Vom Werden und Vergehen des Neandertalers
- Vom Werden und Vergehen des Neandertalers
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Die Neandertaler gab es vor mehr als 400.000 Jahren, viel länger als bisher angenommen. Eine extrem erfolgreiche Menschenart, deren endgültiges Verschwinden den Experten bis heute Kopfzerbrechen bereitet
In Nordspanien liegt die Karstlandschaft Sierra de Atapuerca östlich der Stadt Burgos. Sie birgt zahlreiche Höhlen, in denen seit den 1970er Jahren des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Fossilien menschlicher Vorfahren gefunden wurden. In der Höhle Cueva Mayor bahnten sich die Ausgräber mühsam kriechend ihren Weg zur sogenannten "Knochengrube" Sima de los Huesos, in der seit den 1990er Jahren mehr als 5.000 menschliche Fossilien von mindestens 28 Individuen gefunden wurden.
Den Merkmalen der Skelette nach wurden sie von den Entdeckern zunächst der Art Homo heidelbergensis zugeordnet, obwohl sie morphologisch durchaus an Neandertaler erinnern, vor allem die Schädel und Zähne.
Bei konstanten zehn Grad Celsius und gleichbleibender Feuchtigkeit in der Höhle wurden die in Tonerde eingebetteten, uralten Knochen wie in einem Kühlschrank konserviert und enthielten tatsächlich noch Spuren der DNS.
Der Fundort warf dennoch viele Fragen auf. Die Datierung war schwierig, die Experten einigten sich am Ende auf ein Alter von zunächst mindestens 300.000 Jahren, folgende intensive Untersuchungen ergaben letztlich vor zwei Jahren ein Alter von 430.000 Jahren.
Es entspann sich eine Debatte, ob die Karsthöhle als eine Art vorzeitlicher Begräbnisplatz der Ur-Europäer gedient haben könnte. Es wurden dort eine Menge von Raubtierknochen, aber keine Überreste ihrer Beutetiere gefunden - und die Entdeckung eines einzelnen Faustkeils wurde zudem von einigen Prähistorikern als Beleg für Bestattungen interpretiert, die Mehrheit der Fachwelt widersprach allerdings nachdrücklich.
Neandertaler oder Denisova-Mensch
Die eingehendere Analyse der Merkmale der Skelette zeigte, dass sie bereits viele Neandertaler-, aber auch einige archaischere Merkmale aufweisen. Sie sind zumindest der erste Schritt zum Homo neanderthalensis, ein unmittelbarer Vorfahr oder vielleicht sogar die allerersten ihrer Art. Denn nach gängiger Meinung galt bisher, dass der Neandertaler erst vor maximal 200.000 bis 250.000 Jahren das Licht der Welt erblickte.
Allerdings gibt es noch den deutlich älteren, in England gefundenen, Swanscombe-Schädel einer zumindest Prä-Neandertalerin mit einem Alter von ungefähr 400.000 Jahren. Aber diese Bruchstücke eines Schädels führten zwar immer wieder zu Diskussionen, aber nicht zu einer grundlegend neuen Sicht der Dinge in der Fachwelt.
Das könnte sich jetzt ändern, denn kürzlich legte ein internationales Forscherteam um Matthias Meyer, Sarah Nagel vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Juan-Luis Arsuaga von der Universidad Complutense de Madrid im Wissenschaftsmagazin Nature eine neue Analyse des Erbguts der Hominiden von Sima de los Huesos vor.
Vor rund zwei Jahren hatten die Wissenschaftler bereits eine erste Untersuchung des mitochondrialen Genmaterials durchgeführt, also der nur von der Mutter vererbten Gene im Innern der winzigen Kraftwerke der Zellen, den Mitochondrien. Die extrahierte DNS hatten sie mir derjenigen von Neandertalern, Denisovanern, sowie heute lebenden Menschen und Menschenaffen verglichen. Das Resultat überraschte alle, denn es schien, als seien die Hominiden von Sima de los Huesos sehr eng mit den Denisova-Menschen verwandt (Urahnen-Gene).
Letzerer ist nur durch sein Gene bekannt, 2010 hatten Experten - ebenfalls unter Leitung des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie - das Genom dieser einstigen Bewohner des Altai-Gebirges untersucht und dadurch festgestellt, dass es sich um eine neue, bis dahin unbekannte Menschen-Form handelt, die vor circa 40.000 Jahren in Sibirien lebte. Wie sie ausgesehen hat, ist bis heute unbekannt, die Probe wurde einem Fingerknochen entnommen (Ein neuer Mensch).