Vogelgrippe von Mensch-zu-Mensch übertragen

Forscher gehen davon aus, dass in Thailand eine solche Infektion stattgefunden hat und warnen erneut vor einer jeder Zeit möglichen Influenza-Pandemie

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Gerade hatte die vietnamesische Regierung noch Entwarnung gegeben. Drei bekannt gewordene Fälle von Vogelgrippe (H5N1) in einer vietnamesischen Familie wurden vermutlich durch den Verzehr von rohem Entenblut verursacht und nicht durch eine Direktübertragung von Mensch zu Mensch. Forscher glauben aber nun, bei drei verwandten Frauen in Thailand eben eine solche Übertragung nachgewiesen zu haben. Letztes Jahr hatte ein mit dem H5N1-Virus infiziertes 11-jähriges Mädchen seine Mutter und seine Tante infiziert.

Influenza H5N1 (gelb). Bild: CDC/Goldsmith

Schon lange gibt es Warnungen vor einer neuen gefährlichen Grippeepidemie (Alle Jahre wieder kommt die Grippe). Grippe ist deswegen gefährlich, weil sich der Erreger durch Mutation schnell ändert. Wird jedoch Genmaterial aus zwei Virusarten vermischt, dann steigt die Gefährlichkeit an. Bei der letzten großen globalen Epidemie sind 1918/1919 an der "Spanischen Grippe" 20-50 Millionen Menschen gestorben. Man nimmt an, dass auch dieser Virus eine neue und tödliche Kombination (Reassortment) von Genmaterial der Menschen- und Vogelgrippe enthalten hat. Das nimmt man auch von den Epidemien in den Jahren 1957 und 1968 an. Aus einer solchen Verbindung kann jeder Zeit, so die Warnung, wieder ein hochinfektiöser Virus entstehen. Bis ein neuer Impfstoff entwickelt wird, kann es dann schon viele Opfer geben.

Verdachtsfälle gab es schon mehrmals auf die Übertragung eines Vogelgrippevirus von Mensch zu Mensch, nachweisen konnte man dies bislang noch nicht (Die Vogelgrippe und das Influenza-Virus). Ein neuer Virustyp kann dann entstehen, wenn ein Mensch oder ein anderes Säugetier (beispielsweise ein Schwein, aber auch eine Hauskatze) gleichzeitig mit der Vogelgrippe und dem Erreger der menschlichen Grippe infiziert ist. An dem Erreger der Vogelgrippe A(H5N1) können auch Menschen erkranken und sterben, weswegen auch immer wieder in Asien, wo die Menschen oft eng mit Vögeln und anderen Haustieren zusammen leben, Massenschlachtungen durchgeführt werden müssen. Allerdings befällt die Vogelgrippe nicht nur Geflügel, sondern auch Zugvögel, die den Erreger schnell verbreiten können.

Eine Forschergruppe berichtet im New England Journal of Medicine (005;352:333-40.), dass die letztes Jahr in der thailändischen Familie aufgetretene Vogelgrippe von dem Mädchen, das in engem Kontakt mit Hühnern lebte und von diesen infizierte wurde, auf Mutter und Tante übertragen worden ist. Bei der Mutter und der Tante konnte A(H5N1) nachgewiesen werden, bei der Tochter nicht, da deren Leichnam verbrannt wurde. Das Mädchen erkrankte drei bis vier Tage, nachdem sie Kontakt mit sterbenden Hühnern hatte, die mit der Vogelgrippe infiziert waren. Die Mutter kam jedoch erst aus der Stadt, in der sie lebte, um ihre Tochter im Krankenhaus zu besuchen. Sie hatte keinen Kontakt mit Geflügel, starb aber 12 Tage nach dem Besuch ihrer Tochter, mit der 16-18 Stunden zusammen war, an Lungenentzündung. Die Tante, die auch das Mädchen pflegte und ebenfalls keinen Kontakt mit Hühnern hatte, starb einige Tage darauf an Lungenentzündung. An sich muss jeder Fall von Vogelgrippe in Thailand gemeldet werden, der Kontakt der erkrankten Tochter mit Hühnern wurde den Ärzten aber erst später bekannt.

