Vom Krieg zum Ökozid in der Ukraine: Das sind die globalen Folgen

Seite 2: Uran-Munition: Großflächige und langfristige Verseuchung

Uranmunition wirkt über Nanopartikel im menschlichen Blutkreislauf extrem toxisch – trotz der scheinbar geringen radioaktiven Strahlung. Großflächige Verseuchungen durch deren Einsatz sind aus dem Balkan und dem Irak bekannt, was sich bis heute unter anderem in genetischen Schäden bei Neugeborenen zeigt. Krebserkrankungen treten in diesen Regionen bei Erwachsenen statistisch um ein Vielfaches häufiger auf.

Die Folgen des Einsatzes von Uranmunition werden bis heute systematisch verharmlost, zuletzt in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Bundestag vom 10.5.2023. Anlass für diese Anfrage war, dass Anfang März 2023 die britische Regierung ankündigte, Uranmunition an die Ukraine zu liefern. Dieses ist in den darauffolgenden Wochen offenbar auch erfolgt.

Bekannt ist, dass am 13. Mai 2023 im Westen der Ukraine ein riesiges Munitionsdepot mit einer weithin sichtbaren Explosionswolke gezielt zerstört wurde. Regional wurde danach eine erhöhte radioaktive Strahlenbelastung gemessen.

Anfang September 2023 begannen auch die USA mit der Lieferung von Uranmunition an die Ukraine. Von russischer Seite wurde die Vernichtung des Munitionslagers mit offensichtlich vorhandener Uranmunition zwar nicht offiziell bestätigt, Mitte September gab es jedoch eine Meldung, dass man ein – womöglich weiteres – Lager mit Uranmunition vernichtet habe. Nicht nur britische und US-amerikanische Panzer, sondern auch deutsche Leopard 2 können mit der gelieferten Uranmunition bestückt werden.

Streumunition: Dekontaminierung als Jahrhundertaufgabe

Seit Juli 2023 liefern die USA Streumunition an die Ukraine. International geächtet ist Streumunition aus mehreren Gründen.

Erstens: Aus humanitärer Sicht ist es verwerflich, dass diese schwer behandelbare Wunden sowie dauerhafte Verstümmelungen von Gliedmaßen verursacht.

Zweitens: Aufgrund ihrer geringen Zielgenauigkeit ist bei deren Einsatz keine Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen möglich.

Drittens: Da ein großer Anteil der Minibomben (Bomblets) in einer Größe von fünf bis 20 Zentimeter nicht explodiert, sondern sich als Blindgänger in den Boden eingräbt, müssen die betroffenen Gebiete als Sperrzonen ausgewiesen werden. Blindgänger von Streubomben wirken deshalb ähnlich wie Landminen, was insbesondere in der Ukraine unmittelbar zum Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche führt.

Erfahrungen aus Kriegsgebieten wie Laos (im Rahmen des Vietnam-Krieges) und den Irak, wo diese von den USA massenhaft eingesetzt wurden, zeigen auf, dass deren Räumung vor Ort eine Langzeitaufgabe ist. Vornehmlich in Laos sind davon nach mehr als 50 Jahren noch relevante Flächen, etwa Reisfelder, betroffen.

Risiken des Atomkraftwerkes Saporischschja

In dem seit März 2022 unter russischer Kontrolle stehenden AKW wurde im September 2022 der letzte Reaktorblock für die Stromversorgung abgeschaltet. Die Anlage wurde bereits mehrfach von ukrainischen Drohnen beschossen, wobei unter anderem wichtige Stromleitungen beschädigt wurden. Zeitweise war die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) vor Ort.

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms konnte zwar die Kühlung der Anlagen vorübergehend sichergestellt werden, es besteht jedoch weiterhin ein latentes Risiko, wenn die einzige zu diesem Zeitpunkt funktionierende Hochspannungsleitung durch Kampfhandlungen oder Sabotage länger ausfällt und die nach einiger Zeit notwendige Versorgung der Dieselgeneratoren mit Treibstoff ebenfalls durch kriegerische Handlungen blockiert wird. Ein weiteres erhebliches Risiko besteht in der möglichen Beschädigung der Kühlwasserspeicher und dem Verlust von Kühlwasser.

Die Folgen der Staudamm-Sprengung bei Kachowka

Am 7. Juni 2023 wurde der wichtige Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine zerstört, was großflächige Überschwemmungen zur Folge hatte. Die Staudamm-Sprengung bei Kachowka hat die kritische Lage des AKW Saporischschja nochmals eskaliert. Durch das Auslaufen des Dnipro-Staudammes wurde auch dessen Kühlwassersystem stark beeinträchtigt, das trotz der abgeschalteten Reaktoren notwendig ist.

Zumindest ist völlig ausgeschlossen, dass die im Normalbetrieb erforderliche Kühlleistung, die bisher über den Stausee erfolgte, eine Wiederinbetriebnahme des AKW ermöglicht.

Der gesprengte Staudamm diente nicht nur der Bewässerung riesiger Ackerflächen auf beiden Seiten, sondern über ein langes Kanalsystem auch der Bewässerung großer Teile der Krim, die dadurch nachhaltig geschädigt wurde.

Für die Ökosysteme an den Ufern des Dnipro bedeutet die Dammsprengung eine ökologische Katastrophe. In dem zerstörten Kraftwerk waren offenbar auch 150 Tonnen Öl gelagert, die ins Wasser und mit der Flut an Land gelangten. Vermutlich wurden auch Chemikalien aus den Fabriken am Ufer mitgeschwemmt. Millionen von Fischen, Vögeln und anderen Tieren verendeten vermutlich in den Fluten. (NZZ vom 8.6.2023).

Es war der ukrainische Präsident Selenskyj, der sofort Russland für die Katastrophe verantwortlich machte und von einem Ökozid sprach. Letzteres trifft zweifellos zu, gilt aber bereits auf die gesamten bis dahin erfolgten Umweltschäden. Hinsichtlich der bis heute ungeklärten Urheberschaft der Staudammsprengung weisen die Indizien jedoch relativ eindeutig in Richtung Ukraine.

Fazit

Die Ökobilanz des Krieges in der Ukraine kann schon jetzt als historisch beispiellos bezeichnet werden, selbst wenn man die Gesamtheit der direkten und indirekten Auswirkungen des beschleunigten Ausstoßes von Treibhausgasen außer Acht lässt.

Auch der langfristige Verlust wertvollsten Ackerlandes in der Ukraine hat globale Auswirkungen. Aber auch dort, wo landwirtschaftliche Produktion weiterhin möglich sein wird, werden nur noch westliche Großinvestoren bestimmen, was dort angebaut wird: Lukrative Produktion mit hohem Pestizideinsatz auf ohnehin kriegsverseuchten Böden und damit orientiert an den Bedürfnissen zahlungskräftiger Länder auf dem Weltmarkt, nicht aber an regionaler und globaler Ernährungssicherheit.

Zerstörte Infrastruktur in Kriegsgebieten kann kurz- und mittelfristig wieder aufgebaut werden – kontaminierte Böden sind eine Belastung für die Ewigkeit. Deshalb gilt: Ein Wiederaufbau der Ukraine ist nur möglich, wenn die Lieferung von umweltzerstörenden Waffen und Munition sofort gestoppt wird. Dies gilt auch für die deutsche Politik.

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