Volksinitiative "Ja zum Verhüllungsverbot" reicht 100.000 Unterschriften ein
Schweizer sollen über Niqab abstimmen
Wie die Luzerner Zeitung berichtet, überreichen die Initiatoren der Volksinitiative Ja zum Verhüllungsverbot der schweizerischen Bundeskanzlei heute die für ein Referendum geforderten 100.000 Unterschriften. Die Initiative fordert, dass in die schweizerische Verfassung das Verbot aufgenommen wird, sich im öffentlichen Raum vollständig zu verhüllen - außer es dient des Gesundheit, dem Schutz vor Kälte, der Sicherheit oder dem einheimischen Brauchtum, zum Beispiel bei der Fasnacht.
Die Gültigkeit der Unterschriften hat die Initiative nach eigenen Angaben bereits selbst geprüft und dabei schon im August festgestellt, dass vor allem aus der Gemeinde Interlaken so viele der vorher gesammelten ungültig waren, dass man gezielte Sabotage vermutet. Den Informationen der Luzerner Zeitung nach wurde deshalb die nötige Anzahl der Unterschriften erst am Mittwoch erreicht, zwei Tage vor dem Ablauf der Frist. Etwa 9.700 davon soll ein einzelner Pensionär gesammelt haben, der 76-jährige Erwin Lötscher aus Willisau. Viel Aufmerksamkeit erregte wegen seiner dunklen Haut auch der Unterschriftensammler Naveen Hofstetter.
Die Befürworter eines Verbots der Vollverschleierung argumentieren, dass mit ihr eine "frauenabwertende Ideologie" und ein Frauenbild "importiert" werde, "in dem das weibliche Geschlecht ganz unter die Kontrolle der Männer" gestellt sei. Das Komitee Nein zu staatlichen Kleidervorschriften, das gegen ein Vollverschleierungsverbot ist, glaubt dagegen, dass es "keiner möglicherweise unterdrückten Frau helfen" und stattdessen "gesellschaftliche Spannungen schüren" würde, "anstatt das Zusammenleben zu verbessern."
Stellt die Bundeskanzlei keine Fehler fest, können die Schweizer innerhalb der nächsten zwei Jahre über ein Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum abstimmen, das Umfragen nach etwa 60 Prozent der Stimmberechtigten befürworten - wenn der Bundesrat (die Regierung) und das Parlament nicht mit einem Gegenentwurf aufwarten, der beispielsweise vorschlagen könnte, ein solches Verbot nicht in der Verfassung, sondern lediglich auf Gesetzesebene zu verankern. Der schweizerische Nationalrat stimmte bereits am 27. September 2016 mit 88 zu 87 Stimmen und zehn Enthaltungen für ein Vollverschleierungsverbot, das es in der Eidgenossenschaft bislang lediglich im italienischsprachigen Kanton Tessin gibt, wo 2013 eine Volksabstimmung dazu erfolgreich war. Der Ständerat, die Kammer der 26 Kantone, legte jedoch ein Veto gegen ein in der gesamten Schweiz gültiges Verbot ein, worauf hin das so genannte "Egerkinger Komitee" um den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann die Volksinitiative ins Leben rief.
Aufmerksamkeit durch extremistischen Imam
Wobmann zufolge nahm die Anzahl der Unterschriften vor allem in den letzten Wochen stark zu. Dabei dürfte auch der Fall eines extremistischen Imams aus Biel eine Rolle gespielt haben, der in Schweizer Medien seit August viel Aufmerksamkeit erregte: Der gebürtige Libyer, der in seinem Asylverfahren offen zugegeben hatte, Islamist zu sein, reiste regelmäßig nach Saudi-Arabien, wo er sich in Fünfsternhotels fotografieren ließ, bezog in der Schweiz aber insgesamt 600.000 Franken Sozialhilfe, weil er seine Predigten in der Bieler Ar'Rahman-Moschee angeblich unbezahlt hielt.
In diesen Predigten hieß es unter anderem: "Jeder, der sich einen Atheisten zum Freund nimmt, wird bis zum Jüngsten Tag verdammt sein." Und: "Oh, Allah, ich bitte dich, die Feinde unserer Religion zu vernichten, vernichte die Juden, die Christen und die Hindus und die Russen und die Schiiten. Gott, ich bitte dich, sie alle zu vernichten und dem Islam seinen alten Ruhm zurückzugeben."
Verbote in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Bulgarien und Österreich
Vollverschleierungsverbote gibt es bislang in Frankreich, Belgien, den Niederlanden Bulgarien und ab Oktober auch in Österreich. In Deutschland beschloss der Bundestag im Frühjahr gegen die Stimmen der Grünen und der Linkspartei ein Verschleierungsverbot, das lediglich für Beamtinnen, Soldatinnen und Richterinnen im Dienst sowie beim Abgleich des Gesichts mit dem Lichtbild im Ausweis gilt - zum Beispiel bei Wahlen.
Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge ist die Zahl der Salafisten - also der Anhänger jener Sekte, die eine Vollverschleierung von Frauen besonders vehement fordert - in Deutschland inzwischen auf etwa 10.300 Personen gestiegen. Vor sechs Jahren waren es noch 3.800, vor zwei Jahren 2015 8.300 und im Juni 2017 10.000. Etwa 1.800 Personen ordnet das Bundesamt für Verfassungsschutz dem "islamistisch-terroristischen Spektrum" zu, etwa 700 stuft es als "Gefährder" ein, denen es Terroranschläge zutraut, weil sie beispielsweise in Syrien oder im Irak als Dschihadisten aktiv waren. Von den etwa 940 dorthin verzogenen Islamisten kehrte den Erkenntnissen der Verfassungsschützer nach inzwischen etwa ein Drittel nach Deutschland zurück, weitere 145 kamen bei Selbstmordanschlägen oder Kämpfen ums Leben.