Von Präsidenten, Gegen-Präsidenten und Regime-Change
Seite 3: Guaidó ist als Präsident noch weniger legitimiert als Maduro
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Fakt ist, dass Maduro als offiziell gewählter Präsident zumindest durch die Stimmen eines Teils der venezolanischen Bevölkerung legitimiert ist, während sein Kontrahent abgesehen von seiner Wahl ins Parlament und zum Parlamentspräsidenten nur von einigen ausländischen Staaten unterstützt wird. Diese können aber niemals eine demokratische Legitimation bieten, denn eine solche kann nur innenpolitisch erfolgen.
Im Völkerrecht gilt, dass Herrschaft ein Höchstmaß an Legitimität aufweisen muss. Damit steht Maduro eindeutig über Guaidó. Das hat nichts mit Sympathie oder Antipathie zu tun. Wer behauptet, dass juristische Legitimation, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wichtig sind, muss einen schlecht legitimierten Präsidenten einem selbst ernannten und vom Ausland unterstützten vorziehen. Ganz zu schweigen davon, dass diejenigen, die nun Guaidó anerkennen, weit davon entfernt sind, dies im Interesse der Venezolaner*innen zu tun.
Es gibt kein Recht auf Intervention
Was derzeit in Venezuela zu beobachten ist, kann man in der Geschichte immer wieder feststellen: Ein innenpolitischer Machtkampf eskaliert durch ausländische Einmischung. Naturgemäß liegen dabei den Intervenierenden die eigenen wirtschaftlichen, geostrategischen und politischen Interessen näher als das Wohlergehen der betroffenen Bevölkerung. Und naturgemäß hört sich das in der Öffentlichkeit der Interventionsländer anders an: Denn wie hoch wäre die Zustimmung zur eigenen Außenpolitik, wenn diese einräumen müsste, im besten Fall egoistisch, im schlechtesten jedoch zynisch zu handeln?
Oder haben wir schon vergessen, was der durch Menschenrechte, Demokratie und Humanität verschleierte Kampf um Ressourcen im Irak oder in Libyen angerichtet hat? Zuerst erschallt der Ruf nach Stärkung der Menschenrechte, gefolgt von der Forderung nach Sturz des Diktators. Dann fallen die Bomben der Demokratie und des Humanismus, anschließend wird das Land nach neoliberalen Vorgaben einer Marktöffnung unterzogen (Kritiker verwenden dafür den Begriff Plünderung), die verarmte Bevölkerung radikalisiert sich, Warlords stoßen in das Machtvakuum, und am Ende steht die lapidare Feststellung, ein noch wenige Jahre zuvor mittelmäßig funktionierendes Land sei nun ein "failed state".
Frieden ist alternativlos
Eine Diktatur kann sich evolutionär langsam zu mehr Freiheitsrechten und Richtung Demokratie wandeln oder durch Revolution und Tyrannenmord vorübergehend abgeschafft werden. Die Geschichte zeigt aber, dass auf Umstürze stets neue Gewalt folgt. Eine Befriedung muss langsam und von innen erfolgen.
Deshalb geht es jetzt nicht darum, für oder gegen Maduro zu sein. Es geht um einen innervenezolanischen Machtkampf, und noch mehr um einen internationalen Kampf um Wirtschaft, um Finanzen, um Ressourcen, um die größten Ölvorkommen der Erde. Die langjährigen westlichen Wirtschafts- und Finanzsanktionen haben maßgeblich zur Notsituation in Venezuela beigetragen. Sie sind Elemente eines Krieges. Den Venezolaner*innen wirklich zu helfen heißt, einen Machtkompromiss anzustreben. Dies bedeutet nein zu militärischen Interventionen, ja zum Ende der Wirtschaftssanktionen und ja zu einer echten Demokratie. Denn Frieden ist keine romantische Wunschvorstellung. Frieden ist rational alternativlos.
Kurt Gritsch ist Historiker und Konfliktforscher.