"Von Clowns designt", "die von Affen beaufsichtigt werden"
Boeing fällt hinter Airbus zurück - maßgebliche Ursache ist das 737-Max-Problem
Am Wochenende gab der aus Messerschmitt, Focke-Wulf, Aérospatiale und mehreren anderen Flugzeugherstellern entstandene Airbus-Konzern bekannt, im vergangenen Jahr 863 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert zu haben. Das waren zwar acht Prozent mehr als 2018, aber weniger als das ursprünglich bei 880 bis 890 angesetzte Auslieferungsziel für 2019 vorgab.
Als Ursache für die Zielverfehlung nennt der Konzern Probleme mit der Cabin-Flex-Option für die A321-NEO-Version A321 LR mit erhöhter Reichweite und geänderten Türen. Cabin Flex soll in den nächsten Jahren trotzdem auf die ganze A320-Reihe ausgedehnt werden. Weitere Probleme (die Beobachter jedoch als "ausklingend" werten) machten "Kinderkrankheiten" der NEO-Triebwerke GTF (von Pratt & Whitney) und Leap (von CFM).
Die mit Abstand meisten der 2019 ausgelieferten Airbus-Flugzeuge waren mit 551 den NEO-Maschinen: 381 A320 NEO, 168 A321 NEO und zwei A319 NEO. Weitere 91 gehören zu den Current-Engine-Option-Varianten: 49 A320 CEO, 38 A321 CEO und vier A319 CEO. Von den A350-Langstreckenjets verließen 112 die Werkshallen, von den A330 53 und von den kleinen A220 48. Vom hochsubventionierten Großraumpassagierflugzeug A380, dessen Produktion 2021 ganz eingestellt wird, setzte man ganze acht ab (vgl. Airbus will A380-Staatskredite nicht zurückzahlen).
Entlassungen bei Boeing-Zulieferer
Trotz des verfehlten Ziels ist es Airbus 2019 mit diesen Auslieferungszahlen gelungen, den US-amerikanischen Boeing-Konzern als größten Flugzeughersteller der Welt abzulösen. Boeing verfehlte nämlich mit nur gut 345 Flugzeugen sein bei 900 Verkehrsmaschinen gestecktes Ziel noch sehr viel deutlicher. Das ist vor allem die Folge eines weltweiten Flugverbots für die Boeing 737 Max, von der nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten und der Verhängung eines weltweites Flugverbots über 400 "auf Halde liegen" (vgl. Erdoğan droht USA mit Boeing-Boykott).
Zu diesem Schaden kommen Schadensersatzforderungen von Fluggesellschaften hinzu, die wegen des 737-Max-Flugverbots zahlreiche Flüge streichen und Ersatzmaschinen besorgen mussten. Für das Begleichen solcher Schadensersatzansprüche hat Boeing bislang 5,6 Milliarden Dollar zurückgelegt. Keine Schadensersatzforderung stellen können 2.800 Arbeiter des Boeing-Rumpfzulieferers Spirit AeroSystems, der am Freitag bekannt gab, wegen des vorläufigen Stopps der Produktion weiterer 737 Max 16 Prozent seiner Belegschaft zu entlassen.
"Gott hat mir noch immer nicht für das vergeben, was ich im vergangenen Jahr vertuscht habe"
Die bald arbeitslosen Spirit AeroSystems-Arbeiter können sich lediglich damit trösten, dass im Dezember auch Boeing-Chef Dennis Muilenburg entlassen wurde - auch wenn dessen Karriereknick ungleich besser abgefedert sein dürfte. Nun soll der bisherige Boeing-Verwaltungsratsvorsitzende David Calhoun die Affäre 737 Max aufklären. Material dazu lieferten ihm hierarchisch weniger begünstigte Boeing-Mitarbeiter, deren interne Mails US-Kongressabgeordnete am Donnerstag veröffentlichten.
Eine Angestellte kommt darin zum Ergebnis, dass die 737 Max "von Clowns designt" wurde, "die von Affen beaufsichtigt werden". Ähnlich schlecht kommt die Ausbildungssoft- und Hardware weg: "Würden Sie Ihre Familie in ein Flugzeug setzen, dessen Crew am Max-Simulator trainiert hat? - Ich würde das nicht", schrieb ein Boeing-Angestellter dazu einem Kollegen (der ebenfalls verneinte).
Gegenüber der amerikanischen Aufsichtsbehörde FAA sollte da anscheinend ein anderer Eindruck gemacht werden: "Gott hat mir noch immer nicht für das vergeben, was ich im vergangenen Jahr vertuscht habe", befürchtet ein Boeing-Angestellter 2018 in diesem Zusammenhang. Ein anderer bemängelte bereits im Sommer 2018 ein "systemisches" Problem: "Ein Führungsteam, das sehr wenig vom Geschäft versteht", aber Zielvorgaben ausgibt, die sich nicht erfüllen lassen. Ob das bei Airbus anders läuft, weiß man nicht.
Schwierigkeiten auch beim Standbein Raumfahrt
Der Verkauf von Flugzeugen für die zivile Luftfahrt ist nicht das einzige Geschäft, mit dem Boeing Geld verdient: 2018 kam ein knappes Drittel des Unternehmensgewinns aus Rüstungs- und Raumfahrtaufträgen. Damit ist die US-Regierung der größte Einzelkunde des Konzerns - und Boeing ist mit etwa einem Fünftel des gesamten Auftragsvolumens der zweitgrößte Auftragnehmer des US-Verteidigungsministeriums nach Lockheed Martin. Bei den Apache-Hubschraubern und den anderen Produkten, die Boeing hier liefert, gibt es jedoch aktuell kein mit dem 737-Max-Desaster vergleichbares Problem.
Beim Standbein Raumfahrt gab es zwar Schwierigkeiten - aber keine so großen: Der Boeing-Starliner, der in Zukunft Astronauten zur ISS bringen soll, verbrauchte bei einem Test (angeblich wegen einer falsch eingestellten Uhr) zu viel Treibstoff und musste im Dezember zur Erde zurückkehren, ohne vorher an die Internationale Raumstation angedockt zu haben. Sowohl Boeing als auch die US-Raumfahrtbehörde NASA betonten danach, dass der Test nicht nutzlos gewesen sei, sondern viele wertvolle Daten für weitere Versuche gebracht habe.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.