Von der Leyen: Hoffnungsträgerin für Polen in Sachen Energie

Bild: Kancelaria Premiera/public domain

Mit der künftigen Vorsitzenden der Europäischen Kommission scheint sich für die nationalkonservative Regierung ein neuer Handlungs- und Verhandlungsspielraum in Brüssel aufzutun

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die CDU-Politikerin, die am Donnerstag Warschau besuchte, gab dort weitere Signale der Entspannung. Zwar erklärte sie: "Es gibt Themen, bei denen wir uns einig sind, und Themen, bei denen wir uns nicht einig sind." Gemeint sind die Streitpunkte "Rechtsstaatlichkeit und Migration" zwischen Brüssel und Warschau.

Mehrere Verfahren laufen von Seiten der EU-Kommission gegen Polen, da die PiS die Justiz größtenteils unter Kontrolle des Staates gebracht hatte. Ein weiteres Problemfeld ist die Weigerung Warschaus Migranten aus den Lagern in Italien und Griechenland aufzunehmen, was die Vorgängerregierung noch zugestanden hat. Auf der Pressekonferenz mit dem polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki betonte die CDU-Politikerin jedoch, sie wolle der polnischen Seite "mit Respekt" begegnen. Zu dem Thema CO2-Emission und Nord Stream 2, ebenfalls wichtige Belange Polens, äußerte sie sich nicht. Und hier erhofft Polen Bewegung in Brüssel.

Der Besuch von der Leyens stand unter besonderen Vorzeichen. Zum einen hat die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die in Straßburg zur Partei "Europäische Konservative und Reformer" (EKR) gehört, der Deutschen überraschend ihre Stimmen und somit den Ausschlag zu ihrer erfolgreichen Wahl gegeben.

Im Vorfeld hatte der polnischsprachige CDU-Abgeordnete Paul Ziemiak PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski seine Aufwartung gemacht und wohl um die Stimmgunst von dessen Partei gebeten.

Die nationalkonservative Regierung, die letztens oft mit Brüssel haderte, konnte so mit ihrer Entscheidung die vorwiegend proeuropäische Bevölkerung angesichts der kommenden Parlamentswahlen milde stimmen. Im Vorfeld gab es darum von vielen sonst skeptisch eingestellten PiS-Politikern lobende Töne über die 60-Jährige. Auch als Trägerin eines Adelstitels sowie konservativer Kostüme, als passionierte Reiterin und mehrfache Mutter kann die Politikerin im traditionsbewussten Polen Eindruck machen.

Polen will Gegenleistungen

Doch nun verlangt Warschau wohl Gegenleistungen, was Morawiecki mit "Wir wollen ein Europa der Kompromisse bauen" umschrieb. Morawiecki stellte nach der Unterredung mit von der Leyen den Politologen Krzysztof Szczerski als Kandidaten vor. Der bisherige Sekretär in der Kanzlei des Staatspräsidenten Andrzej Duda wirkte schon als EU-Parlamentarier und gilt innerhalb des nationalkonservativen Regierungslagers als gemäßigte Stimme.

Morawiecki signalisierte im Vorfeld, dass er gerne den Energie-Bereich der EU-Kommission in polnischer Hand wüßte. Sollte Szczerski einen solchen Posten bekommen, wäre dies ein konkreter Erfolg für die Regierung, auch wenn eine solche Personalentscheidung noch vom Europäischen Parlament abgesegnet werden müsste. Szczerski könnte sich bei dann für Polens Pro-Kohle-Politik sowie gegen Nord Stream 2 einsetzen, an dem die europäischen Energiekonzerne Engie, Gazprom, OMV, Shell, Uniper und Wintershall beteiligt sind.

Polen will die Gasleitung, die von Russland über die Ostsee nach Deutschland führt und bereits im Bau ist, verhindern. In Warschau, dies ist auch die Meinung der Opposition, fürchtet man eine zu große Energieabhängigkeit von Russland und eine Gefährdung der Energiesicherheit der Ukraine.

Von der Leyen gegen deutsche Regierung?

Von der Leyen gestand kürzlich, dass es sich bei Nord Stream 2 auch um ein "politisches Projekt" handele. Ein Ausdruck, den Kanzlerin Angela Merkel und auch der deutsche Außenminister Heiko Maas bislang nicht in den Mund nahmen. Auch warnte sie vor einer zu großen Abhängigkeit von russischer Energie und schlug eine "Entbündelung in Nord Stream" vor.

Eine Verhinderung des Projekts ist sicherlich unwahrscheinlich. Doch die Entbündelung ist eine Anspielung auf eine EU-Gesetzesnovelle vom April, das Gazprom das Geschäft erschweren würde. So sollen Pipelines aus Drittstaaten künftig EU-Regeln unterliegen. Dann könnten die Herstellung von Erdgas und der Betrieb der Pipeline nicht mehr in einer Hand liegen - wie bei Gazprom im Falle von Nord Stream und Nord Stream 2.

Auch soll die Pipeline Konkurrenten offen stehen. Eine solche Einschränkung ist gegen deutsches wie russisches Interesse. Der glücklose Kandidat für das höchste Amt der EU-Kommission, Manfred Weber, hatte sich mit Kritik an dem Pipeline-Projekt auf EU-Linie und gegen Kanzlerin Angela Merkel positioniert. Von der Leyen macht dies bislang ein wenig verhaltener. Doch Deutschland will eine Ausnahmeregelung in der Gesetznovelle bezüglich Nord Stream 2 anstreben und steuert somit auf einen Konflikt mit der EU zu. Hier wird sich von der Leyen irgendwann entscheiden müssen.

Dabei deutet alles darauf hin, dass sich der Konflikt um Nord Stream 2 verschärft. Diese Woche publizierte die liberale Zeitung "Gazeta Wyborzca" einen Bericht über mögliche Umweltverschmutzung durch Öle und Schmierfette, auch soll die Leitung südlich von Bornholm verlegt werden, wo chemische Kampfstoffe auf dem Grund lägen. Mittlerweile haben die Betreiber von Nord Stream 2 vor dem EU-Gericht gegen die neue EU-Gas-Richtlinie Beschwerde eingelegt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.