Von der V2 zum Krieg der Sterne
Die geheimen Pläne des Lyman Louis Lemnitzer, Teil 2
In Westeuropa bereitete Lemnitzer unter strengster Geheimhaltung Militärbündnisse und den Aufbau von paramilitärischen Geheimarmeen vor. Im US-Militär stieg er ganz nach oben auf, und mit ihm sein Knall, den er im Weltraum zur Explosion brachte. Der visionäre Planer förderte die Entwicklung technologischer Wunderwaffen wie bemannte militärische Raumstationen.
Teil 1: Vom Knallfrosch zur Atombombe
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Wie bereits nach dem Ersten Weltkrieg reduzierten die USA nun drastisch ihre Truppen inklusive Führungspersonal. Lemnitzers in Italien erworbene Orden vermochten zwar seine Position beim "Joint Strategic Survey Committe" zu sichern, welches dem höchsten militärischen Gremium zuarbeitete, dem Vereinigten Generalstab der Teilstreitkräfte (Joint Chiefs of Staff - JCS). Jedoch war keine Beförderung in Aussicht. Den eigentlichen Krieg mussten die Militärs gegen Washington führen. Lemnitzer ärgerte sich maßlos über die sowjetische Blockade-Haltung in der neugegründeten UNO. Aus der Ablehnung des amerikanischen Angebots, Atomwaffen unter die Kontrolle der UNO zu stellen, schloss der Stratege zutreffend, dass Stalin seine eigene Bombe entwickelte. Inzwischen war Lemnitzer zum Vize des National War College in Washington berufen worden.
Brüsseler Pakt
1948 sandte Trumans Verteidigungsminister James Forrestal den weitsichtigen General auf eine Mission nach London, deren absolute Geheimhaltung der des Manhattan-Projekts entsprach. Dort hatte sich ein "Military Committee of the Five Powers" aus Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten formiert, das die Aktionen der Sowjetunion aufmerksam verfolgte, die ihrerseits seit Lemnitzers "Operation Sunrise" Argwohn hegte. Stalin hatte seine Macht in Osteuropa ausgebaut und unterstützte Kommunisten in Westeuropa. Churchill hatte bereits 1945 in einem Brief an Truman erstmals vom "Eisernen Vorhang" gesprochen. Unter dem Eindruck der Ereignisse in der Tschechoslowakei hatten sich im März die fünf mitteleuropäischen Staaten im Brüsseler Vertrag zusammengeschlossen und bei den Amerikanern angefragt. Die Mission war auch innenpolitisch brisant, da die amerikanischen Isolationisten einem Militärbündnis kritisch gegenüber gestanden hätten. Lemnitzer, damals ein nur Zwei-Sterne-General, war für diese Mission eigentlich unterrangig gewesen, doch kannte er zum einen viele europäische Militärs aus dem Krieg, zum andern konnte er so unauffälliger reisen. Lemnitzers Mission war nichts weniger als die Keimzelle der 1949 gegründeten NATO .
Kalter Krieg
Als Lemnitzer eintraf, hatte gerade die Berlin-Blockade begonnen, welche den Westen zusammenschweißte. Das geheime Interesse, das kriegszerstörte Europa für einen Krieg gegen die Sowjetunion zu stärken, begünstigte hinter den Kulissen den Marshall-Plan, wodurch auch dem Einfluss der europäischen Kommunisten entgegengewirkt werden sollte, die in der verarmten Bevölkerung auf ein hohes Wählerpotential hoffen konnten. Lemnitzer hatte die undankbare Aufgabe, die Geheimpläne dem neuen Verteidigungsminister Louis A. Johnson nach dessen Amtsantritt mitzuteilen, der diese entschieden ablehnte. In dieser Zeit der Reorganisation des Pentagons begann Lemnitzer, sich den Rückhalt des JCS zu sichern, in dem er die Zaren der Waffengattungen und Militärgeheimdienste eigenmächtig über sein Wissen aufklärte - hinter dem Rücken des Verteidigungsministers. Lemnitzer hatte verstanden, wie die Dinge in Washington liefen und aufs richtige Pferd gesetzt, denn 1950 wurde der für seine finanziellen Kürzungen stark kritisierte Louis A. Johnson von Fünf Sterne-General a.D. George Marshall ersetzt.
