehörden zu untersuchen. Hier könnte man nun auch mehr Aufklärung vom Weißen Haus verlangen.