Vom tiefen Wandel des Verlegens: Digital & multifunktional

Die einzige Kulturzeitung Europas über Buchmarkt und Dichterträume

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Es gibt ja einige in der Umgebung, die nun die magische Grenze der 50 erreicht haben. So auch dieses Medium. Schön an ihm ist, dass es mit dem Alter nicht rostet, im Gegenteil und wirtschaftlich gesund ist. Und vielleicht ist es wirklich die einzige "Kulturzeitung Europas": Lettre (alle 3 Monate, je ca. 130 S., je DM 17,-).

Die 50igste Ausgabe verdient unser ganz besonderes Interesse, da sich darin ein ganzes Kapitel mit dem "Buchmarkt und Dichterträumen" beschäftigt. Gleich vorweg gibt es da einen Auszug aus Jason Epsteins Buch "Book Business", das nächstes Jahr im Verlag Norton & Company erscheinen wird, mit der Überschrift "Bücher, Autoren, Verleger - Von Gutenbergs beweglichen Lettern zur digitalen Bibliothek".

Epstein, lange Jahre der geistige und verlegerische Kopf von Random House und Mitgründer des "New York Review of Books" erzählt äußerst anschaulich das Werden und den Wandel des Verlegertums in den letzten 40 Jahren. Selbstverständlich liegt sein Fokus dabei hauptsächlich auf Amerika. Alleine dies ist schon spannend genug, anekdotenreich, amüsant und voll heiterer Nachdenklichkeit. Besonders schön ist die Geschichte mit den 3 Parkplätzen und den Autoren, die die Couch in Epsteins Büro auch nächtens benutzen.

Doch dann macht er etwas, was schon einer gewissen Genialität bedarf: Er spannt den Bogen vom heutigen, digitalen und individuellen Publizieren zurück in die Zeit, als es noch gar keine Verlage im heutigen Sinn gab - und entdeckt dabei geradezu verblüffende Ähnlichkeiten. Denn damals, als die Schreiber und Autoren noch durchs Land zogen, war es nicht etwa so, dass sie auf dem Marktplatz ihre fertigen Bücher anboten. Nein, viel besser: Sie offerierten Subskriptionen auf ihre Titel, die sie erst noch schreiben mussten. Sammelten sie genug ein, schrieben sie das Buch wirklich. Falls nicht, wechselten sie das Thema und es gab eben ein anderes Buch. Ökonomisch und ökologisch zugleich.

Irgendwie kommt uns das heute ziemlich bekannt vor, denn nichts anderes haben beispielsweise Seth Godin, Stephen King und dieser Tage gerade Frederick Forsyth mit seinem fünfteiligen Band Quintet im Web gemacht. Und dann wagt Jason Epstein eine Prognose über das Verlagswesen, die anhand seiner Belege sehr treffend ist: "Für diese Funktionen (Werbung, Layout, Finanzierung, ....) bringt Größe keinen Vorteil, sondern wird ab einem bestimmten Punkt eher zu einem Störfaktor. Ich vermute, dass zukünftige Verlagseinheiten klein sein werden, auch wenn sie in Verbindung zu einer zentralen Finanzierungsstelle stehen."

Der Mann hat Weitblick, das Medium in dem es steht beweist es und die Fülle von Titel, die z.B. das britische Unternehmen "Online Originals" im Web schon anbietet zeigt, wohin der Zug des Publizierens unaufhaltsam rattert.