Geheimarmeen
Bereits 1947 hatte die CIA heimlich in Westeuropa mit dem Aufbau von verdeckten Spezial-Einheiten nach Art der britischen Special Executive Organisation begonnen, die "unorthodoxe Kriegsführung" wie geheime Kommandoaktionen vorbereiteten. Noch vor Gründung der NATO koordinierten das Pentagon und teilweise die aus den US-Militärgeheimdiensten hervorgegangene CIA ein Netz an rechtsgerichteten Paramilitärs, die jeweils unter nationaler Federführung klandestine Kampfstrukturen aufbauten, deren Beziehungen zu den USA abgestritten werden konnten. Die nationalistisch eingestellten Kämpfer selbst wussten gar nicht, dass an der Spitze der Kommandostruktur das US-Militär stand. Zu den Aufgaben der organisierten Schläfer gehörten im Falle eines sowjetischen Einmarsches Sabotage hinter den Linien, Liquidierung von Politikern im linken Spektrum und sonstige Kommandoeinsätze aus dem Hinterhalt. Den Parlamenten wurde die Existenz der sogenannten Gladio-Einheiten verschwiegen, so auch in Westdeutschland, wo man bereits Jahre vor Gründung der offiziellen Bundeswehr heimlich die Verteidigung organisierte. Hochbelastete Nazis kamen in diesen Schläfer-Strukturen unter, andere machten in aktiven Geheimdiensten Karriere, etwa in der unter amerikanischer Regie entstandenen Organisation Gehlen, sowie schließlich im offiziellen deutschen Militär.
Im Falle eines erdrutschartigen Wahlsiegs der Kommunisten wusste man ebenfalls, was zu tun sei. So waren Gladio-Einheiten später in die Militärputsche in der Türkei und Griechenland verwickelt, die jeweils von den USA unterstützt wurden. Die Koordination dieser in der Öffentlichkeit so erst seit den 90er Jahren bekannten Gladio-Kommandos wurde später dem NATO-Kommandanten SACEUR übertragen, der ab 1963 Lemnitzer heißen sollte.
Propaganda
Als weitere Maßnahme infiltrierte die CIA linke Parteien und Gewerkschaften, um in diesem Spektrum Spaltungen und damit Schwächung zu erzielen. Ferner wurden die Medien und die Kulturszene durch finanzielle und personelle Kontrolle entsprechend gesteuert. Ähnliche Konzepte zur psychologischen Beeinflussung wendete man später auch in den USA gegen "Kommunismus", Schwarze und Kriegsgegner an.
Korea
Nachdem Lemnitzer den Kommunismus hinter den Kulissen bekämpft hatte, kommandierte er im Koreakrieg die 7. Infanterie-Division. Korea galt als bislang härtester und schmutzigster Krieg. Die Generäle planten nicht nur den taktischen Einsatz der Atombombe, für die es jedoch kaum effiziente Ziele gab, vielmehr wollten sie als Barriere einen Korridor radioaktiv verseuchen. Der bislang höchstdekorierteste US-General Douglas MacArthur forderte vergeblich und schließlich sogar öffentlich von Präsident Truman die Atomfreigabe, worauf dieser den populären Fünf Sterne-General entließ.
Was das Militär jedoch heimlich tat, konnte in Washington niemanden in Verlegenheit bringen. Statt der Atombomben setzten die Generäle chemische und biologische Waffen ein, was offiziell noch heute ein Staatsgeheimnis ist. Erneut konnte Lemnitzer beobachten, dass offene politische Auseinandersetzung mit Washington unproduktiv war, hingegen Aktionen unter militärischer Geheimhaltung sich als zielführend erwiesen. Aus Korea, wo Lemnitzer sein bisher größtes Kommando geführt hatte, kehrten die Feldherren des US-Militärs nicht als Sieger zurück.
