Von einem Problem, zu jung auszusehen
Das neue Sexualstrafrecht verwischt die virtuellen Grenzen zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einigen seltsamen Nebeneffekten
Seit dem 5.11.2008 ist durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt das neue Sexualstrafrecht in Kraft getreten. Es regelt den dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches, das sich mit den Straftaten befasst, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen. Neu ist insbesondere, dass nun auch Schriften, die lediglich ein „wirklichkeitsnahes Geschehen“ wiedergeben, durch den §184c StGB in gleicher Weise wie ein wirkliches Geschehen geahndet werden.
Nach dem neuen Sexualstrafrecht muss nun auch virtuelle Kinder- und Jugendpornographie verfolgt werden, obgleich es hier keine Opfer gibt. Als Begründung für diese Verfolgung gilt die These, dass durch solche Bilder Menschen erst „auf den Geschmack kommen“. Eine ähnliche „Einstiegsdrogenthese“ wurde in Bezug auf Kinderpornographie erst kürzlich von der Familienministerin Ursula von der Leyen vertreten. Eine solche Ahndung von Fotos, Videos, Zeichnungen und Schriften, die ein „wirklichkeitsnahes Geschehen“ wiedergeben, käme überdies einem Berufsverbot für jugendlich aussehende Porno- und Webcamdarsteller gleich.
Die neue Regelung weist zugleich auf eine eklatante Lücke im Antidiskriminierungsgesetz (AGG) hin. Das AGG bezieht sich auf eine Ungleichbehandlung, die durch „Rasse, Alter, Geschlecht, Behinderung, sexueller Orientierung und Religion“ bedingt wird. Es regelt jedoch keine Benachteilung, die auf einem scheinbar vorhandenen Kriterium beruht und zudem gesetzlich vorgeschrieben wird. Dies aber ist die Crux beim neuen Sexualstrafrecht: Hier unterliegt nicht die Jugendliche dem Verbot, als Pornodarstellerin tätig zu werden, sondern vielmehr auch diejenige, die einer Jugendlichen ähnelt bzw. als diese wahrgenommen wird. Die Pornoindustrie muss, folgt sie den neuen Gesetzen, auch volljährige Darsteller ablehnen, so diese ein kindliches/jugendliches Aussehen aufweisen.
In Deutschland würde dies also einem Berufsverbot für Darstellerinnen wie „Little Miss Kitty“ bedeuten. Die nach eigenen Angaben 1984 geborene Pornoactrice wirkt in ihren Filmen ohne Zweifel kindlich/jugendlich und bedient damit einen Markt. Doch wird damit kein Opfer erzeugt, sofern sie dieser Tätigkeit freiwillig nachgeht, wovon auszugehen ist. Somit würde ihre Tätigkeit in Deutschland nicht mehr möglich sein, obgleich es nicht strafbar ist, als Pornodarstellerin per se zu arbeiten. Die Diskriminierung ergäbe sich lediglich durch das zu junge Aussehen.
Doch nicht nur in Bezug auf den Beruf wären Little Miss Kitty samt all den anderen kindlich/jugendlich wirkenden Damen und Herren eingeschränkt. Auch die Möglichkeit, die eigene Sexualität auszuleben, wäre stark beeinflusst. Es wäre zum Beispiel unmöglich, einen Swingerclub zu besuchen, der auch eine Live-Übertragung des Geschehens anbietet. Auch private Videos, die auf YouPorn (u.a.) veröffentlicht werden würden, unterlägen dem neuen Strafrecht, gleiches gilt für veröffentlichte Photos. Insbesondere auch sexuelle Praktiken, die nicht dem „Standard“ (was auch immer dieser sein mag) entsprechen, könnten insofern, so sie auf irgendeine Weise veröffentlicht werden, als „Hardcore“ Kinder/Jugendpornographie gewertet werden. Somit wäre sexuelle Betätigung, die mit Exhibitionismus einhergeht, für all jene, die den Anschein erwecken könnten, nicht volljährig zu sein, verboten, da dies mit echter Kinder/Jugendpornographie gleichgesetzt werden kann.
Künstliche Alterung würde, wenn das neue Recht nicht erfolgreich angefochten wird, konsequenter Weise zu einer Möglichkeit, einem Strafrecht zu entgehen, welches nur auf Grund einer möglicherweise angenommenen Kindlichkeit oder Jugendlichkeit die sexuelle Selbstbestimmung verbietet.