Viel Wind um Energie

Bis zum Jahre 2020 sollen europaweit 180 Gigawatt Windenergie 20 Prozent des Strombedarfs decken

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So in etwa hatte man sich die Sache auch vorgestellt. Acht umweltbegeisterte Ingenieure setzten sich 1981 in der spanischen Hauptstadt zusammen, um die Windenergiefirma „Ecotecnia“ zu gründen. Es sollte ganze 11 Jahre dauern, bis das Unternehmen seine erste eigene Windfarm betreiben konnte.

Heute beherrscht ecotecnia etwa 10 Prozent des spanischen Windenergiemarktes. Das Unternehmen mit 625 Mitarbeitern und Zweigstellen in Frankreich und Italien entwirft, produziert, installiert und betreibt Windenergieturbinen mit Kapazitäten von 1,3 bis 3 MW. Die meisten der bisher über 1000 hergestellten und in Produktion befindlichen Turbinen mit einer Gesamtkapazität von etwa 1000 MW werden von Ecotecnia jedoch nicht selbst ausgebeutet, sondern an Betreiber von Windparks, hauptsächlich in Spanien, aber auch im benachbarten Ausland und sogar in Indien und Japan verkauft.

(Bild: EWEA/Winter)

Die Situation von Ecotecnia ist bezeichnend für die spanische Windenergie. Zwar werden in Spanien durch Anlagen mit einer Kapazität von 10000 MW nur etwa 6 Prozent des landesweiten Strombedarfes durch Windenergie gedeckt. Das Land, das nach Dänemark und Deutschland als drittes in Europa in den expandierenden Markt der Windenergie einstieg, ist heute jedoch einer der größten Exporteure für Windenergietechnologie. Längst sind es nicht mehr die kleinen Unternehmen, die das Geschäft bestimmen. Firmen wie Ecotecnia sind selten geworden, die meisten wurden inzwischen von „Global Players“ wie Siemens, General Electric, BP oder dem spanischen Markführer Gamesa verdrängt.

Expandierender Markt

„Windenergie ist eine der am schnellsten wachsenden europäischen Technologien und hat bis jetzt schon 200000 Arbeitsplätze geschaffen“, erklärte der EU-Kommissar für Umwelt, Stavros Dimas, am Montag bei der Eröffnung der Europäischen Windenergie Konferenz 2006 in Athen. Mehr als 150 größtenteils europäische Firmen und Forschungseinrichtungen haben sich vom 27. Februar bis zum 2. März in der griechischen Hauptstadt versammelt, um sich über technische, politische, wissenschaftliche und nicht zuletzt wirtschaftliche Aspekte der Windenergie auszutauschen.

(Bild: EWEA/Petitjean)

Umweltorganisationen sind nur am Rande vertreten. „Wir können uns die Teilnahme aufgrund der hohen Gebühren schlicht und einfach nicht leisten“, erklärt Nikos Charalampidis, der Vorsitzende der griechischen Greenpeace-Sektion auf Nachfrage von Telepolis. Trotzdem freue man sich aber natürlich über die Anstrengungen der Konferenzveranstalter, also der Europäischen Windenergieassoziation EWEA, den Windenergieanteil europaweit auf 12 Prozent bis zum Jahre 2020 auszudehnen. Beim heutigen Strombedarf entspräche das Windparks mit einer Gesamtkapazität von 180 GW. Europaweit produzieren heute Anlagen mit 40000 MW Kapazität, 18428 MW davon in Deutschland.

„Bereits Ende der 70er Jahre gab es einen ersten Anlauf für die deutsche Windenergie“ meint Martin Tschierschke vom auf Windenergie spezialisierten IT-Unternehmen Smart Dolphin. Der damalige Growian-Windpark der Firma MAN hatte aber wohl nur die Aufgabe, die im Zuge der Ölkrise verteilten Fördermittel für alternative Energien abzuschöpfen. Richtig interessant wurde der Markt erst mit dem Stromeinspeisegesetz von 1991. Damit wurde die deutsche Stromindustrie gezwungen, Windenergie zum Preis von 90 Prozent des Durchschnittserlöses aus dem Stromverkauf einzuspeisen. Trotz weiterer staatlicher Investitionszuschüsse war die Produktion von Strom mit Wind damals aber immer noch nicht konkurrenzfähig. Das änderte sich jedoch schon wenige Jahre später, als die ersten Turbinen mit Kapazitäten im dreistelligen kW-Bereich in Serienreife gingen.

Die modernen Turbinen mit Rotordurchmessern von bis zu 100 Metern und einer Leistung von mehreren Megawatt erinnern kaum noch an die windmühlenartigen Zwerge der ersten konventionellen Windparks. Und natürlich ist die Entwicklung der Technologie noch lange nicht ausgereizt. Bei den wachsenden Märkten werden zunehmend auch branchenfremde Unternehmen auf die Gewinnchancen aufmerksam. In Griechenland beispielsweise produziert ein Munitionshersteller, die Hellenic Defence Systems, die einzigen landeseigenen Turbinen der ausbaufähigen einheimischen Windindustrie. Auch die in der Krise befindliche Segelbootbranche ist interessiert, ihr technisches Wissen bei der Entwicklung der Rotoren einzubringen.

Noch im Anfangsstadium

Bei besten Wetterbedingungen steckt Griechenlands Windindustrie dennoch erst in den Kinderschuhen. „Die griechische Turbinenproduktion beschränkt sich noch auf Prototypen“ erläutert Dr. Nikos Stefanatos vom griechischen „Zentrum für erneuerbare Energiequellen“. Nur die Betonpfeiler und die Kabel der griechischen Windfarmen werden im Lande hergestellt. Und auch die bisher installierten 590 MW Windenergiekapazität reichen nur für einen der hinteren Plätze im europäischen Vergleich.

„Dabei sind die gesetzlichen Vorraussetzungen eigentlich recht gut“, meint Stefanatos. Die selbst im Windenergiesektor aktive staatliche Stromgesellschaft DEI ist verpflichtet, eingespeiste Windenergie zu Vorzugspreisen abzunehmen. Investitionen werden darüber hinaus bis zu 55 Prozent von Staat und EU bezuschusst. Durch einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes im letzten Jahr werden derzeit in Griechenland trotzdem erst einmal keine neuen Windparks entstehen können. Dem Land wurde wie schon bei anderen Gelegenheiten zum Verhängnis, dass es über keinen Bebauungsplan verfügt, in dem Gebiete nach Nutzungsarten ausgewiesen sind. Bis ein solcher Bebauungsplan erstellt ist, auf dem auch die möglichen Standorte für Windfarmen eingetragen sind, hat das Gericht die Errichtung der doch recht flächenintensiven Windparks untersagt.

(Bild: Vestas)

Nationalen und europaweiten Hindernissen zum Trotz ist klar, dass die Windenergie sich in wenigen Jahren vom Randfaktor zu einem der führenden Expansionsmärkte im Energiesektor gemausert hat. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Um konkurrenzfähig zu sein, muss der Strom aus der Windmühle zwar immer noch subventioniert werden. Die Einsparungen durch vermiedene Umweltschäden gleichen die Mehrausgaben aber bei weitem wieder aus. Zudem verschieben steigende Preise für knapper werdende Öl, Gas und Uranvorkommen die Kostenentwicklung nach und nach zugunsten der erneuerbaren Energiequellen. Und würde man den konventionellen Stromproduzenten aus Kohle, Öl, Gas und Atom ihre externen Kosten für Umweltschäden und Entsorgung berechnen und die Begleichung nicht wie bisher dem Steuerzahler überlassen, sähen die Relationen bereits heute ganz anders aus.