Die Kommunisten in Korea hatten den Vorteil, dass sie sich gemäß soldatischer Tugend zu erkennen gaben. Lemnitzer reiste nun jedoch in ein Land, in dem sich die Kommunisten als Politiker, Künstler und Journalisten sogar im konservativen Lager tarnten: ins Amerika der 50er Jahre.
McCarthy-Ära
Die Paranoia des begabten Verschwörungstheoretikers Senator Joseph McCarthy propagierte nicht nur Washington als kommunistisch unterwandert, sogar Hollywood und Schlüsselpositionen im Militär seien bereits von den Roten infiltriert. Ein von McCarthy und seinem Komitee gegen unamerikanische Aktivitäten im Fernsehen angehängtes Etikett "Kommunist" führte allgemein zur Ächtung, selbst der entsprechend beschimpfte Verteidigungsminister Marshall trat zurück. Die vollmundigen Verdächtigungen McCarthys und die durch die sowjetische Atombombe geschürte Furcht vor den "Roten" führten in den USA zu Hexenjagden, Selbstzensur und allgemeinen Wettbewerb um möglichst patriotische Gesinnung, der naturgemäß im Militär auf besonders fruchtbaren Boden fiel. Tatsächlich war das Ausmaß sowjetischer Subversion verschwindend gering. Die meisten Operationen im Bereich von Desinformation scheiterten an der konservativen Einstellung amerikanischer Zeitungen, die Regierungs-abträgliche Informationen nicht brachten.
McCarthy griff auch einige Militärs an, die Lemnitzer schätzte und intern gegen den Demagogen verteidigte. Nach McCarthys Tod formierte sich die rechtsgerichtete John Birch-Society, wo künftig die Paranoia vor kommunistischer Unterwanderung ausgelebt werden konnte. Von der insbesondere seit den 50er Jahren in der US-Gesellschaft tief verwurzelten Angst vor kommunistischer Bedrohung profitierte vor allem das Pentagon, dem schwerlich Begehrlichkeiten abgeschlagen werden konnten, wollte man nicht als zu weich gegen den Kommunismus gelten. Während sogar die Präsidenten Roosevelt, Truman und Eisenhower entsprechender Anfälligkeit für Kommunismus geziehen wurden, geriet Lemnitzer wohl nie in den Verdacht, die Roten nicht hinreichend genug zu hassen. Im Gegenteil äußerte Lemnitzer öffentlich seine Zustimmung etwa zu den Ansichten seines texanischen Kollegen General Edwin Walker, der zu den Führungspersonen der amerikanischen Rechten gehörte.
Regierung Eisenhower
Den gelernten Artilleristen Lemnitzer erwartete nach dem Koreakrieg in den USA ein neues Prunkstück: eine Kanone, mit der man atomare Munition verschießen konnte! Diese wurde in Westdeutschland in Wäldern verborgen stationiert. Außerdem hatten die USA einen neuen Präsidenten bekommen, der ganz nach Lemnitzers Geschmack war: sein früherer Weltkriegskommandeur Fünf Sterne-General a.D. Eisenhower. Dies kam beinahe einer Militärregierung nahe, einem pragmatischen Konzept, das Lemnitzer und vielen Kollegen aus dem Pentagon alles andere als unsympathisch gewesen war. So stützte etwa die CIA verdeckt viele Staaten in Mittelamerika und Afrika, die als Diktatur geführt wurden.