In beiden Frauen konnte der bereits bekannte, also nicht neu entstandene Erreger der Vogelgrippe nachgewiesen, aber trotz intensiver Nachforschungen kein weiterer Übertragungsweg festgestellt werden. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die beiden sich direkt über die Tochter angesteckt haben. 2004 ist die Vogelgrippe zwei Mal in einigen asiatischen Ländern aufgetreten. In Vietnam und Thailand wurden 44 Fälle von Infektionen bei Menschen dokumentiert. 32 starben an der Grippe. Das ergibt eine Mortalität von 73 Prozent.

Der Virus wurde nur durch engen Kontakt übertragen und hat sich nicht weiter ausgebreitet. Das sei aber, so warnen die Wissenschaftler, kein Grund zur Beruhigung, da sich solche Infektionen häufen und A(H5N1) mittlerweile weit verbreitet ist. Noch handelt es sich dabei um Vogelgrippeerreger, deren Genom keine Bestandteile des menschlichen Influenza-Erregers enthält. Und noch bildet sich das hochinfektiöse Virus der Vogelgrippe nur sporadisch, aber der Erreger wird schrittweise gefährlicher und resistenter, während ers ich gleichzeitig über weitere Tierarten verbreitet Der Epidemiologe Arnold Monto warnt aber erneut in der selben Ausgabe davor, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein hochinfektiöser Virus genetisches Material vom menschlichen Virus übernimmt oder mutiert.

Warnsignale unübersehbar

Der WHO-Grippe-Experte Klaus Stöhr sagt, dass die Warnsignale seit der letzten Epidemie 1968 nicht deutlicher gewesen waren als jetzt. Allerdings sei man jetzt auch besser auf einen erneuten Ausbruch vorbereitet und habe die Wissenschaft große Fortschritte gemacht. Es bleibe allerdings noch vieles dringend zu erforschen, um ausbrechende Epidemien schnell zu erkennen und entsprechende Impfstoffe herstellen zu können. Eine der wichtigsten Fragen sei, warum A(H5N1) sich trotz reichlich vorhandener Möglichkeit noch nicht mit einem menschlichen Influenza-Virus gekreuzt hat. Möglicherweise könnte der Virus wieder in einer nicht oder schwer übertragbaren Form aufgetreten sein, dann wäre vielleicht die Gefahr gebannt.

Um aber Gewissheit darüber zu erhalten, fordert Stöhr, dass man eine Verbindung der Gene von A(H5N1) und vom menschlichen Influenza-Virus im Labor unter geeigneten Sicherheitsmaßnahmen durchführen müsse und alle Kombinationen auf ihre Gefährlichkeit untersuchen müsste. Wichtig sei aber auch Mittel und Wege zu finden, wie sich bei einem Ausbruch einer Epidemie die globale Ausbreitung stoppen ließe. Bislang sei dies nicht möglich gewesen.

Vergangene Pandemien haben normalerweise die Weltbevölkerung wie eine Sturmflut getroffen. Sie haben abrupt und explosiv begonnen, sind durch ganze Bevölkerungen gegangen und haben erhebliche Schäden an ihrem Beginn hinterlassen. Sie konnten nicht aufgehalten werden, aber kamen schnell zu einem Höhepunkt und verschwanden dann fast ebenso abrupt, wie sie begonnen haben.

Auch das Robert-Koch-Institut warnt vor der Möglichkeit einer plötzlich auftretenden Pandemie: "Niemand kann vorhersagen, wann eine Pandemie auftreten wird, aber das Bedrohungspotential ist vorhanden und verdeutlicht die Notwendigkeit von vorbereitenden Maßnahmen", sagte Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts. Die Deutschen seien unzureichend auf eine solche Pandemie vorbereitet. Einen nationalen Influenzapandemieplan hat das Institut vor zwei Wochen veröffentlicht.