Vögelverständigung

Kleiber nutzen Meisen als Informationsquelle

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Chickadeedee oder Chickadeedeedee - für die meisten Menschen dürfte das ziemlich gleich klingen. Für Schwarzkopfmeisen jedoch macht die Zahl der Dee-Dee-Silben einen gewaltigen Unterschied, schließlich gilt vereinfacht gesagt: je mehr Dee- Dee, desto gefährlicher die Situation. Klingt simpel, wurde in zahlreichen Studien jedoch als ziemlich ausgeklügeltes Informationssystem entschlüsselt. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die winzigen Kommunikationsgenies nicht nur von Forschern, sondern auch von Artgenossen belauscht werden.

Meisen als Alarmanlage

In seiner neuesten Studie hat der Doktorand Christopher Templeton nachgewiesen, dass Kanadakleiber (Sitta canadensis) die Alarmrufe der Schwarzkopfmeise (Poecile atricapilla) verstehen. Und zwar nicht nur so ungefähr, wie das im Vogelreich allgemein üblich sein dürfte, sondern ziemlich genau. Mit anderen Worten: Der Kanadakleiber hat die Sprache der Schwarzkopfmeisen entschlüsselt und trifft in brenzligen Situationen existentielle Entscheidungen, die auf nichts anderem als auf Meisenrufen basieren. Dies ist eine Form der artübergreifenden Kommunikation, die erstmals in einer Studie nachgewiesen werden konnte. Nachzulesen ist die Arbeit in der aktuellen Online- Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences.

Fremdsprachenkenntnisse können Leben retten

Bereits in früheren Studien hat sich Templeton mit den Alarmrufen der kleinen Meisen auseinandergesetzt und herausgefunden, dass die Chickadee-Rufe, denen die Schwarzkopfmeise im englischsprachigen Raum ihren Namen `Black- capped Chickadee oder kurz: `Chickadee verdankt, weitaus komplexer sind, als man beim ersten Hinhören meinen könnte Differenziert hassen. Demnach können die Vögel nicht nur `Achtung rufen, sondern `Achtung, Sperlingskauz in Sicht. Diese Information kann Leben retten, vor allem, wenn man klein und appetitlich ist und deshalb auf der Speisekarte des wendigen Sperlingskauzes an oberster Stelle steht. Nun ist nicht nur die Schwarzkopfmeise klein und appetitlich, sondern auch der Kanadakleiber.

Die beiden Vogelarten teilen sich oft ein und denselben Lebensraum und bilden im Winter sogar gemischte Trupps, allerdings kann der Kanadakleiber bei weitem nicht so differenziert zwitschern wie die Schwarzkopfmeise. Dafür kann er umso genauer hinhören und die Chickadee-Rufe als detaillierte Informationsquelle nutzen.

Warnen und warnen lassen

Um nachzuweisen, dass die Kleiber die Rufe der Meisen wie eine Art Polizeifunk nutzen, haben Templeton und sein Ko-Autor Erick Greene von der Universität Montana den Kleibern Aufnahmen der unterschiedlichsten Alarmrufe vorgespielt. Und tatsächlich reagierten die Kleiber so, wie es der jeweiligen Situation angemessen war: bei den hohen so genannten `Seet-Lauten, die eine Art Luftalarm darstellen, gingen die Kleiber in Deckung. Bei diversen Dee-Dee- Rufen dagegen gingen die Kleiber zum Angriff über - je nach Art und Größe des vermeintlichen Feindes. Die Verwendung von Aufnahmen sollte sicherstellen, dass die Kleiber ausschließlich auf die Rufe und nicht etwa auf das jeweilige Verhalten der Meisen reagieren. Wie es jedoch dazu kam, dass Kleiber den Code der Meisen knacken konnten, wissen die beiden Ornithologen nicht. Man darf aber davon ausgehen, dass sie dranbleiben und weitere Studien zum Thema Vögelverständigung durchführen werden.