Lemnitzer war ein Ordnungsfanatiker, der bisweilen einer Karikatur ähnelte. Fahnen waren zu grüßen, Uniformen korrekt zu tragen, Schuhe zu putzen. Über sein unmittelbares militärisches Umfeld übte er lückenlose Kontrolle aus. Als 1958 seine Mutter starb, ließ er das leer stehende Haus unverändert erhalten und verfügte in seinem Testament, dieses müsse in Familienbesitz bleiben. Auch an seine Kinder enthielt das Testament Befehle. Der passionierte Leser von Soldatenzeitschriften konnte mit Zivilisten eher wenig anfangen. Ungleich mehr interessierten ihn die Atomtests, die 1954 auf dem Bikini-Atoll liefen. Lemnitzer war zeitlebens ein begeisterter Sportsmann, der insbesondere Ballsportarten liebte, vor allem Golf. Noch mit 50 Jahren machte er das Fallschirmspringerabzeichen.
Fernost
1955 wurde der von mittlerweile vier Sternen gezierte General Lemnitzer für Fernost zuständig, wo er häufig Präsident Syngman Rhee bei dessen Kampf gegen die Kommunisten beriet. Rhee vermochte sich nach einer geschobenen Wahl nur noch mit Hilfe der CIA zu halten, bis er 1960 fliehen musste.
Als US-Diplomaten die mit Militärbasen übersäte Insel Okinawa an Japan zurückgeben wollten, konnte dies deren faktischer Gouverneur Lemnitzer verhindern. Auf Okinawa vereinigte das Militär die drei Gewalten Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung - ganz nach dem Geschmack des strammen Militärs. In Japan hatte Lemnitzer beim Wiederaufbau der nationalen Streitkräfte Schwierigkeiten, da die japanische Verfassung ausschließlich Verteidigung erlaubte. In Lemnitzers Zuständigkeit fiel der Skandal um einen GI, der eine Japanerin erschossen hatte. Entgegen der Rechtsauffassung seiner Berater setzte Lemnitzer zunächst durch, der Soldat müsse statt vor ein japanisches Strafgericht vor ein amerikanisches Kriegsgericht, da er in seiner Dienstzeit gehandelt habe. Lemnitzers protektionistische Anmaßung wurde auf höchster politischer Ebene korrigiert.
Atomgranatwerfer
Für den Gewehrfanatiker Lemnitzer hatte die Rüstungsindustrie wieder ein neues Spielzeug im Angebot, mit der es auch die Army so richtig knallen lassen konnte: Den Atomgranatwerfer, den ein einzelner Soldat aus einem tragbaren Rohr abfeuern konnte. In Deutschland plädierte vor allem Verteidigungsminister Franz Joseph Strauß leidenschaftlich für dieses neue Waffensystem, das den Benutzer gleich mit verstrahlte. Das Risiko, dass ein einzelner durchgeknallter Soldat eine tragbare Atombombe in die Hand bekäme und damit internationale Konflikte auslösen könne, behagte jedoch sogar Lemnitzer nicht so recht: Derartiges war Chefsache. Während man lange angenommen hatte, diese taktische Waffe sei wegen ihrer bisweilen tödlichen Nebenwirkungen nur als letzter Ausweg brauchbar, gab es für das handliche Atomgewehr durchaus ein lange geheim gehaltenes, militärisch sinnvoll erscheinendes Anwendungsgebiet: Als Bordwaffe einer militärischen Raumstation.
V2 in space
Die drei traditionell rivalisierenden Waffengattungen Navy, Army und Air Force konkurrierten gegeneinander mit eigenen Raketenprogrammen. Die Army, zu deren Vizechef der US Army-General Lemnitzer 1957 aufgestiegen war, verfügte über Hitlers Raketen-Ingenieure. Bei einem Dinner mit Wernher von Braun am Army-Stützpunkt Redstone Arsenal, wo geheime Militärtechnologie entwickelt wurde, verdarb ihnen die Meldung vom Sputnik den Appetit. Nunmehr waren die Sowjets in der Lage, die bisher unerreichbaren und durch den Atlantik geschützten USA mit Projektilen zu treffen. Nach Versagen des Navy-Projekts "Vanguard" stellte vier Monate später Lemnitzers Army die strapazierte Ehre der Nation wieder her, indem sie mit einer der V 2-Rakete nachempfundenen Jupiter C den ersten US-Satelliten Explorer 1 ins All beförderte.
