Vor ICANN sind nicht alle gleich
Parallele Namensräume findet die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) gar nicht gut, denn sie stellen ihre Autorität in Frage
Während man das Eine ablehnt, wollte man sich aber auf der Tagung in Stockholm bei Insellösungen bei der Einführung von Nicht-ASCII-Domains ins DNS lieber nicht einmischen. Hinter letzteren steckt allerdings auch einer der Hauptbeitragszahler der Organisation, Marktführer VeriSign Global Registry.
"Wir sind zur Zusammenarbeit mit ICANN bereit, darum sind wir hier," sagt Steve Chadima vom Anbieter new.net, der - nicht eben bescheiden - gleich 20 neue, selbstgestrickte Top Level Domains anbietet. Man erhoffe sich von ICANN nun, dass die Organisation "inclusive" agiere. Soll heißen, die 19 Direktoren sollen die Pseudo-TLDs von new.net doch bitte respektieren und in der nächsten Runde von Neueinführungen nicht selbst besetzen. Denn dann müssten die ISPs, die .tech, .shop, .kids, oder .family-Adressen auf New.nets Nameserver routen, sich für eine der Welten entscheiden, um Kollisionen zu verhindern. Selbstverständlich sei man dafür im Gegenzug auch gerne bereit, ICANN die ihr zustehende "Steuer" für jeden Domainnamen zu bezahlen.
"Wenn wir sagen, dass wir Top Level Domains nicht vergeben, die bereits irgend jemand besetzt hat, nehmen wir uns jede Möglichkeit, überhaupt neue TLDs zu vergeben," warnt demgegenüber ICANNs Vorsitzender Vint Cerf. Denn dann würde es sofort zigtausende neuer Top Level Domains geben. Der TCP/IP-Mitentwickler befürchtet ein "Cybersquatting von Top Level Domains". Eindeutig und hart verurteilten nicht nur ICANN-Würdenträger die "Cybersquatter", zu denen sie auch die Anbieter schon länger bestehender alternativer Adressräume wie Christopher Amblers .web oder die .biz-TLD von Leah Gallegos' Atlantic Root Network rechnen.
"Wir werden nicht Polizei spielen und andere Anbieter verfolgen," sagte der neue ICANN-Präsident Stuart Lynn. ICANN werde sich aber nicht davon abhalten lassen, bereits von alternativen Anbietern verwendete Adressen neu auszuschreiben. Elliott Noss, Chef von Tucows, kündigte gar an, er werde sich in der nächsten Runde um ".web" bewerben. Im ICANN-Vorstand mochten nur die At-large-Direktoren für Nordamerika und Europa, Karl Auerbach und Andy Müller-Maguhn, ein gutes Wort für die "Alternativen" einlegen. Immerhin benutzten die ICANN-Direktoren selbst bei jeder Mail an ihn einen alternativen Rootzone-Server, sagte Karl Auerbach, der ICANNs Verhältnis zu den TLDs außerhalb der ICANN Einflusssphäre gerne von Fall zu Fall geklärt sehen würde. Eine koordinierende Funktion für parallele Namensräume, die auch Andy Müller-Maguhn fordert, lehnte die Mehrzahl der Direktoren ab.
Bei soviel Entschlossenheit, die Einheit der Rootzone gegen Squatter zu verteidigen, hätte man zumindest auch ein warnendes Statement in Richtung derjenigen erwarten können, die ihren eigenen Standard für Nicht-ASCII-Domains forcieren wollen. Rund eine Million chinesischer, arabischer, hebräischer und anderer Nicht-ASCII-Domainregistrierungen gibt es derzeit nach einem Bericht des asiatischen At-Large-Direktors Masanobu Katoh. Den Löwenanteil, rund 900.000 in einem speziellen Format (RACE) kodierte, nicht-englischsprachige Domain-Registrierungen schlummern in den Datenbanken von Marktführer und Exmonopolist VeriSign.
Doch dem möchte die ICANN-Führung nicht in die Suppe spucken. "Wir sollten nicht die bestrafen, die innerhalb des ICANN-Systems agieren", sagte Stuart Lynn. VeriSigns Bekunden, sich einem von der Internet Engineering Task Force (IETF) verabschiedeten Standard anzuschließen und seine Bereitschaft, die Aktivierung der Domains noch einmal um ein paar Wochen zu verschieben, seien erst einmal ausreichend. "Ansonsten üben wir ein Maß an Kontrolle aus, das uns nicht zusteht, so Lynn.
"Wir sollten nicht versuchen, Gott zu spielen", warnte auch Cerf. Anbieter könnten aufgesetzt aufs DNS alle Arten von speziellen Services aufsetzen, das sei nicht zu verhindern. Sollte VeriSign sich unter Hinweis auf seine vielen Kunden mit der automatischen Übertragung der Adressen auf einen neuen Standard durchsetzen, muss sich ICANN endgültig fragen lassen, ob sie mit zweierlei Maß misst.
Will man den Unwillen ICANNs verstehen, gegen den mächtigen Riesen und wichtigen Beitragszahler VeriSign aktiv zu werden, hilft vielleicht ein Hinweis vom Vorsitzenden Cerf. Würde man einschreiten, könnte das Rennen von Unternehmen gemacht werden, die nicht in ICANNs Sphäre angesiedelt sind, sagte Cerf. In Stockholm machte unter anderem RealNames viel Werbung für seine Directory-Lösung für multilinguale Domains. Über die marktbeherrschenden Microsoft-Browser könne man eine einfache, schnelle Lösung anbieten.