Viertklässlervergleich: Baden-Württemberg abgestürzt
Aktuelle IQB-Bildungstrends zeigen deutliche Verschlechterung der Mathematik- und Deutschkenntnisse in Deutschland
Heute stellte die Kultusministerkonferenz der Bundesländer die neuen Ergebnisse des IQB-Bildungstrends vor - einer Überprüfung der Deutsch- und Mathematikkenntnisse von 29.259 Viertklässlern aus 1508 Schulen. Um die Ergebnisse der Tests nicht zu verfälschen, wählte man die Klassen über ein zweistufiges Zufallsverfahren aus. Im Fach Deutsch testeten die Bildungsforscher die Fähigkeiten in den Bereichen "Lesen", "Zuhören" und Rechtschreibung, im Fach Mathematik den Umgang mit "Zahlen und Operationen", "Raum und Form", "Muster und Strukturen", "Größen und Messen" sowie mit "Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit".
In einem Satz zusammengefasst lautet das Ergebnis der neuen Studie im Vergleich zur letzten, dass sich die Kenntnisse in beiden Fächern zwischen den Jahren 2011 und 2016 "signifikant verschlechtert" haben. Im Fach Deutsch zeigt sich der Einbruch vor allem in der Rechtschreibung und beim Zuhören:
[Beim Zuhören sank der Anteil der Viertklässler, die] mindestens den Regelstandard erreichen […] um etwa 6 Prozentpunkte [von 74 auf 68 Prozent], in der Orthographie sogar um etwa 10 [von 65 auf 55 Prozent]. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die den Mindeststandard verfehlen, um gut 3 Prozentpunkte beziehungsweise um fast 8 Prozentpunkte gestiegen. In der Orthographie hat sich zudem der Anteil der […] Schüler, die den Optimalstandard erreichen, um knapp 4 Prozentpunkte [von 12 auf 8 Prozent] reduziert.
Im Fach Mathematik ging der Anteil der Viertklässler, die die Standards erreichen oder übertreffen, ebenfalls überall zurück: Beim Regelstandard um etwa 6 von 68 auf 62 Prozent, beim Mindeststandard um knapp 4 von etwa 19 auf 15 Prozent und beim Optimalstandard um 3 Prozentpunkte von 16 auf 13 Prozent.
Beträchtliche Unterschiede zwischen den Bundesländern
Dabei gibt es zwischen den Bundesländern beträchtliche Unterschiede: Während in Sachsen 7,2 und in Bayern 7,9 Prozent der Viertklässler die Regelstandards nicht erreichen, sind es in Berlin 20 und in Bremen sogar 25,5 Prozent. Im Ranking liegen neben den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen auch die Flächenländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg weit hinten. Ein Negativtrend fällt dabei vor allem bei Baden-Württemberg auf, das vor fünf Jahren nur einen Rang hinter dem Spitzenreiter Bayern und vor dem jetzt zweitplatzierten Sachsen lag. Dort verfehlte "jeder fünfte Viertklässler […] den KMK-Mindeststandard im Bereich Orthographie, jeder sechste in Mathematik, jeder siebte im Lesen und jeder achte im Zuhören".
Ursachenforschung
Auf Fragen dazu verwies die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann auf einen ihrer Ansicht nach "bundesweiten Handlungsbedarf bei der Förderung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik". Als "zentrale Themen der künftigen bildungspolitischen Debatte" sieht die CDU-Politikerin, die auch Vorsitzende der Kultusministerkonferenz ist, "die Auswirkungen der größeren Heterogenität sowie auch der Inklusion" (vgl. Ideologie Inklusion).
Dabei müsse man "zur Kenntnis nehmen, dass unsere bisherigen Antworten auf die größere Heterogenität der Schülerschaft unzureichend sind." "Ein im hohen Maß selbstorganisiertes und wenig durch Lehrer angeleitetes Lernen" ist für die mit den Grünen koalierende Christdemokratin "sicher nicht die richtige Antwort." Für "sinnvoll", hält sie es dagegen, "wenn für alle Schularten auch zentrale Klassenarbeiten geschrieben würden." Auf das 2016 beendete Experiment des "Schreibens nach Gehör", das sich als mögliche Ursache für die schlechten Orthographieergebnisse aufdrängt, ging Eisenmann bei ihrer Pressekonferenz ebenso wenig ein wie auf die von der grün-roten Landesregierung 2012 eingerichteten "Gemeinschaftsschulen", an denen die Schülerzahlen inzwischen deutlich zurückgehen (vgl. Der Fisch stinkt vom Kopf).
Berliner Bildungspolitiker, die der Tagesspiegel befragte, verwiesen bezüglich einer Erklärung der Ergebnisse der Studie auf eine "zunehmend heterogene soziale Zusammensetzung der Klassen", die nun "zeitverzögert […] auch in den Flächenländern angekommen" sei. Die Verfasser der Studie halten die Ergebnisse dagegen nach eigenen Angaben für "schwer erklärbar" und fordern Geld für weitere Forschungen, die die Ursachen ergründen sollen.
In Sozialen Medien vermutet man, dass die Ergebnisse auch etwas damit zu tun haben könnte, dass sich Schulen heute häufig mehr um "Haltung" als um Bildung kümmern: Von Eltern hört man beispielsweise, dass Lehrer die Pausenbrote ihrer Schüler kontrollieren, ob sie auch keine Brezen dabei haben, die man als zu ungesund verboten hat.