Das Raketenprogramm erwies sich für die Army und den federführenden General Lemnitzer als äußerst prestigeträchtig. Die Army hatte ansonsten gegenüber der attraktiveren Air Force und der sich als elitär gebärdenden Navy weniger Glamour zu bieten. Im Folgejahr sandte die Army publikumswirksam sogar Affen in den Weltraum.
1958 demonstrierte die Air Force die eigentliche Mission des Raketenprogramms und brachte sechs Atombomben in den Höhen von 20 km bis schließlich 540 km zur Explosion.
Doch für den Weltraum hatten die Strategen weitaus ehrgeizigere Pläne. Wie 1992 offiziell eingeräumt wurde, war ab 1959 in die scheinbar nur wissenschaftlichen ersten Satelliten in doppelten Böden heimlich Beobachtungsoptik und später Abhörelektronik zur Signalspionage eingebaut worden.
Erst in den letzten Jahren wurde bekannt, dass auch die bemannte Raumfahrt in Wirklichkeit einen streng geheimen militärischen Hintergrund hatte: Man projektierte fliegende Kommandoleitstände, um Spionageoptik zu bedienen, russische Satelliten anzugreifen - oder einen Atomkrieg aus sicherer Entfernung koordinieren oder sogar führen zu können. Das Programm der bemannten Spionage- und Kampfsatelliten war das geheime Motiv für die ansonsten wenig sinnvolle bemannte Raumfahrt gewesen.
Sogar der Mond sollte nach den damaligen Vorstellungen als unangreifbare Basis für Atomraketen genutzt werden. In einer Studie von Lemnitzers Redstone Arsenal von 1959 war der Baubeginn einer für 12 Astronauten vorgesehen Mondstation für 1965 projektiert worden.
Die prinzipielle Durchführbarkeit einer bei Mondlandungen erforderlichen Senkrechtlandung auf einer Düse bewiesen Testflüge des futuristischen Senkrechtstarters X-13 Vertijet, der ursprünglich auf U-Booten stationiert werden sollte. Dessen Hersteller Ryan war bereits damals ein führender Produzent von jetgetriebenen Drohnen. Nach seiner Pensionierung verdiente sich Lemnitzer in den 70er Jahren bei Ryan ein Zubrot.
NASA
Doch erneut stand der Feind in Washington. Die Politik beschloss, Raumfahrt sei keine Angelegenheit des Militärs und gründete die zivile Raumfahrtagentur NASA. Lemnitzer setzte durch, dass seine Nazi-Techniker vorerst der Army erhalten blieben. Fiktive CIA-Berichte über eine sowjetische Überlegenheit an Interkontinentalraketen ("Raketenlücke") begünstigten politisch den Ausbau des eigenen Arsenals. Ferner setzte sich Lemnitzer für ein kostspieliges Programm der Army zur Abwehr anfliegender Atomraketen ein, das jedoch nie ernsthaft funktionieren sollte. Selbst Jahrzehnte später erwiesen sich entsprechende Abwehrraketen allenfalls in der Propaganda als zuverlässig.
Zwar hatte die Politik dem Militär die bemannte Raumfahrt offiziell weggenommen, doch die Air Force setzte unter strengster Geheimhaltung nach dem Need-to-know-Prinzip die Vorbereitungen für bemannte militärische Missionen fort, die später parallel im Schatten des zivilen Tarnprojekts des Gemini-Programms ("Zwillings-Programm") laufen sollten. Die geheimen Militärastronauten kamen im Gegensatz zu ihren NASA-Kollegen nie zum Einsatz, da später die zivile, und damit automatisch die militärische Raumstation gestrichen wurden. Die verhinderten Weltraumkrieger, deren geheime Verwendung erst seit wenigen Jahren bekannt ist, machten jedoch in ähnlicher Weise Karriere. Richard Truly etwa brachte es nicht nur zum Pilot des Space Shuttle, sondern als Vize-Admiral sogar zum Chef der NASA.
