Von Fast Fashion zur Altkleiderflut

Seite 2: Die Textilindustrie muss entgiftet werden

Die Modeindustrie gilt weltweit als zweitgrößter Umweltverschmutzer, gleich nach der Ölindustrie. Die Textilproduktion laugt Böden aus und lässt toxische Farbstoffe ins Grundwasser und Plastikpartikel in die Weltmeere sickern. Mit etwa 3.500 krebserregenden, hormonell wirksamen giftigen Chemikalien werden die Rohmaterialien bedruckt und zu bunter Kleidung verarbeitet. Viele dieser Chemikalien wandern rund um den Erdball - und finden sich schließlich in der Küstenluft vor Südafrika, in der Leber von Eisbären oder in der menschlichen Muttermilch wieder.

Hinzu kommt der gigantische Wasserverbrauch: Bei der Herstellung einer einzigen Jeans in einer asiatischen Fabrik werden rund 7.000 Liter Wasser verbraucht. Rund 80 Marken haben sich bereits verpflichtet. GOTS, Made in Green, Der Blaue Engel, Blue design, Cradle to Cradle, EU-Ecolabel - diverse Siegel bescheinigen Textilien Nachhaltigkeit, wenn auch in unterschiedlichen Qualitäten. Am weitesten verbreitet ist der Oeko-Tex Standard 100. Er dient in erster Linie dem Verbraucherschutz, denn er prüft nur Schadstoffrückstände im Endprodukt. Für Herstellung und Umweltschutz gibt es keine Auflagen. Darüber hinaus vergibt das Prüfsystem auch die umweltfreundlichen Textil-Siegel Made in Green und SteP by Oeko-Tex.

Das Verifizierungssystem Detox to Zero by Oeko-Tex® - eine Analyse des Chemikalienmanagements und der Abwasserqualität - will die Kriterien der Detox-Kampagne von Greenpeace in der Textil- und Lederindustrie umsetzen. Ziel ist es, Betriebe auf ihrem Weg zu einer sauberen Produktion zu unterstützen. Neben einer jährlichen Chemikalien-Bewertung in der Produktion werden Abwasser und Klärschlamm auf den Einsatz von besonders gefährlichen Chemikalien untersucht. Will ein Betrieb die Anforderungen der Greenpeace-Detox-Kampagne selbst umsetzen, kann er hier einen Antrag stellen.

Wohin mit 500 Millionen unverkauften Kleidungsstücken?

Als zu Beginn dieses Jahres Unmengen von ungenutzten Kleidern in den Müll wandern sollten, forderte Greenpeace die Behörden auf, diesen Gesetzesverstoß zu verhindern. Im Oktober 2020 trat eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Kraft, dass das Unternehmen dazu verpflichtet, beim Vertrieb oder der Rückgabe der Erzeugnisse dafür zu sorgen, dass deren Gebrauchstauglichkeit erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.

Die Händler sollen unverkaufte Artikel nicht nur nicht zur stofflichen oder energetischen Verwertung abgeben dürfen, sondern sie müssen nachweisen, dass sie weiter gebrauchstauglich sind. Neue gebrauchsfähige Produkte, die nicht verkauft werden können, sollen einer Sammelstelle zwecks Wiederverwendung zugeführt werden. Bislang fehlt dazu allerdings eine gesetzliche Grundlage. Bis diese geschaffen ist, soll die Branche eigene Lösungen entwickeln, fordert Greenpeace. Bei der neuen Obhutspflicht handele es um eine aus dem Europarecht stammende umweltbezogene Norm. Laut Umweltrechtsbehelfsgesetz bestehen darüber hinaus Verbandsklagerechte.

Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, fordert Viola Wohlgemuth. Die Modeindustrie muss sich dringend neue Geschäftsmodelle einfallen lassen, so die Konsumexpertin bei Greenpeace. Vor allem dürfen keine kostbaren Ressouren mehr verschwendet werden. Bis Ende diesen Jahres soll eine EU-weite Textil-Strategie in Bezug auf Standards zu Qualität erstellt werden.

Reparieren statt Wegwerfen

Wenn ein Fünf-Euro-Shirt einen Fleck bekommt, ist es fast billiger, es wegzuwerfen. Da lohnt das Reparieren kaum. Doch bei genauem Hinsehen halten die meisten Materialien eine Ewigkeit, denn sie bestehen aus synthetischen Fasern, also aus Plastik. Die italienische Designerin Orsola de Castro fordert die Konsumenten dazu auf, alte Klamotten zu reparieren und zu verschönern. Das einzige Gegenmittel zur Wegwerfkultur sei das radikale Behalten.

2013, nach dem Einsturz einer Fabrik in Bangladesh, bei dem 1.135 Menschen zu Tode kamen, gründete die Mode-Expertin gemeinsam mit anderen die gemeinnützige Fashion Revolution. Die weltweit größte Bewegung von Modeaktivisten berät inzwischen Modefirmen, Privatleute und Politiker in 92 Ländern. So bieten Labels wie Eileen Fisher oder Patagonia mittlerweile Reparatur- bzw. Recyclingservices an. Wenn Modefirmen den Leuten, die die Kleidung herstellen, keinen anständigen Lohn bezahlen, dann müssen diese Kleidungsstücke wenigstens so lange wie möglich halten, lautet ihre Devise. Getreu dem Motto: Wer kaputte Klamotten repariert, repariert ein kaputtes System.

Und was ist mit dem Bedürfnis nach immer neuen Klamotten? Leihen, teilen, tauschen - längst gibt es Kleider-Sharing, Second-Hand-Läden oder Umsonstläden, in denen getragene, gut erhaltene Klamotten verschenkt oder billiger verkauft werden. Auch die Zahl der Online-Plattformen für Second-Hand-Kleider steigt. Der globale Umsatz mit Second-Hand-Kleidung soll inzwischen auf 36 Milliarden US-Dollar angewachsen sein.

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