Vogelgrippevirus H5N1: Pandemische Zeitbombe aus der Massentierhaltung?
Schlagzeilen über Gefahr einer neuen Pandemie häufen sich. Vogelgrippevirus vermehrt sich in Kuheutern in den USA. Was bisher bekannt ist.
Das Vogelgrippevirus H5N1 wird als "Kandidat" für eine neue Pandemie gehandelt, da es bereits die Artenbarriere überwunden hat und auf Säugetiere übergesprungen ist – auch Menschen sollen sich bereits bei Kühen angesteckt haben; in den USA soll das Virus vermehrt in der Milch infizierter Kühe nachgewiesen worden sein.
"Alle Fachleute sind besorgt", sagte der Virologe Christian Drosten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Zwar könne die Ausbreitung des Virus durchaus "glimpflich ablaufen". Aber es könne "auch schon der Anlauf zu einer nächsten Pandemie sein, den wir hier live mitverfolgen", so der Chef-Virologe der Berliner Charité.
"Wenn es dem Virus gelingen sollte, sich an die menschlichen Andockstellen anzupassen, ist die nächste Pandemie so gut wie sicher", hatte der Epidemiologe Alexander Kekulé im Mai dieses Jahres gesagt.
H5N1: Bisher keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung bekannt
Allerdings gibt es bisher keine nachgewiesene Mensch-zu-Mensch-Übertragung von H5N1 – und der Krankheitsverlauf bei Menschen wird bisher als überwiegend mild beschrieben.
Gesichert ist, dass das Virus bei den ursprünglichen Wirtstieren hochaggressiv wirkt und eine massive Bedrohung für die Artenvielfalt ist – nicht aber, dass die Gefahr eines vergleichbaren Massensterbens für Menschen besteht.
Die Auswirkungen auf die Vogelwelt werden von Fachleuten als dramatisch beschrieben: "Genaue Zahlen gibt es nicht. Denn wir wissen nicht, wie viele Seevögel unbemerkt im Meer versinken oder in entlegenen Gegenden verenden. Aber allein die unglaublich hohen Todesraten von Tieren, die vor unseren Augen sterben, sind erschütternd und beispiellos", sagte die Virologin Diana Bell im März im Interview mit der Spektrum der Wissenschaft.
Sie geht von "sehr vielen Millionen" toten Tieren aus. "Wir stehen einer Panzootie riesigen Ausmaßes gegenüber, einer Pandemie im Tierreich."
Infizierte Kühe: Virenbrutstätte Massentierhaltung
Nach Einschätzung von Fachleuten des deutschen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tiergesundheit ist die Massentierhaltung in den USA eine wichtige Brutstätte des Virus.
Beim wohl seit Monaten andauernden Infektionsgeschehen bei Milchkühen in mehreren US-Bundesstaaten sei eine enorm hohe Viruslast in der Milch nachgewiesen worden, sagte FLI-Vizeräsident Martin Beer Ende bereits Ende Mai dem Deutschen Ärzteblatt. "Das Virus hat einen perfekten Vermehrungsort im Euter dieser Kühe gefunden."
Hinweise auf infizierte Milchkühe außerhalb der USA gab es aber zunächst nicht. Drosten rät in Deutschland vorsichtshalber zur Impfung von Kühen. Der Virologe Klaus Stöhr hält zwar eine Pandemie für wenig wahrscheinlich, rät aber ebenfalls zur Vorsicht.
H5N1-Impfstoff muss noch angepasst werden
Die wichtigste Maßnahme sei, einen Impfstoff für Menschen vorzubereiten, der im Ernstfall schnell zum Einsatz kommen könne, sagte Stöhr an diesem Dienstag dem Deutschlandfunk.
Vor allem müssten nun sogenannte präpandemische Impfstoffe zugelassen werden, so der Tiermediziner Stöhr. Gemeint sind Impfstoffe, die schon vor der Ausbreitung einer Pandemie verwendet werden könnten.
Derartige Seren seien bereits vor 20 Jahren entwickelt worden, sie müssten nun aber zügig an die aktuelle Virusvariante angepasst werden, so der ehemalige Leiter des WHO-Influenza-Programms.
Infizierte Menschen, die sich bei Tieren angesteckt hatten, wurden bisher auch mit dem antiviralen Medikament Tamiflu behandelt.