Während unbemannte Spionage- und Kommunikationssatelliten schon bald zum Alltag des Militärs gehörten, sollten Lemnitzers kühne Science Fiction-Pläne für aktive Kriegsführung im Orbit ein Jahrzehnt später in der Schublade verschwinden. Erst in den 80er Jahren wurden sie vom damaligen Präsident Ronald Reagan in seiner ebenfalls unbrauchbaren Strategic Defense Initiave (SDI) wieder aufgegriffen, der seinen Parteifreund Lemnitzer 1987 mit der Freiheitsmedaille auszeichnete, der höchsten amerikanischen Anerkennung für Zivilisten.
U2
Auch das damals hochgeheime Spionageflugzeug U2 sollte für den Fall eines Abschusses als Forschungsflugzeug der NASA legendiert werden. Die U2 überflog häufig die Sowjetunion, um die von der CIA fabulierten Hunderte an russischen Atomraketen zu verifizieren. Als ein vorzeitiges Ende des Kalten Kriegs durch den Friedensgipfel in Paris drohte, hatte der Stratege Glück: entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Präsidenten, keine Spionageflüge mehr durchzuführen, hatte eine U2 das Territorium des Sowjetunion überflogen und war unerwartet abgeschossen worden, was das politische Klima vergiftete.
Militär im Innern
Als sich in Little Rock, Arkansas, neun Studenten schwarzer Hautfarbe an der Highschool einschrieben, sah sich Eisenhower aufgrund rassistischer Proteste veranlasst, Soldaten im Inland einzusetzen. Nachdem der Kongress verfassungsrechtliche Bedenken gegen Militär im Inland anmeldete, wusste Lemnitzer unter Ausnutzen des Corpsgeists eine Untersuchung so lange effizient zu blockieren, bis das Thema niemanden mehr interessierte. Gegen totalitäre Staatsformen hatte Lemnitzer nie etwas einzuwenden, solange sie nicht kommunistisch waren. Ordnung musste sein.
Taktische Bomben
Die Atombombe wollte die Army nicht allein der Air Force überlassen: Unter strenger Geheimhaltung projektierte man entlang der deutsch-deutschen Grenze Schächte für tragbare Atomminen, die man im Fall einer sowjetischen Invasion zünden und so einen für Bodentruppen wegen nuklearer Verseuchung schwer überwindbaren Korridor errichten wollte. Bundeskanzler Adenauer hatte seine Generäle davon überzeugt, Kernwaffen geringerer Sprengkraft seien lediglich "weiterentwickelte Artillerie". Obwohl "Gerüchte" über die Atomminen ihren Weg in die deutsche Presse fanden, dementierte die Politik eisern.
Strategische Bomben
Ungleich weiter war ein britischer Geheimplan von 1954 gegangen, der vorsah, strategische Atomminen in Westdeutschland zu stationieren, um im Fall eines erfolgreichen sowjetischen Einmarsches das Land selbst nuklear zu verseuchen. Diese Strategie der verbrannten Erde, von der man die Regierung des inzwischen zum NATO-Partner aufgestiegenen Landes nicht einmal informiert hatte, wurde jedoch 1959 wieder aufgegeben. Derartiges hätten beinahe die Sowjets besorgt. Wie erst seit 2008 bekannt ist, hatte die Sowjetunion während der Berlin-Krise 1959 heimlich atomare Mittelstreckenraketen bei Berlin stationiert, im selben Jahr jedoch wieder abgezogen.
Um dem Kommunismus Einhalt zu gebieten, hatte Air Force-General Curtis LeMay bereits 1949 vorgeschlagen, "sämtliche 133 Atombomben auf 70 Städte zu werfen". Man solle den Russen den "Sonntags-Schlag" bringen, bevor sie es umgekehrt täten. LeMay hatte im Zweiten Weltkrieg die Bombardierung Tokios kommandiert, wo er mit Napalm in nur einer Nacht über 100.000 Zivilisten getötet und später die Atombomben auf Japan geworfen hatte. In Washington tat LeMay kund, der Atomkrieg sei nur eine Frage der Zeit, die maximal zehn Jahre betrage, was der allgemeinen Meinung der Spitzenmilitärs entsprach.
