Vom Bürgerkrieg zum Völkermord?

In der Zentralafrikanischen Republik tyrannisiert eine Minderheiten-Privatarmee die Bevölkerungsmehrheit

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Derzeit sind in der Zentralafrikanischen Republik etwa tausend französische Soldaten stationiert. Die Truppe wurde in den letzten Tagen um ein Fünftel aufgestockt. Zusätzlich dazu legte die französische Regierung dem UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf vor, der fordert, dass die MISCA-Truppen der Afrikanischen Union auf 3.600 Mann verstärkt und zu einer UN-Blauhelmtruppe ausgebaut werden.

Diese Maßnahmen sollen verhindern, dass aus einem Bürgerkrieg ein Völkermord wird. Den befürchten unter anderem 100 zentralafrikanische Geistliche, die im Herbst den Appel de Bangui veröffentlichten. Angeblich sind bereits jetzt 400.000 Menschen auf der Flucht vor Raub, Brandstiftung, Vergewaltigung, Tötung und Zwangsrekrutierung.

Zentralafrikanische Republik. Karte: TUBS. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Die Täter kommen vor allem aus den Reihen der Séléka ("Allianz"). Anders als die Gesamtbevölkerung der Zentralafrikanischen Republik (die zu etwa 25 Prozent aus Protestanten, zu weiteren 25 Prozent aus Katholiken, zu 35 Prozent aus Anhängern afrikanischer Volksreligionen und nur zu 15 Prozent aus Moslems besteht) hängen die Séléka-Milizionäre ganz überwiegend dem Islam an. Das liegt daran, dass sich die Allianz im Grunde nur aus zwei moslemischen Volksgruppen aus dem Norden des Landes zusammensetzt: den Gula und den Runga.

Der Gula-Teil der Séléka ist die mutmaßlich von der sudanesischen Regierung unterstützte UFDR ("Union des Forces Démocratiques et du Rassemblement en République Centrafricaine"); die Runga-Armee nennt sich "Convention des Patriotes pour la Justice et la Paix" (CPJP). Weil die Volksgruppe nur zu etwa 40 Prozent in der Zentralafrikanischen Republik lebt, gehören der CPJP auch viele Runga aus dem Tschad und dem Sudan an. Eine weniger große Rolle spielen Angehörige anderer moslemischer Volksgruppen.

Gula und Runga siedeln in der Zentralafrikanischen Republik insbesondere in den Provinzen Vakaga und Bamingui-Bangoran, wo auch die vorwiegend christlichen Kara, Sara, und Yulu leben. Besonders stark ausgeprägt sind die ethnischen Spannungen zwischen den Gula und den Yulu, die auch im Sudan beheimatet sind (wo sie allerdings den Islam angenommen haben). Gula beschuldigten Yulu in der Vergangenheit, in Zusammenarbeit mit Regierungstruppen Angehörige ihrer Volksgruppe vertrieben und Dörfer angesteckt zu haben.

Die Auseinandersetzungen zwischen Privatarmeen und der Regierungstruppen begannen bereits Mitte der Nuller Jahre, als Guerillas aus dem Tschad und dem Sudan den Norden der Zentralafrikanischen Republik zunehmend als Rückzugsraum nutzten. Am 24. März dieses Jahres gelang es UFDR und CPJP schließlich nach einem nur kurze Zeit andauernden Friedensabkommen den Staatspräsidenten François Bozizé zu stürzen und den bereits im Februar als Verteidigungsminister installierten Michel Djotodia als neuen Präsidenten zu installieren.

Bozizé, der nach Kamerun floh, gehört zu den überwiegend christlichen Gbaya, die mit etwa 34 Prozent das relative Mehrheitsvolk in der Zentralafrikanischen Republik sind. Djotodia ist (trotz seines Namens) Moslem und Gula. Obwohl der neue Präsident die Séléka im September offiziell auflöste, gingen die ethnischen Auseinandersetzungen mit Massenhinrichtungen, rechtswidrigen Tötungen, wahllosen Angriffen auf Zivilisten und Plünderungen nicht zu Ende, sondern nahmen derart an Schärfe zu, dass Beobachter heute von einem weitgehenden Zusammenbruch der staatlichen Ordnung sprechen.

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