Präsident Eisenhower propagierte die Strategie einer "massiven Vergeltung" für einen jeglichen sowjetischen Angriff. Dieser Automatismus eines Atomkriegs ging vielen zu weit. Army-Chef General Maxwell Taylor, der Lemnitzer nach Kräften gefördert hatte, trat 1959 unter Protest gegen Eisenhowers Verteidigungspolitik zurück und schrieb verärgert sein Buch "The Uncertain Trumpet" unter Anspielung auf die biblischen Trompeten von Jericho. Angesichts des Sputnik-Schocks, der die Verwundbarkeit der USA demonstrierte, wies Taylor darauf hin, dass es bei einem Atomkrieg keinen Schutz für die eigene Bevölkerung gebe der man mit "Duck and Cover"-Propaganda das Gegenteil suggerierte. Weitere Generäle folgten. Lemnitzer selbst trat damals für eine flexiblere Antwort auf eine sowjetische Aggression ein, die er "forward strategy" nannte. Wenn der Gegner schon einen Anlass zum Einmarsch lieferte, dann sollte ein guter Stratege einen solchen auch zu nutzen wissen. Wie man heute weiß, stand Lemnitzer der Sinn tatsächlich nicht nach einem atomaren Zweitschlag - sondern nach einem Erstschlag.
Lemnitzer ersetzte Taylors Platz im Vereinigten Generalstab der Teilstreitkräfte (JCS), dem höchsten Gremium des US-Militärs. Vier Monate vor Ende seiner Präsidentschaft machte Eisenhower Lemnitzer zum "Chairman of the Joint Chiefs of Staff", dem höchstrangigen amerikanischen Militär. Admiral Burke verehrte Lemnitzer zu diesem Anlass eine Trompete mit der Gravur "The Certain Trumpet". Als nun ranghöchster Militär der USA machte Lemnitzer sogar Vorschriften, wie man Gruppenfotos des JCS zu signieren habe, wobei man sogar der Neigung seiner Unterschrift folgen musste. Was man kontrollieren konnte, das kontrollierte er.
Kuba-Projekt
Nachdem der kubanische Revolutionär Fidel Castro das rechtsgerichtete Batista-Regime von der Zuckerinsel vertrieben, die Mafia entmachtet und schließlich amerikanische Firmen verstaatlicht hatte, plante Eisenhower einen militärischen Einmarsch. Ein solcher Blitzkrieg wäre eine willkommene Wahlkampfhilfe für seinen Vize Richard Nixon gewesen, der ihn im Amt hätte beerben sollen. Doch eine militärische Annexion des souveränen Landes kam ohne rechtfertigenden Anlass nicht in Betracht. Eisenhower war es, der Lemnitzer vorschlug, einen solchen einfach zu fingieren. Man könne einen Bombenanschlag oder ähnliches inszenieren, um ihn als Vorwand für eine "Reaktion" zu benutzen. Oder die CIA solle mit Paramilitärs eine Widerstandsgruppe inszenieren, wie man es in den mittelamerikanischen Ländern praktiziert hatte. Die CIA gelangte schließlich zu der Erkenntnis, Subversion alleine sei nicht ausreichend. Stattdessen entwickelte man den Plan, eine Konterrevolution durch Exilkubaner zu inszenieren, welche als "neue Regierung" die amerikanischen Nachbarn um militärischen Beistand bitten solle, der zufällig bereitstand. Die Pläne konnten jedoch vor der Wahl nicht mehr realisiert werden. Im Wahlkampf wurde die Regierung, welche ihre Pläne geheim halten musste, als zu nachlässig gegenüber Kuba attackiert - von Herausforderer John F. Kennedy, der die Wahl dann mit einer hauchdünnen, wie fragwürdig erzielten Mehrheit gewann.
Teil 3: Vom Geheimkrieg zum Doomsday-Plan